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2018

Der Fabel-Weltrekord von 2:01:39 im Marathon der Männer durch Eliud Kipchoge am 16. September 2018 in Berlin war zweifellos das Highlight einer grandiosen Saison 2018 in der internationalen Straßenlaufszene. Dazu kam eine Flut weiterer Bestleistungen und Rekorde, die Entwicklung des Marathonlaufs zu einem Event von globaler Dimension schreitet unaufhaltsam voran. - Foto: Victah Sailer

Das tragen die schnellsten Läufer der Welt – Die große Schuhanalyse der World Marathon Majors 2018 – Simon Müller aus: SZENE in „triathlon“

By GRR 0

Manchmal ist für Triathleten der Blick zu den Spezialisten in den Einzeldisziplinen äußerst interessant.

Wir zeigen, welche Schuhe die schnellsten Menschen der Welt dieses Jahr bei den großen Marathons getragen haben.

Durch die Besonderheit, dass der Triathlon ein Sport ist, der sich aus drei verschiedenen Sportarten beziehungsweise Disziplinen zusammensetzt, ist für uns Triathleten ein Blick über den Tellerrand zu den Spezialisten durchaus immer wieder interessant und aufschlussreich.

Nicht nur die Triathlonsaison 2018 ist (weitestgehend) beendet, auch die World Marathon Majors 2018 haben mit dem New-York-City-Marathon im November einen Abschluss gefunden. Für alle, die mit dem Begriff der „WMM“ nichts anfangen können: Die World Marathon Majors sind ein Zusammenschluss von Marathon-Veranstaltungen, den es seit 2006 gibt. Dazu gehören momentan der Tokio-Marathon, Boston-Marathon, London-Marathon, Berlin-Marathon, Chicago-Marathon und New-York-City-Marathon.

Die beiden Gesamtsieger in der WMM-Wertung bekommen am Ende des Jahres jeweils 500.000 US-Dollar Preisgeld. Es soll aber nicht um die Sieger und ihre Zeiten aus diesem Jahr gehen, sondern um die Schuhe, welche die Top-3-Athleten jeweils bei den Erfolgen in den WMM-Rennen getragen haben.

Schaut man sich die folgenden Statistiken an, fallen zwei Tatsachen auf: Erstens, dass sich auf dem Schuhmarkt in den vergangenen zwei Jahren durch neue Innovation so viel getan hat, dass mittlerweile eine Firma die Weltspitze im Marathonlauf ganz klar dominiert.

Und zweitens, dass nicht gerade wenige Athleten personalisierte Schuhe oder Prototypen tragen, die es für den Endverbraucher (noch) gar nicht zu kaufen gibt. Interessant ist außerdem, dass sich viele der Modelle auch in der Triathlon-Weltspitze wiederfinden, obwohl das Tempo, die Distanz und dementsprechend auch die Anforderungen an das Schuhwerk dort zum Teil ganz andere sind.

Männer-Sieger trugen alle Nike, nur Kawauchi gewann mit Custom-Schuh von Asics

Schaut man sich die Ergebnisse der Männer an, fällt sofort auf, dass die Sieger alle Nike-Schuhe getragen haben.

Mit einer Ausnahme: Der Japaner Yuki Kawauchi, der 2018 unter Extrembedingungen den Boston Marathon in 2:15:58 Stunden für sich entschied, trug bei seinem Sieg – traditionsbewusst für einen Japaner – Asics-Schuhe, die nicht im Handel erhältlich sind. Kawauchi lief in einer speziell für ihn angefertigten Sonderedition des „Asics Sortie Magic“, einem Schuh, der von Asics in Europa noch nie vertrieben wurde und den deshalb kaum jemand kennt.

Von den anderen fünf Siegern waren vier mit einem Nike-Vaporfly-Modell unterwegs. Nur der Kenianer Dickson Chumba trug beim Tokio-Marathon (2:05:03 Stunden) die „Nike Zoom Streak 6“, einen direkteren Wettkampfschuh von Nike mit weniger Dämpfung als bei der Vaporfly-Reihe.

Betrachtet man alle Top-3-Athleten, kommt dabei heraus, dass 13 von 18 Athleten mit Nike-Schuhe unterwegs waren, drei Athleten mit Adidas-Schuhen und jeweils einer mit Brooks und Ascis, wobei die beiden zuletzt genannten Schuhe beides Custom-Modelle waren, die bis heute noch nicht erhältlich sind.

Denn neben dem Spezialschuh von Yuki Kawauchi in Boston trug der Drittplatzierte Shadrack Biwott (2:18:35 Stunden) einen Prototypen des „Hyperion“ von Brooks, der zukünftig wohl allerdings in den Verkauf kommen soll. Schaut man sich den Aufbau dieses Schuhs an, fällt auf, dass er optisch und von der Sohlenbeschaffung sehr dem Vaporfly 4% von Nike ähnelt. Insgesamt fällt auf, dass der Trend der minimalistischen Schuhe, den es in vergangenen Jahren noch gegeben hat, sich mit dem Erscheinen der neuen Nike-Vaporfly-Reihe radikal gewandelt hat.

Von den 18 Athleten, die bei den WMM einen Podiumsplatz belegten, setzten nur noch vier auf minimalistische und dementsprechend wenig gedämpfte und relativ direkte Schuhe: zweimal in Form des „adizero Sub2“, einmal der „adizero Adios 3“ und der bereits beschriebene Custom-Schuh von Yuki Kawauchi. Allerdings gibt es auch bei den Vaporfly-Modellen große Unterschiede:

Sowohl Eliud Kipchoge als auch Mo Farah trugen bei ihrem Weltrekord (2:01:39 Stunden) beziehungsweise Europarekord (2:05:11 Stunden) in Berlin und Chicago den „Vaporfly Elite 2“, ein Modell, dass es aktuell nur für die schnellsten Eliteläufer gibt, die bei Nike unter Vertrag stehen. Bereits bei der ersten Version des „Vaporfly Elite“ war die Anzahl auf nur 100 Exemplare weltweit limitiert.

Bei seinem Frühjahrsmarathon in London trug Kipchoge den „Vaporfly Elite Flyprint“, eine Version mit 3-D-geprinteter Oberfläche, die nur hauchdünn und dementsprechend extrem leicht ist. Auch diese Variante war so limitiert, dass sie nie zum offiziellen Verkauf stand. Wer durch besondere Aktionen ein Recht auf einen Kauf bekommen konnte, hatte die Möglichkeit, den Schuh für 600 US-Dollar erwerben. Alle anderen Athleten trugen die offiziellen Vaporfly-Modelle, die auch für Jedermann erhältlich sind oder waren (Vaporfly 4% und Vaporfly 4% Flyknit).

Ein Zwischenfazit

Was sagt uns diese sehr deutliche Statistik? Unter anderem, dass es von Nike auf der einen Seite aus Marketinggründen natürlich sehr klug ist, die weltbesten Läufer fast alle mit dem neuen Schuhmodell auszustatten, damit genau ein solches Bild am Ende des Jahres in der Auswertung zustande kommt. Allerdings muss man dazu sagen, dass es Studien gibt, die zeigen, dass die vier Prozent verbesserte Laufökonomie, die durch das Tragen des Vaporfly 4% versprochen werden, tatsächlich nachzuweisen sind. Und das nicht nur bei absoluten Weltklasse-Läufern, sondern schon bei ambitionierten „Amateurathleten“.

Aber gerade an der Weltspitze, wo es um jede Sekunde geht, scheint es fast so, als könnte man es sich fast gar nicht mehr erlauben, diesen Materialvorteil zu verschenken. Der Fakt, dass nun auch andere Schuhfirmen dabei sind, eine solche Technologie zu entwickeln, untermauert diese Aussage. Spannend bleibt, ob sich diese Statistik zukünftig noch einmal verschieben wird, wenn andere Hersteller einen Schuh mit ähnlichen Eigenschaften anbieten. Die positiven Effekte des Schuhs konnten wir außerdem bereits selbst in einem ausführlichen und vielseitigen Test feststellen, hier nachzulesen.

In der neuesten Episode unseres Podcasts haben wir diese Statistik auch noch einmal aufgegriffen.

Keitany macht’s wie Patrick Lange, Nike auch bei den Frauen Spitzenreiter

Bei den Frauen zeichnete sich ein ähnliches Bild ab: Von den sechs Siegerinnen trugen drei eine Variante des Nike Vaporfly 4%. Desiree Linden trug beim Boston-Marathon (2:39:54 Stunden) den Prototypen des „Hyperion“ von Brooks und Gladys Cherono erlief sich ihren Berlin-Sieg (2:18:11 Stunden) in den Adidas Adizero Adios 3. Außergewöhnlich war die Schuhwahl von Mary Keitany: Die Kenianerin siegte in New York (2:22:48 Stunden) mit dem „Adidas Adizero Takumi Sen“, einem extrem minimalistischen Schuh, dessen Produktion von Adidas bereits eingestellt wurde, und der eigentlich nur für eine Wettkampfstrecke von maximal zehn, eher fünf, Kilometern empfohlen wurde.

Die beiden Brownlee-Brüder, die seit vielen Jahren von Adidas gesponsert werden, liefen lange Zeit in diesem Modell und trugen es beispielsweise auch bei den Olympischen Spielen 2012 in London. Dass sich Keitany für den Takumi Sen entschied, erinnert aus Triathletensicht stark an die Schuhwahl von Patrick Lange beim Ironman Hawaii. Lange lief beim Marathon in den beiden vergangenen Jahren den Hanzo S von New Balance, ebenfalls ein äußerst minimalistischer Schuh, der sonst nur für Wettkämpfe über fünf und zehn Kilometer empfohlen wird.

Mit ihrer radikalen Schuhwahl ist Keitany bei den Frauen allerdings die ganz große Ausnahme: Von den 18 Frauen in der Statistiken waren zwölf mit Nike-Schuhen unterwegs, davon elf Vaporfly-Modelle und einmal „Nike Zoom Streak 5“, welche die Zweitplatzierte Brigid Kosgei in London (2:20:13 Stunden) trug. Drei Athletinnen liefen mit Adidas-Schuhen. Brooks, New Balance und Saucony waren außerdem jeweils einmal vertreten.

Auffällig ist, dass bei den Frauen deutlich weniger mit Custom-Modellen gearbeitet wird. Spezialversionen wie der Vaporfly-Elite, der bei den Männern mehrfach zum Einsatz kam, gab es hier nur in einem Fall: bei Shalane Flanagan in New York (2:26:22 Stunden). Die Schuhe von New Balance (1400 v5), Saucony (Fastwitch 8) und Adidas (Adizero Adios 3) wurden ebenfalls als Standardvarianten getragen.

In Summe sind es bei den Frauen zwei Custom-Modelle (Linden/Brooks und Flanagan/Nike), während bei den Männern acht von 18 Läufern mit Spezialeditionen unterwegs waren.

Foto >Rolows Quelle: „triathlon“ – Simon Müller aus: SZENE in „triathlon“
https://tri-mag.de/szene/diese-schuhe-liefen-sieger-world-marathon-majors-2018-146745 

author: GRR