Die Laufgruppe im Park - Foto: USE gGmbH
Da blüht was auf – Laufen für die Seele – ein besonderer, ganz normaler Lauftreff – Matthias Thiel berichtet
Lauftreff Schöneberg – am U-Bahnhof Schöneberg
Warum gehe ich eigentlich Laufen? Ganz am Anfang – das war 1984 – stand ein ziemlich banaler Grund: Ich hatte aufgehört mit dem Rauchen, das Gewicht nahm zu, das Hemd wurde immer enger und irgendwann hatte ich mich so unwohl gefühlt, dass ich eines Abends die Sportschuhe schnürte und (sehr atemlos) ein paar Runden um den Häuserblock versuchte.
Schnell war Kondition aufgebaut, zehn Kilometer kein Problem … Und heute, mehr als dreißig Jahre später? Mal ein paar stressige Arbeitsphasen, kleiner Spannungskopfschmerz, auf der Suche nach einer Idee für einen meiner Kunden. Dann heißt es: einfach ab in die Laufschuhe und ’ne Dreiviertelstunde traben. Stress weg, Kopfschmerz ade und meistens ist auch ein Funken einer Idee da.
Laufen mit Dietmar Klocke (2.v.lks.) und Dr. Wolfgang Niemczyk (ganz r.) – Foto: USE gGmbH
Diese Erfahrung beschäftigte auch den Berliner Arzt Dr. Wolfgang Niemczyk, selbst eingefleischter Läufer. Als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie betreut er gemeinsam mit anderen engagierten Psychiatern Menschen mit psychischen Erkrankungen. Er gründete den Schöneberger Lauftreff „Laufen für die Seele“, der interessierten Patientinnen und Patienten die Möglichkeit anbietet, sich sportlich „auszutoben“.
Und eines Donnerstags lief ich da einfach einmal mit.
Ausdauersport als Plus
Seit langem beschäftigen sich Mediziner mit den Wirkungen des Sports, speziell im Ausdauerbereich, auf das Befinden des Aktiven und auf die messbaren Körperparameter des Aktiven. Viele unterschiedliche klinische Studien haben gezeigt, dass eine verminderte körperliche Aktivität mit einer Zunahme depressiver Symptomatik verbunden ist. Eine besondere Wirksamkeit von Bewegung und Sport ist mit hoher Beweiskraft nachgewiesen für die Behandlung von Depressionen, Nikotinabhängigkeit und demenziellen Störungen.
Was passiert da?
Durch Sport wird die Konzentration von Nervenbotenstoffen, wie zum Beispiel Serotonin, im Gehirn erhöht. Das kann zu einer stimmungsaufhellenden Wirkung führen. Zusätzlich kommt es durch die Herz-/Kreislaufaktivierung zu einer vermehrten Freisetzung des Hormons mit der Bezeichnung ANP. Dieses im Herzen gebildete Hormon hemmt das Stresshormonsystem und besitzt eine angstlösende Wirkung. Sporttreiben, gerade im leichten Ausdauerbereich, bietet eine gute Möglichkeit, sich von Sorgen und bedrückenden Gedanken abzulenken. Zudem macht körperliche Aktivität in der Gruppe ein Mehr an sozialen Kontakten viel einfacher und unkomplizierter möglich, da ja alle mit der gleichen Idee „Bewegung“ an den Start gehen. Das soziale Miteinander stärkt meist das Wohlbefinden.
Fasst man alle Studien zusammen, bleibt unterm Strich einen moderater Effekt. Die untersuchten Patienten befanden sich alle in ambulanter Behandlung gegen leichte bis mittelschwere Depressionen. Als Ausdauersport muss es dabei nicht immer Laufen sein. Auch Nordic Walking oder Krafttraining bringt Effekte in die gleiche Richtung. Wobei Laufen den großen Vorteil hat, dass man an keine Trainingszeiten, Sporthallen oder Geräte gebunden ist …
Laufen für die Seele
Im Jahr 2005 haben Frau Dr. Mehrhof und Herr Dr. Niemczyk den Lauftreff „Laufen für die Seele“ für Patienten, deren Angehörige und Freunde gegründet. In Kooperation mit der Union sozialer Einrichtungen (USE) sowie dem Verein USE-SOWAS e. V. und dank der lizensierten Übungsleiterin für Rehabilitationssport Simone Prieß ist dieser Lauftreff seit 2014 als Rehabilitationssport anerkannt.
Dr. Niemczyk kann berichten, dass bei einigen der „Mitläufer“ nach einer Zeit des regelmäßigen Laufens die Medikation verringert werden konnte, sie wurden auch geistig leistungsfähiger. Was will man mehr.
Dr. Niemczyk und Dietmar Klocke im Volkspark Schöneberg – Foto: USE gGmbH
Betreut werden die Läuferinnen und Läufer auch vom Berliner Lauf-Urgestein Dietmar Klocke. Die USE unterstützt die so Aktiven beispielsweise mit der Bereitstellung der Startgelder, wenn sie an einem Wettkampf teilnehmen, wie jüngst am „Bridgestone Great 10k“.
Und einer ist immer dabei
Wem bis jetzt noch ein Name in der Berliner Laufszene gefehlt hat, kann sich nun entspannen: In einem bereits 2012 geführten Interview erinnert sich Marathonmacher Horst Milde an die Highlights seines langjährigen sportlichen Wirkens. Ehrenamtliches Engagement, seine Freude an Neuem und seine Fähigkeit, andere Menschen zu überzeugen waren die Basis für den Erfolg der von ihm organisierten Laufveranstaltungen.
So integrierte Horst Milde bereits 1981 Athleten im Rollstuhl in den Berlin-Marathon. Das ist bis heute so geblieben. Horst ist die Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft sowie in den Breiten- und Leistungssport eine Herzensangelegenheit.
So ist er Schirmherr der „20. Berliner Wasserbetriebe 5 x 5 km TEAM-Staffel“ des UNIONHILFSWERK und des USE SOWAS e. V. Dort im Tiergarten gehen Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung, Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien sowie ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter des UNIONHILFSWERK und der USE gGmbH gemeinsam an den Start.
Teilnahme an der Berliner Wasserbetriebe 5 x 5 km TEAM-Staffel im Tiergarten – Foto: USE gGmbH
Seit 2012 ist Milde außerdem Schirmherr und Unterstützer des Lauftreffs Schöneberg „Laufen für die Seele“, der zum breiten Angebot der begleitenden Maßnahmen für Beschäftigte der USE gGmbH gehört.
Und der Lauftreff-Lauf?
Ich bin ganz schön in Fahrt gekommen. Klar, es waren auch welche langsamer auf dem Weg durch den Volkspark Wilmersdorf. Angelika und Petra walken die Strecke immer gemeinsam. Sophie und Andy dagegen trainieren mehrmals die Woche regelmäßig, und das ziemlich schnell. „Wir wollen ja nicht letzte werden beim nächsten 10-Kilometer-Wettkampf!“
Soviel Ehrgeiz und Optimismus – besser kann das Gelingen eines Anspruchs wohl nicht illustriert werden.
https://www.laufkalender-bb.de
Ich bedanke mich für die fachliche Unterstützung bei Prof. Dr. med. Andreas Ströhle, Dr. med. Wolfgang Niemczyk und Dietmar Klocke.