Frauenspitze beim Darmstadt-Cross mit v.l. Anna Gehring, Elena Burhard und Fabienne Amrhein - Foto: Tomas Ortiz-Fernandez
Cross-Europameisterschaften in Tilburg/Niederlande: Der Star ist das Team – Wilfried Raatz* berichtet
DLV-Aufgebot umfasst mit 30 Athleten sechs komplette Teams, aber die Medaillengaranten wie Alina Reh und Konstanze Klosterhalfen fehlen – Wer springt in diesem Jahr in die Bresche? Samuel Fitwi Sibhatu möchte im U23-Wettbewerb eine Medaille
Mit 616 Meldungen aus 38 Nationen sind die 25. SPAR European Cross Country Championships am kommenden Sonntag (10. Dezember 2018) die bislang größten in der Geschichte dieser kontinentalen Titelkämpfe, allerdings letztlich nicht zuletzt durch die Ausweitung auf sechs Konkurrenzen und einem Staffel-Wettbewerb.
Die niederländische Stadt Tilburg ist nicht zuletzt dank des stets hochkarätig besetzten Warandeloop eine erste Adresse in Sachen Querfeldeinlauf, mit dem Wechsel in den Safaripark Beeken Bergen am südlichen Stadtrand hat man vor zwei Jahren auch die Rahmenbedingungen für das Topereignis zum Saisonausklang 2018 merklich verändert.
„Es ist der wichtigste Termin für die meisten europäischen Läufer“, verdeutlicht EA-Präsident Svein Arne Hansen die Bedeutung dieses Ereignisses, bei dem der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) mit 30 Athleten und sechs kompletten Teams die zahlenmäßig größte Mannschaft (nach Großbritannien) ins Rennen schickt. Mit den im Vorjahr im slowakischen Samorin die U23-Juniorenklasse dominierenden Alina Reh und Konstanze Klosterhalfen fehlen zwei Medaillengaranten, deshalb ruhen die Hoffnungen beim DLV eher auf geschlossene Mannschaftsleistungen – und damit Medaillen. In Tilburg gab es übrigens bereits 2005 schon einmal Europameisterschaften – mit einer Silbermedaille für Sabrina Mockenhaupt im Frauenrennen hinter Lornah Kiplagat, die seinerzeit für die Niederlande Gold gewann.
Schon im zweiten Wettbewerb der Jubiläumsveranstaltung betritt das vermeintliche Ass im Wettbewerb der U20-Junioren über 6.300 m die Bühne: Jakob Ingebrigtsen. Der erst 18jährige Norweger brachte bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin 2018 das Kunststück zustande, mit 1500 m und 5000 m die beiden klassischen Mittelstrecken zu gewinnen – und strebt nun in Tilburg den dritten Crosstitel in Folge an.
Bereits in Chia und Samorin war das norwegische Ausnahmetalent der laufbegeisterten Ingebrigtsen-Familie in der U20-Kategorie erfolgreich. Dem spurtstarken Jakob könnten noch am ehesten der britische U20-Europameister Jake Heyward oder der Serbe Elzan Bibic als U18-Europameister über 3000 m gefährlich werden. Wenn allerdings alles nach Plan läuft, dann könnte Jakob Ingebrigtsen bei den 2019 in Lissabon seinen vierten U20-Crosstitel in Angriff nehmen, der Eintrag in die Geschichtsbücher ist ihm ohnehin schon gewiss.
Die deutschen U20-Junioren wussten beim Darmstadt-Cross mit einem beherzten Auftritt zu überzeugen, mit dem 10 km-Rekordmann Mohamed Mohumed, Nick Jäger, Elias Schreml, Dominik Müller, Jannik Weiß und Tade Kohn steht allerdings eine nahezu komplett neue Mannschaft mit durchaus Hoffnungen auf ein starkes Abschneiden an der Startlinie.
Gleiches gilt natürlich auch für die U20-Juniorinnen zum Auftakt der Titelkämpfe über 4.300 m. Gerade in diesem Wettbewerb war der DLV stets für eine Mannschaftsmedaille gut. Angeführt wird das junge, eher unerfahrene Team von Lisa Oed, der Hindernis-Europameisterin und WM-Achten und Vize-Weltmeisterin in Berglauf. Die 19jährige des SSC Hanau-Rodenbach ist durchaus in der Lage, auch im Überkreuzvergleich der besten Europäerinnen über alle Strecken hinweg um eine Medaille zu kämpfen. Mit der Schweizerin Delia Sclabas, die im Sommer sowohl über 800 m als auch über 1500 m Bronze bei den U20-Weltmeisterschaften gewonnen hatte, steht eine tempostarke Goldanwärterin parat, die zudem die Generalprobe Ende November in Tilburg für sich entscheiden konnte. Tempostark ist aber auch die Irin Sarah Healy, die zweifache U18-Europameisterin über 1500 m und 3000 m. Die Hoffnungen der Gastgeber ruhen natürlich auf Jasmijn Lau, der Vorjahresvierten von Samorin.
Im U23-Wettbewerb der Juniorinnen fehlt das in Samorin so dominierende Duo Alina Reh und Konstanze Klosterhalfen wegen eines veränderten Saisonaufbaus. Auch wenn die Dänin Anna Emilie Moller, Vize-Europameisterin 2016 und Siebte 2017, ihren Fokus ganz auf die Cross-Weltmeisterschaften im März 2019 in Aarhus gerichtet hat, strebt sie in Tilburg das zweite dänische Gold in der Cross-Historie an.
Auf Medaillenkurs sollte sich das DLV-Team über 6.300 m laufen, schließlich sind mit der vorjährigen U20-Dritten Miriam Dattke und der U23-Zweiten 2017 Anna Gehring zwei Läuferinnen in starker Verfassung am Start, mit Julia Klein, Lea Meyer, Svenja Pingpank und Lisa Tertsch geht es sicherlich darum, die hohe Messlatte aus 2017, als Großbritannien vor Deutschland und der Türkei gewann, zu erreichen.
Bei den U23-Junioren spricht vieles für die Franzosen Jimmy Gressier und Hugo Hay, die in Samorin einen Doppelsieg erringen konnten. Die deutschen Hoffnungen ruhen vorrangig auf Samuel Fitwi, der nach seinen Siegen in Mol (Belgien) und beim Darmstadt-Cross ein Medaillenkandidat ist. Warum sollte dem gebürtigen Eritreer nicht auch das gelingen, was in Hyères vor drei Jahren einem Amanal Petros gelang – nämlich zu Bronze zu laufen? Das deutsche Team besteht zudem aus Aaron Bienenfeld, Lukas Eisele, Marcus Görger, Yannik Reihs und Jannik Seelhöfer.
Im türkischen Dress könnten Yasemin Can und Kaan Kigen Özbilen auch 2018 über Gold jubeln, wenngleich das Abschneiden bei den Europameisterschaften in Berlin über 5000 m und 10.000 m keineswegs überzeugend war. Titelverteidiger Özbilen trifft auf der 10.300 m langen Distanz auf seine früheren kenianischen und jetzigen Landsleute Aras Kaya und Polat Kemboi Arikan, auf den Vorjahreszweiten Adel Mechaal, den früheren U23-Europameister Isaac Kimeli, die starken Italiener Yemaneberhan und Nekagenet Crippa, den Schweden Napoleon Solomon – und auch auf die Brüder Filip und Henrik Ingebrigtsen.
Das deutsche Team wird von einer „Meistermannschaft“ mit Florian Orth (5000 m), Simon Boch (10.000 m), Jannik Arbogast (10 km) und Martin Grau (3000 m Hindernis) dominiert, zudem sind Philipp Reinhardt und Konstantin Wedel nominiert.
Wie stark ist Elena Burhard am Ende eines großartigen Jahres 2018, das vor Jahresfrist praktisch mit Rang fünf bei der Cross-EM begann? Die Nordschwarzwälderin katapultierte sich schon nach wenigen Anläufen als EM-Sechste über 3000 m Hindernis in die europäische Elite, ein i-Tüpfelchen könnte nun sogar noch in Tilburg folgen!
Sie trifft allerdings auf ein erlesenes Feld mit der 10.000 m-EM-Zweiten Susan Krumins und ihren Hindernis-Kolleginnen Karoline Bjerkeli Grovdal und Fabienne Schlumpf. Spannend wird es sicherlich, denn in Berlin zeigte sich die zweifache Cross-Europameisterin Yasemin Can als Dritte (5000 m) bzw. Fünfte (10.000 m) bezwingbar.
Gut könnte es aber auch für die DLV-Frauen laufen, für die neben Elena Burkard noch Fabienne Amrhein, Caterina Granz, Hanna Klein, Debbie Schöneborn und Vera Coutellier benannt sind.
Wilfried Raatz*
*Der Autor darf wie auch European Athletics mit der 25. Austragung der SPAR European Cross Country Championships in Tilburg ein Jubiläum feiern, denn der Darmstädter ist seit der Premiere in Alnwick (Großbritannien) 1994 als Journalist für diverse Magazine und Online-Portale live dabei.