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2018

Die Frauenspitze beim Darmstadt-Cross mit v.l. Caterina Granz, Elena Burkard und der Äthiopierin Sintayehu Kibebo. Foto: LaufReport.de

„Bock auf Tilburg“ – Spannende Rennen beim Darmstadt-Cross 2018: Elena Burkard gewinnt gegen tempostarke Anna Gehring mit langem Spurt – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Samuel Fitwi Sibhatu vor Florian Orth und Simon Boch – Lisa Oed und Nick Jäger dominieren U20-Konkurrenz

Es war der erwartete Showdowm der deutschen Läuferszene in der Darmstäter Heimstättensiedlung! Auf dem flachen Brachgelände beim Fußball-Landesligisten Rot-Weiß Darmstadt, der freilich gespickt war mit einigen leichten Hindernissen, zwei „Kamelhügeln“ und zahlreichen Kehren, die letztlich zum stetigen Rhythmuswechsel zwangen, präsentierten sich die EM-Kandidaten für die Cross-Europameisterschaften angriffslustig und in guter Verfassung.

Trials sind sicherlich das eine, international hochkarätige Felder ein anderes, Fakt jedenfalls ist, dass die Cross orientierten deutschen Läufer den Darmstadt-Cross nutzten, um sich mit Nachdruck für einen EM-Einsatz zu empfehlen. Der 10.000 m-Exmeister Simon Boch brachte es nach einem starken Auftritt als Dritter hinter Samuel Fitwi Sibhatu und seinem Regensburger Teamkollegen auf seine Weise auf den Punkt: „Ich habe vorher nicht gewusst, so ich stehe, jetzt weiß ich es – und ich habe richtig Bock auf die EM in Tilburg!“

Das mit Spannung erwartete Duell zwischen der Crossmeisterin Elena Burkard und der 10.000 m-Meisterin Anna Gehring endete nach 6 600 m zwar mit knappen Vorteilen für die 26jährige EM-Sechste im 3000 m-Hindernislauf, doch am Ende dürften sich beide als Siegerinnen fühlen: Elena Burkard gewann nach 22:06 Minuten die Frauen-Wertung, nur fünf Sekunden dahinter folgte Anna Gehring als Erste der U23-Wertung.

Bis die Situation jedoch eindeutig war, präsentierten sich andere wie Fabienne Amrhein, Hanna Klein oder Miriam Dattke mit viel Mut und Risikobereitschaft. „Natürlich bin ich überglücklich. Die letzten drei, vier Tage habe ich mich nicht so fit gefühlt, aber mit dem nötigen Adrenalin hat es letztlich doch geklappt. Für Tilburg hoffe ich auf Matsch, damit ich meine Cross-Stärke ausspielen kann“, so die Vorjahresfünfte von Samorin vor vielleicht dem Höhepunkt der bislang schon so erfolgreich verlaufenen Sausin 2018.

Die auffälligste Läuferin an der Spitze war allerdings Anna Gehring. Ich habe schon gerne die Spitze genommen, weil ich da meinen Schritt laufen konnte. Ich bin natürlich super zufrieden, denn die Qualifikation war das allererste Ziel. In Tilburg möchte ich unter die Top 10 kommen, eine Einzelmedaille wie vor zwei Jahren ist eher außer Reichweite, wir haben aber eine starke Mannschaft…!“

Eitel Sonnenschein auch beim Geburtagskind Fabienne Amrhein: „Die EM kann kommen“, freute sie sich und verriet, dass sie persönlich ihren zwanzigsten Rang des Vorjahres gerne toppen. „Natürlich steht für uns das Mannschaftsresultat im Fokus.  Mit einer starken Leistung können wir eine Medaille holen“, gibt die Marathonmeisterin die Marschroute vor. Dichtauf folgten dann schon die stark aufkommende 5000 m-Meisterin Hanna Klein vor Miriam Dattke , die einmal mehr in Darmstadt eine feine Leistung abrufen konnte.

Bei einer Nominierung einer Frauenmannschaft wird auch Debbie Schöneborn Berücksichtigung finden wie auch eine Caterina Granz für das U23-Team, obwohl die Darmstadt-Cross-Siegerin 2016 diesmal nicht in die Entscheidung an der Spitze eingreifen konnte, denn ihre Saisonplanung sieht eher eine Hallensaison vor.

Über die Hälfte des abschließenden Männerrennens über 9 100 m dominierte Philipp Pflieger, ehe sich der Marathonmann bei einem leichten Bergabstück die Leiste leicht verletzte und aus Vorsichtsmaßnahmen das Rennen vorzeitig beendete. „Ich möchte natürlich nichts riskieren!“ gestand der Regensburger später, „vor allem bergab hatte ich schon meine Probleme!“

Ein geschlossenes Männerfeld führt Crossmeister Philipp Pflieger (4) an, in Lauerstellung läuft links im gelben Trikot der spätere Sieger Samuel Fitwi Sibhatu  – Foto:  LaufReport.de

Anerkennung jedoch von allen Seiten über Philipps Tempodiktat, das das große Starterfeld der Männer und U23-Junioren bereits früh stark auseinandergezogen hatte. Eine (erfreulich) große Gruppe folgte jedoch lange Zeit, die allerdings mit zunehmender Streckenlänge und dem vorzeitigen Ausstieg des „Pacemakers“ mit der weiteren Tempoverschärfung von Samuel Fitwi Sibhatu regelrecht auseinanderflog.

Damit war der Weg war frei für den U23-Crossmeister von Ohrdruf. Der aus Eritrea stammende Läufer zeigte seine Freude über den Coup recht verhalten, schließlich weiß er nur zu gut, dass er bislang „noch nichts“ erreicht hat. Und dieses Ergebnis soll bereits in zwei Wochen bei den Europameisterschaften folgen: „Ich möchte möglichst eine Medaille!“

Seit Januar ist der 22jährige deutscher Staatsbürger und könnte damit eine ähnliche Rolle spielen wie drei Jahre zuvor Amanal Petros. „Ich bin über diesen Sieg sehr glücklich. Mein Konzept ist mit einer defensiven Renntaktik aufgegangen. Als Philipp aussteigen musste, habe ich Gas gegeben!“ Mit dieser weiteren Tempoverschärfung ließ dem engagiert mitlaufenden Florian Orth keine Chance und gewann nach 26:57 mit 13 Sekunden Vorsprung.

Doch auch Florian Orth zeigte sich sehr zufrieden: „Damit habe ich mich auf direktem Weg für die EM qualifiziert. Ich freue mich natürlich, dass wir uns in Deutschland qualifizieren konnten. Dafür haben wir ja auch lange genug gekämpft!“ Und in Richtung Europameisterschaften? „Da werden die Karten neu gemischt. Ich hoffe, dass wir eine gute Mannschaft zusammenkriegen und uns gut platzieren können!“

Teamkollege Simon Boch lief auf Rang drei vor dem stark auftrumpfenden 20jährigen Marcus Görger, der sich nach einem Seuchenjahr in erstaunlicher Verfassung präsentierte. Der Neu-Regenburger Konstantin Wedel und der 10 km-Meister Jannik Arbogast komplettierten das Podium beim Darmstadt-Cross, der nicht nur nach Auffassung des Veranstalters die beste Besetzung in der 34jährigen Geschichte des besten deutschen Querfeldeinlaufes erfuhr.

Freude machte aber auch das engagierte Auftreten des Nachwuchses. Allein voran Lisa Oed und Nick Jäger, die nach Pforzheim auch gegen stärkere Konkurrenz ihre Ambitionen in Sachen Cross verdeutlichten. „Es hat Spaß gemacht, allerdings ist es schwierig, das Tempo hochzuhalten, wenn man nicht unbedingt gejagt wird. Ich komme ja aus der Nähe von Darmstadt, deshalb komme ich natürlich gerne hierher“, so Lisa Oed nach ihrem überzeugenden Auftritt über 4.200 m.

 

Die 2fache U20-Europameisterin Lisa Oed (200) führt schon rasch nach dem Start das Feld der U20-Konkurrenz an. Foto:  LaufReport.de

Einen deutlich längeren Anreiseweg hat Nick Jäger aus dem bayerischen Penzberg, aber nicht minder erfolgreich auf dem Darmstädter Parcours. „Für mich war dies ein Superrennen. Tilburg wird für mich zwar kein richtiges Ziel sein, deshalb werde ich schauen, was da herauskommt!“ Anders hingegen Lisa, die nach ihren EM-Gold-Erfolgen über 3000 m-Hindernis und im Berglauf natürlich zum Favoritenkreis zu zählen ist. „ Tilburg ist für mich schwer einzuschätzen, ich werden aber alles geben, um eine Top-Platzierung zu erreichen!“

Die für die LG Region Karlsruhe startende Schweizerin Sybille Häring und die Duisburger U18-Siegerin Anneke Vortmeier belegten die nächsten Ränge in der weiblichen Abteilung. Ungleich schwerer hatte es Nick hingegen bei den Jungen über 6.600 m.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich so stark laufen kann. Für mich wird Tilburg natürlich ein besonderes Erlebnis werden, denn es ist eine Ehre für mich, für Deutschland zu starten“, so der für die mittelhessische LG Langgöns-Oberkleen antretende Dominik Müller.   

Wilfried Raatz

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