- Photo. Horst Milde
BLUTHOCHDRUCK – ARTERIELLE HYPERTONIE – Die schleichende Gefahr – Dr. med. Willi Heepe
Blutdruck Verständnis:
Ehe wir über das Krankheitsbild Bluthochdruck diskutieren, müssen wir ein paar Grundlagen verstehen. Der Begriff Blutdruck ist eigentlich falsch; richtig müsste es heißen: Druck im arteriellen System des menschlichen Kreislaufs.
Insofern ist die medizinische Sprachregelung Arterielle Hypertonie richtiger. Worüber reden wir.?
Unser Herz als Motor des Lebens pumpt mit jedem Herzschlag eine definierte Menge Blut in die Aorta (40-70 ml). Die Aorta ist ein passives, hoch elastisches System, welches sich mit jedem Herzschlag dehnt und in der Erholungsphase des Herzens mit ihrer kräftigen Muskulatur das Blut im gesamten Körper zum fließen bringt., wobei diese Druckwellen bis in die Peripherie fühl- und messbar sind.
Dieses passive Organ ist für die Versorgung des gesamten Körpers ungeheuer wichtig und bedarf daher zum Erhalt seiner Elastizität einer lebenslangen Pflege. Allein aus dieser Wichtigkeit leitet sich die
Bedeutung der Messung der Druckschwankungen in diesem System ab. Wir können nicht mit einem Manometer in Arterien Druck direkt messen; sondern wir bedienen uns einer indirekten Messmethode.
Vor langer Zeit entwickelt von den italienischen Medizinern Riva-Rocci. Wir umschließen den Oberarmen, oder auch an Handgelenk, mit einer aufblasbaren Gummimanschette und Pumpen mit Hand oder auch elektrisch eine Luftmenge in die Manschette bis der arterielle Fluss des Blutes zum Erliegen kommt. Dann lassen wir langsam den Luftdruck ab und in dem Moment wo der Druck in der Arterie höher ist als der in unserer Manschette hören wir ein schabendes Geräusch.
Damit wird der obere Blutdruck, oder auch Systolischer Blutdruck markiert. Lassen wir den Luftdruck weiter ab verschwindet dieses schabende Geräusch. Der Blutfluss in der Arterie läuft nunmehr ungestört. Damit markieren wir den unteren Blutdruck oder Diastolischen Blutdruck.
Halbautomatische und vollautomatische Selbst-Messgeräte vereinfachen heute die Blutdruckdokumen-ation und sind damit für jedermann, nach kurzer Anleitung, jederzeit selbst vorzunehmen. Aus meiner
Erfahrung gehört heute in jede Familie mindestens ein Blutdruckmessgerät um Veränderungen wahrzunehmen und gegebenenfalls krankhafte Entwicklung früh zu erkennen.
Standard sind die sogenannten Oberarmgeräte mit einer definierten Manschetten, welche fest um den Oberarm angelegt wird. Bei Vollautomaten ist auf eine sorgfältige Positionierung des Mikrofons zu achten.
Bei eigenen Abhören über ein Stetoskop sollte der genaue Verlauf der Armarterie zuvor ertastet werden. Die so genannten Handgelenksgeräte, lange gerügt wegen ihrer angeblichen Ungenauigkeit, sind heute ebenfalls sehr solide und gut geeignet zum täglichen Blutdruck messen unter der Bedingung, dass die
Hand mit dem angelegten Gerät in Herzhöhe gehalten wird. Wichtig ist weiterhin das grundsätzlich eine Doppelmessung erfolgen sollte weil wir alle bei jeder Erstmessung eine Art Beobachtungsangst haben die sich bei Doppelmessung legt und ein solideres Bild abgibt.
Viele Ärzte beharren heute noch auf einer Praxismessung. Ich zeige allen Patienten wie man richtig Blutdruck misst und bevorzuge absolut die Eigenmessung durch den Patienten. Sie gibt mir ein viel
genaueres Bild; denn viele Patienten sind beim Arzt aufgeregt und dokumentieren falsch positive Werte.
Wann sollte man Blutdruckmessen?
Dazu muss man wissen das wir täglich zirkadiane Schwankungen oder besser Tagesschwankungen durchleben. Morgens zu gewohnter Uhrzeit schickt der Körper die ersten Stresshormone in die Blutbahn um uns auf das Arbeitsleben vorzubereiten. Insofern ist im Gegensatz zur Annahme der morgendliche
Blutdruck nach dem aufstehen eigentlich immer am höchsten. Im Laufe des Tages nimmt er ab um gegen späten Nachmittag mit einem erneuten Hormonschub noch einmal einen Höhenflug vorzunehmen.
Kennt man seine eigenen Blutdruckschwankungen kann man sich für intermittierendes und selteneres Messen entscheiden. Für jeden Hochdruckler ist eine eigene Protokollierung extrem wichtig. Was ist ein normaler Blutdruck ? Pauschal könnte man sagen systolisch 100-130, diastolisch 60-80. Jedoch muss man viele Faktoren bei der Festlegung von Normalwerten berücksichtigen. Zum Beispiel bei Erkrankungen. Dabei ist die Dauer der bestehenden Krankheit und ihre Schwere zu berücksichtigen.
Eine große Zahl von Krankheiten beeinflussen den Blutdruck, z.B Diabetes mellitus, körperliche Inaktivität, Nierenerkrankungen, Herzerkrankungen,Schilddrüsenerkrankungen, sowie alle bekannten Risikofaktoren und chronischer Erkrankungen.
Wer erkrankt an Bluthochdruck:
Zunächst unterscheiden wir zwischen einem primären und einem sekundären Bluthochdruck. Primär gibt es eine familiärere Veranlagung die sich in einigen Fällen in der Jugend in den meisten Fällen jedoch erst ab einem Alter von 40-50 Jahren ausprägt. Im höheren Alter kann man damit rechnen das annähernd jeder Vierte zu einer Hochdruckregulation neigt.
Die sekundären Bluthochdruckranken resultieren aus einer Vielzahl von hochdruckauslösenden Erkrankungen. Ohne hier ins Detail zu gehen können Schilddrüsenerkrankungen, Nierenerkrankungen, hormonelle Störungen bestimmte Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, Tabakrauchen und
erhebliches Übergewicht, letzteres häufig gekoppelt mit Stoffwechselkrankheiten, die Schließlich und endlich auch ausgeprägter Bewegungsmangel zu Bluthochdruck führen können.
Gerade die letzten Risikofaktoren zeigen einen deutlichen Aufwärtstrend in Deutschland und damit
auch eine massive Zunahme an Hochdruckerkrankungen.
Was macht diese Krankheit so gefährlich:
Fatal ist, das die Krankheit Bluthochdruck selten Symptome auslöst, sondern annähernd immer stumm verläuft. Im Gegenteil: viele Patienten fühlen sich unter dem Bluthochdruck außerordentlich wohl und leistungsfähig. Selten markieren Kopfschmerzen, Schwindelattacken sowie Schweißausbrüche diese
Krankheit. Die Diagnose wird daher häufig erst nach einem aufgetretenen Ereignis gestellt und damit wird häufig sehr spät eine lebenssichernde Behandlung eingeleitet.
Vielen Patienten sind die fatalen Folgen eines nicht behandelten Blutdrucks nicht bewusst und häufig eine beginnende Behandlung die mit einer temporären Einbuße an Lebensqualität einhergeht . Die Therapietreue, wir sprechen von Compliance, ist auch miserabel. So klagt die Hochdruckliga seit Jahren über eine miserable Bilanz der landesweiten Hochdrucktherapie.
Was jeder Hochdruckerkranke wissen sollte ist ,das ein nicht behandelte Hochdruckkrankheit zu folgenden Krankheiten führen kann: koronare Herzkrankheit mit Ziel Herzinfarkt, chronischen Nierenkrankheit bis zur schwere Nierenschädigung, Durchblutungsstörungen des Gehirns mit Folge
eines Schlaganfalls, Verschlechterung eines Diabetes mellitus, und schlimmstenfalls, und das ist lange ignoriert worden, zu einer Demenz.
Nach jüngsten Studienanalysen sind viele Alters- Demenzerkrankungen auf eine nicht behandelte Hochdruckerkrankung zurückzuführen. Die besondere Schwierigkeit einer Therapie liegt in der Auswahl, der für das Individuum passenden Medikation. Besonders für uns im Sportbereich sind sehr viele Medikamente nicht verträglich und mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Ich komme
noch einmal darauf zurück.
Diagnostik:
Jeder am Bluthochdruck Erkrankte bedarf einer sorgfältigen, internistischen Diagnostik: Dazu gehören selbstverständlich eine körperliche Untersuchung, ein gezielter Laborstatus, eine sorgfältige Herzkreislaufuntersuchung und gegebenenfalls ein Hormonstatus mit einer Schilddrüsendiagnostik.
Jeder Erkrankte ist ein Einzelfall, und bedarf einer ganzen sorgfältigen, individuellen Diagnostik. Dazu gehört auch die soziale Situation, z.B. familiär, beruflich etc.
Letztlich spielen Stressbelastungen bei dieser Krankheit eine ganz erhebliche Rolle und bedürfen ebenfalls einer sorgfältigen Analyse. Für uns Sportler ist diese Diagnostik ganz besonders wichtig, denn einerseits ist gezielter Sport das allerwichtigste Medikament, andererseits kann eine falsche Medikation und ein “falscher Sport” erheblichen Schaden anrichten.
Eins der wichtigsten diagnostischen Schritte bei uns Sportlern,ist eine sorgfältig durchgeführte
Ergometrie mit definierter, leistungsangepasster, ansteigender Belastung. Hierunter müssen die Parameter Blutdruckanstieg, Herzfrequenzanstieg und Leistungsanstieg absolut parallel verlaufen. Nur wenn dieses Therapieziel erreicht ist fühlt sich der Sporttreibende wohl und ist auch bereit eine
notwendige Medikation einzunehmen. Wichtig zu wissen ist, das bei nicht behandeltem Blutdruck oder falscher Medikation ein zu hoher Belastungsdruck in der Belastung das Blut aus den inneren Schichten der linken Herzkammer zurückdrängt und damit eine so genannte Innenschichtischämie oder auch eine
Schädigung der inneren Herzmuskulatur auslöst. Gerade aus diesem Grunde ist für uns sporttreibende eine sorgfältige Diagnostik, eine sorgfältige Medikamentenauswahl und eine exzellente Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt zwingend geboten.
Therapie:
Allgemeine Therapieempfehlungen die ohne Medikamente gestaltet werden können finden Sie in der Abbildung vier. Da diese Risikofaktoren bei uns sporttreibenden relativ selten sind, sind wir wohl oder übel auf eine medikamentöse Therapie angewiesen. Da die Blutdruckkrankheit im Körper mehrere Regelkreise negativ beeinflusst ist eine Therapie häufig mit nur einer einzigen Substanz nicht möglich.
Der Hochdruck führt erstens zu einer Erhöhung des Regelkreise zwischen Hirn und Niere einfach gesprochen, der Hochdruck führt zu einer Störung des Mineralhaushaltes mit einer extrazellulären Überlagerung von Kochsalz. Der Hochdruckkranke reagiert auf Stressreize mit einer deutlicheren Blutgefäßengstellung und damit auch häufiger mit Blutdruckspitzen unter belastenden Situationen.
Viele verschiedenen medikamentösen Ansätze (Tab. 5 )stehen zur Verfügung. Betarezeptorenblocker ,entwässerte Substanzen ( Diuretika) , Angiotensin Rezeptoren Blockade, Kalziumsantagonisten, ACE Hemmer, zentral wirkende Blutdrucksenker und noch eine Reihe weiterer medikamentöser Strategien.
Warum scheiden viele Medikamente bei uns Sportlern aus?
Durch unsere sportliche Tätigkeit insbesondere durch Dauerleistungstraining senken wir deutlich die Herzfrequenz und schwitzen auch überschüssiges Salz aus, so dass die Medikamente Betablocker und Diuretika eigentlich bei uns nicht zur Anwendung kommen sollten. Im Dauerleistungssport stehen eindeutig die AT-1-Antagonisten auch Sartane genannt auf Platz eins. Sie sehen annähernd
nebenwirkungsfrei und stören unsere sportliche Tätigkeit so gut wie nie.
Sie sind gut dosierbar und können in Eigenverantwortung hervorragend gesteuert werden. Die noch immer häufig verwandten ACE-Hemmer führen bei über der Hälfte der Patienten zu Hustenreiz und Lungenveränderungen und scheiden damit ebenfalls aus. Erreicht man damit das Therapieziel nicht , muss in Abstimmung mit einem erfahrenen Arzt eine zweite begleitende Medikation ausgesucht werden.
Anders sieht es bei Kraftsportlern bzw. Kurzleistern aus.
Bei Ihnen sind häufig die zusätzliche Anwendung von Betablockern, Diuretika und auch Kalziumsantagonisten nicht vermeidbar: Bluthochdruck ausschließlich mit Sport zu behandeln gelingt bei ausgeprägter Krankheit nicht.
Das Ziel ist immer, und das ist sehr wichtig, bei entdecken der Krankheit und abgeschlossener Diagnostik zunächst eine medikamentöse optimale Einsttellung anzustreben und dann Dauerleistungstraining an der und um die anaeroben Schwelle zu beginnen.
Probleme:
Leider haben wir in der deutschen Medizinin Ausbildung noch keine Pflichtvorlesung für sportmedizinisches Grundlagenwissen. Daher ist das Verständnis vieler Ärzte für das Problem Sportler mit Hochdruck nicht vorhanden und die therapeutischen Empfehlungen sind damit haarsträubend.
Jeder Betroffene muss sich daher einen Arzt/Ärztin des Vertrauens möglichst mit Sport -Erfahrung suchen.
Dr. Willi Heepe – Marathonläufer und Arzt – Foto: privat
Noch ein Nachsatz im Bio-Zeitalter: Viele Betroffene lehnen „Chemie-Produkte”!! ab und möchten mit ausschließlich pflanzlichen Medikamenten behandelt werden. In der Tat gibt es Substanzen die den
Blutdruck senken. Leider schützen sie nicht im geringsten und ganz wichtig senken in keinem Falle den besonders gefährlichen Belastungshochdruck.
Ohne Nebenwirkungen sind sie auch nicht den eines der wichtigsten pflanzlichen Blutdruck senker steht unter dem Verdacht Krebs erregend zu sein.
Für die von mir vorgenannten gibt es solide weltweite Evidenzen. In jahrelanger Erfahrung mit sehr vielen betroffenen Sportlern kann ich sagen in guter Zusammenarbeit gelingt immer eine Lösung ohne Beeinträchtigung des Sports und ohne Einschränkung der Lebensqualität.
Fazit:
Bluthochdruck oder Arterielle Hypertonie ist die häufigste Volkskrankheit in Deutschland. Sie ist die gefährlichste und heimtückischeste und am wenigsten wahrgenommene Krankheit. Trotz seines hohen Wissensstandes ist es der Medizin in den letzten Jahren nicht gelungen bessere Behandlungsergebnisse
zu dokumentieren.
Im Gegenteil die Anzahl der Kranken steigt parallel mit dem Anstieg des Durchschnittsgewichtes. Ein Blick auf die heranwachsende Handy Generation lässt mich nicht optimistisch in die Zukunft schauen.
Eine Hoffnung habe ich. Wir im Sport lebenden haben ein anderes Gesundheitsbewusstsein nehmen auch diesen Gegner, der auch vor Sportlern keinen Halt kennt nur seltener auftritt, sehr ernst und besiegen ihn.
Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT & CONDITION 9/2018
Dr. med. Willi Heepe, langjähriger Leiter des Medizinischen Dienstes des BERLIN-MARATHON ist bis heute in der Leistungsdiagnostik und präventiven medizinischen Beratung tätig und führt dazu eine eigene Praxis im Berliner Martin-Luther-Krankenhaus (Caspar-Theyßstraße 27) https://www.praxis-willi-heepe.de/index.htm