Renndirektor Rodrigo mit der Reiseorganisatorin Christel Schemel beim Besuch der Reisegruppe in Santiago - Foto: Klaus Weidt
Bis ans Ende der Welt … reiste eine Läufergruppe und lernte südamerikanische Lauffreuden und Sorgen kennen – Klaus Weidt begleitete sie
Rodrigo ist ein chilenischer Renndirektor, der vor Ideen sprüht. Nicht nur in Santiago ist er eine Legende.
Auf mehr als 100 Laufveranstaltungen hat er es in seiner „Laufbahn“ gebracht. Das Flaggschiff der chilenischen Renner, den Santiago-de-Chile-Marathon, hob er einst aus der Taufe und präsentierte ihn 16-mal, ehe er sich mit dem damaligen Hauptsponsor überwarf.
Ein Chilene und seine Läufe
Zu den spektakulärsten Rennen, die Rodrigo Salas Moncada, mit seiner Agentur „Olimpico Producciones“ in Leben rief, gehört gewiss der Marathon auf den Osterinseln, 3600 km von der Küste entfernt. „Das ist einer der exotischsten Marathons der Welt“, schwärmt der tiefgebräunte Mann mit seinen hellwachen Augen. Nur 300 dürfen dort starten.
Unter seinen Laufknüllern, die er bisher organisierte, befindet sich auch der Artic-Marathon, der alle zwei Jahre am südlichsten Zipfel Chiles ausgerichtet wird – über 12 Tage im März.
Für 28 Veranstaltungen ist das Team des 62jährigen im Jahr verantwortlich. Darunter gibt es auch einen Wein-Marathon alá Medoc und sogar einen Bier-Marathon, wo im Ziel die Würstchen gegrillt werden. Sein Lieblings-Event aber ist der an der zauberhaften chilenischen Küste – der Maráton Costa Pacifico, immer am Meer entlang, „ein Boutique-Marathon“, wie er ihn nennt.
Vor dem Start in Ushuaia – Foto: Klaus Weidt
Den wollte die deutsche Reisegruppe, die sich auf Laufspuren durch Südamerika begab, kennen lernen und hatte sich für ihn angemeldet. Leider umsonst. Tiefbetrübt kam Rodrigo zu den Läufern ins Hotel und musste das „Aus“ für den im Dezember 2019 mitteilen.
Die wochenlangen Demonstrationen in Santiago de Chile hatten auch auf die Küste übergegriffen. Unter denen, die friedlich für ihre sozialen Forderungen auf die Straßen gingen, sammelten sich leider auch Randalierer mit ungeahntem Zerstörungsdrang. Da blieb es nicht bei Verwüstungen in den U-Bahschachten der Hauptstadt, die Zerstörungswut uferte bis ans pazifische Ufer aus. So fackelten Chaoten die bereits aufgebaute Finish Line des Marathons ab mit all der Elektronik. Rodrigo zeigte unglaubliche Bilder auf seinem Smartphone.
Da verabschiedete sich die Gruppe, wünschte dem Renndirektor einen ungestörten 20. Pazifik-Marathon im Dezember 2020 und bedankte sich für eine abermalige Einladung und die Finisher-T-Shirts von 2019. Diese konnten 31 Frauen und Männer aus deutschen Landen dann doch noch tragen.
Bei einem blitzschnell selbst organisierten 10-km-Run an der Küste von Vina del Mar, zu denen sich Läuferinnen und Läufer vom dortigen „Fullmarathon“-Club gesellten. Ein deutsch-chilenischer Freundschaftslauf also!
Freundschaftslauf in Vina del Mar – Foto: Klaus Weidt
Durch die Anden nach Argentinien
Von Chile nach Argentinien. Quer durch die Anden – ein Abenteuer: Gletscher, Vulkane, Seen, Urwälder. In den kleinen und größeren Orten immer wieder Jogger am Wegesrand. „Meist sind es Trails, die hier veranstaltet werden“, erläuterte einer, der es wissen muss.
Der Deutsche Dirk Gerhards ist im argentinischen Carlos de Bariloche einst bei einer Urlaubstour hängen geblieben und hier Fremdenführer geworden. Selbst Läufer und Gebirgswanderer lässt er kaum einen Run in dieser Gegend, die er die „Schweiz Argentiniens“ nannte, aus. Er erzählte begeistert von „Pilz-Marathons“ und „Hütten-Läufen“, die man nur mit Rucksack und Kompass bewältigen kann. Höhenunterschiede bis zu 8000 m!
Da lobten sich die Reiseläufer, durchweg über die 50, das Ende der Welt. Obwohl keiner so recht wusste, was ihn dort erwartet. Denn wer kannte schon Ushuaia? Die letzte Stadt des amerikanischen Kontinents? Nachzulesen war, dass eine Kompanie Strafgefangener einst eine Schmalspurbahn im südlichsten Zipfel von Patagonien bauen musste. Die argentinische Marine hatte sie in eine Strafkolonie verbannt. Goldsucher brachten Ureinwohner um.
Joggen am „Fin del Mundo“
Doch dann waren alle hellauf begeistert. Eine lebensfrohe Stadt, in der man sonntags sogar auf der abgesperrten Hauptstraße Tango tanzt. Bergriesen rahmen die bunten Häuser ein. Natürlich lag noch Schnee auf den Gipfeln, obwohl sich Anfang Dezember bereits der Sommer ankündigte. Hier, so hatten es sich die Reiseorganisatoren ausgedacht, wollten wir joggen.
Ein „Lauf am Ende der Welt“ . Eine Weltenendpremiere sozusagen. Eine geschlossene Bucht, die „Bahia Encerrada“, wurde hierfür ausgesucht. Das hiesige Sportinstitut hatte sich im Vorfeld im intensiven E-Mail-Verkehr bereit erklärt, uns zu unterstützen. Und das klappte dann auch: 2,5 Kilometer fürs Laufen und Walken, 2- bis 4mal oder auch mehr um die Bucht.
Der Bürgermeister hatte nur eine Bitte: „Nicht so laut, die Vögel brüten gerade.“ Garay Eduardo, der Vizepräsident des „Muncipal de Deportes“, gab den Startschuss, eine Rennfahrerin der Stadt leitete die Spitzengruppe auf die richtigen Rundum-Pfade, und beherzte einheimische Jogger mischten sich unter uns.
Viele Fragen danach: Läuft man auch sonst mal hier am „Fin del Mundo“, dem „Ende der Welt“? Der Vizepräsident nickte und berichtete von ersten Erfolgen. Zu denen zählte er nicht den seit ein paar Jahren professionell organisierten „Ultra Marathon Martial“ im Gletschergebiet von Patagonien. Der sei kein Vorbild für das Laufen für jedermann, hier in Ushuaia und Umgebung.
So versuchte er es erstmals mit einem City Run über 3, 5 und 10 Kilometer. Ohne Startgeld, aber mit kleinen Preisen für jedermann und jedefrau. Und siehe da: Fast 200 kamen und machten mit. Dann ein origineller Versuch mit einem „Spielzeug-Lauf“. Jeder sollte ein Spielzeug für arme Kinder der Region mitbringen. Da waren es schon 350, auch Familien mit ihren Kleinen, die sich an den Start stellten
Das ist ein Blick auf die letzte Stadt der Welt – Ushuaia – Foto: Klaus Weidt
Übrigens auch an der Bahia Encerrada, dort, wo wir liefen. Jeder unserer Weltenendbummler erhielt eine Medaille und der Vizepräsident noch ein paar für den nächsten Lauf. Das waren ganz besondere. Sie stammten aus Halle.
Doppelolympiasieger Waldemar Cierpinski hatte sie gestiftet. Und auf der Vorderseite war zu lesen, dass es sich hier um einen Lauf am Ende der Welt handelt.
Klaus Weidt
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