Die deutsche Erwartungen an Landesrekorde erfüllten sich leider nicht. Alina Reh (SSV Ulm 1846) ging das Rennen sehr flott an, konnte das Tempo aber nicht halten und verpasste in 15:22 die Bestmarke von Irina Mikitenko um 6 Sekunden. Bester deutscher Läufer war René Menzel (Hannover Athletics) in der nationalen Jahresbestzeit von 14:16 vor dem vermeintlichen Favoriten Amanal Petros (TV Wattenscheid) in 14:17.
Das Rennen der Männer wurde bei perfekten Bedingungen (16°C, Taupunkt 8°C) mit einem ersten Kilometer in 2:47 angelaufen. Als es nach 2 km in 5:35 in Richtung Wende im Ortsteil Rauchfangswerder ging, lagen die Favoriten bis auf Florian Orth (LG TF Regensburg), der erst nachts angereist war, vorne zusammen. Neben Herzog, Menzel und Petros waren das weiterhin Abiel Hailu (ETH) und Haftom Weldaj (ERI), der für den TSV Pattensen am Start war. Die Hälfte bei 2,5 km wurde in genau 7 Minuten passiert, man lag also auf Kurs zu einer Zeit von 14 Minuten und im Regime der nationalen Rekorde.
Marathonmann Peter Herzog düpiert die Spezialisten
Dazu bleibt noch anzumerken, dass der aktuelle deutsche Rekordhalter Jens-Peter Herold, der am 18.4.1990 im Newcastle 14:09 gelaufen war, vor Ort war und sowohl das Startsignal gab als auch das Zielband hielt. Kurz vor der 3 km-Marke zog Abiel Hailu das Tempo an und damit die Spitze auseinander. Überraschender Weise konnte der deutsche Topläufer Petros das Tempo nicht mitgehen und lag bei 3 km in 8:23 leicht zurück. An der Spitze übernahm nun Peter Herzog die Initiative und zog unaufhaltsam davon.
Bei 4 km in 11:09 war sein Vorsprung auf die Verfolger und auf die Durchgangzeit für einen Landesrekord bereits auf satte 10 Sekunden angewachsen, den er bis ins Ziel nach einer beeindruckenden Vorstellung in 13:54 noch ausbaute. Zweiter wurde Weldaj in 14:12 und René Menzel konnte in 14:16 Amanal Petros in 14:17 noch vor der Ziellinie auf dem Schmöckwitzer Damm abfangen. Für Herzog, der erst spät in den Elitelauf eingestiegen war, scheint Berlin ein besonderes Pflaster zu sein. Zumal ihn die Streckenführung doch ein wenig an die Hauptallee im Wiener Prater erinnerte, die durch den sub-2-Stunden-Marathon von Eliud Kipchoge gesteigerte Prominenz in der Läuferszene erlangte. Bei der Marathon-EM 2018 wurde er Zehnter, ein Jahr später beim Berlin Marathon lief er PB mit 2:10:54. Mit Blick auf den Olympischen Marathon 2021 in Sapporo wird der Salzburger im August zum Trainingslager nach St. Moritz reisen.
Alina Reh lange auf Kurs zum Weltrekord
Die sichtbare Enttäuschung der deutschen Topläuferin Alina Reh nach ihrem Einlauf ins Ziel an der Bushaltestelle für das Teikyo-Hotel, das für die Veranstaltung als logistisches Zentrum fungierte, passte eigentlich überhaupt nicht zu der überragenden Leistung der jungen Läuferin vom SSV Ulm. Zusammen mit Caterina Granz (LG Nord Berlin), die wie Reh schon bei den Berlin 10K Invitational zu überzeugen wusste, und 8 Männern machte sie sich um 10:12 Uhr auf die Jagd nach dem deutschen Rekord von 15:16, den die Lauflegende Irina Mikitenko im Jahr 2000 gleich zweimal aufstellte, im Mai in Kassel und zu Silvester in Trier.
Die Startaufstellung für den Elite Mixed-Lauf mit durch Corona bedingten Abständen von 1,50 m für die Starter/innen. (c) ISS
Doch von Anfang an war das Tempo weit flotter als diese Marke. Mit einem ersten Kilometer – der Potsdamer Tom Thurley fungierte als „Hase“ – in 2:55 lag Alina zusammen mit sechs Männern auf Kurs zu einer Zeit von 14:34, der aktuelle Weltrekord über 5 km steht für ein Mixed-Rennen seit September 2018 durch Caroline Kipkirui (KEN) bei 14:48. An diesen senationellen Entwicklungen sollte sich zunächst wenig ändern. Bei 2 km zeigten die Uhren für Alina 5:53 und als es bei 2,5 km in 7:23 in den Ortszeil Rauchfangswerder und zur Wende um dem Parkplatz vor der lokalen Feuerwache ging, war Alina immer noch auf dem Weg zum Weltrekord! Die km-Splits bei 2 km und 3 km betrugen 2:59 und 3:01, das war bestens und selbst bei 3,5 km nach 8:54 lag sie noch im Regime des Weltrekords.
Sollten sich bei den idealen Bedingungen von Strecke und Wetter sensationelle Dinge ereignen? Der Vorspung auf die Durchgangszeit zum deutschen Landesrekord war mittlerweile auf satte 18 Sekunden angewachsen … und es waren „nur noch“ 1,5 km bis ins Ziel. Nach der Wende konnte sie aber ihren männlichen „Mitläufern“ nicht mehr folgen, verlor schnell an Boden und wurde sichtbar langsamer. Bereits der Split von 3 km nach 4 km in 3:11 Minuten beendete das Unterfangen Weltrekord mehr als schnell und auch ihr Vorsprung auf den Split zum deutschen Rekord war auf 8 Sekunden zusammengeschmolzen. Bei 4,5 km in 13:43 hatte sie noch 2 Sekunden auf den Landesrekord, den sie mit einem Schlusskilometer in 3:17 in 15:22 am Ende noch um 6 Sekunden verfehlte.
Alina Reh überzeugte in Schmöckwitz Werder nach 10 km auch über 5 km in 15:22 Minuten. (c) B. Winter
Trotzdem zeigte das 23-jährige Ausnahmetalent eine herausragende, vor allem mehr als mutige Leistung, was man auch daran ersieht, dass sie in der allerdings ungewöhnlichen Saison 2020 an zweiter Stelle in der Welt-Jahresbestenliste fungiert, nur ganze 2 Sekunden hinter der Äthiopierin Tsigie Gebreselama, die den Ethiopian Run in Addis Abeba im März 2020 in 15:20 gewann. In zwei Wochen will sie nun auf der Bahn in Regensburg die ominöse 15-Minuten-Barriere endlich unterbieten, ab September wird sie in der Sportfördergruppe der Bundeswehr die Grundausbildung absolvieren.
Hinter Reh war Caterina Granz das hohe Tempo nicht mitgegangen und kam mit erheblichen Reserven der Siegerin am Ende noch bis auf 10 Sekunden nahe, um auch über 5 km ihre PB auf 15:32 sehr deutlich zu steigern. Die Strecke im Wald des Schmöckwitzer Werders scheint für die Berlinerin ein günstiges Pflaster zu sein. In der Welt-Jahresbestenliste des internationalen Verbandes belegt sie mit dieser Zeit Rang 5 und stellte zudem einen neuen Berliner Rekord auf.
Den Männer-Part im Mixed-Lauf gewann Fabian Reuter (Team Erdinger) in 14:38, wobei fast alle Männer in diesem Lauf Bestzeiten rannten. Den anschließenden Frauenlauf gewann Christina Gerdes (SCC Events Pro Team) in Bestzeit von 16:31, vor dem großen 17-jährigen Nachwuchstalent Jule Behrens (ASC Darmstadt) in 16:47. Und auch auf Platz 3 bot die schon 44-jährige Seniorin Simone Raatz (ASC Darmstadt) mit 17:05 eine herausragende Leistung, die in den Regionen des deutschen Bahnrekords über diese Distanz für die W45 lag. Sie unterbot damit ihre PB aus dem Jahr 1993 und bekannte: „Die Strecke ist der Hammer, auf einem derartigen Kurs bin ich noch nie gelaufen. Für mich hat heute alles gepasst!“
In Sachen Strecke dürfte sie die Dinge richtig einschätzen, der Kurs ist in der Tat in vielen Belangen optimiert und gehört sicher zu dem schnellsten Pflaster der globalen Laufszene. Wie Alina Reh im ersten Teil bereits andeutete, kann man auf dem Schmöckwitzer Werder sogar Weltrekorde laufen – auch in den aktuell nicht einfachen Corona-Zeiten. Vor allem bei den Frauen gäbe es bei ähnlich guten Bedingungen wie am letzten Sonntag eine ganze Liste von potentiellen Kandidatinnen, die in Regionen von unter 14:45 vorstoßen könnten. Dass damit das generelle Problem der hochgradigen Beeinträchtigungen des Laufsports durch das Corona-Virus nicht gelöst werden kann und vor allem die Organisatoren von derartigen Events an ihre Grenzen stoßen, wird sicher in der nächsten Zeit zu dramatischen Entwicklungen führen.
Auf Hilfe aus der Politik darf man kaum hoffen. Da ist der Laufsport in der Wahrnehmung noch nicht angekommen und findet bisher keine Fürsprecher. Dazu passt dann auch die Reaktion aus dem öffentlich-rechtlichen Funkhaus „rbb“, dem die Entsendung eines Kamerateams in den äußersten Südosten der Stadt wenig lohnend erschien. An einem Sonntagmorgen gibt es auch sicher andere Dinge zu tun.
Einige Impressionen rund um den Lauf.
Videos vom Rennen der Männer (Elite) und Frauen (Elite Mixed Race).