Spannendes 5000 m-Duell zwischen Miriam Dattke (52) und Diane von Es (300). - Foto: Schmitt-Sportfoto.com
Bemerkenswerter Bahnsaison-Auftakt – „Stell-dich-ein“ der deutschen Laufszene bei der Langen Laufnacht in Karlsruhe – Vielzahl von Qualifikationsnormen für den Nachwuchs – Wilfried Raatz berichtet
Belgische Athleten triumphierten auf den längeren Mittelstrecken
Um es vorweg zu sagen: Trotz keineswegs idealen Laufbedingungen wurde die fünfte Lange Laufnacht, die unter Corona-Bedingungen mit nur eingeschränkten Startberechtigungen und ohne Zuschauer und einer geringen Betreuerzahl als eher Nachmittagsveranstaltung im Karlsruher Carl-Kaufmann-Stadion durchgeführt, einmal mehr ihrem Ruf als „Neues Mekka der deutschen Bahn-Laufszene“ gerecht.
Angesichts der Vielzahl der Starts, insgesamt wurden 21 Läufe von 800 m bis 5000 m und 3000 m Hindernis durchgeführt, war es selbst für die Insider der Szene schwierig den Überblick zu behalten, zumal es für die nationale Elite und die zahlreichen Athleten der Anrainerländer auch wegen des dezimierten Wettkampfangebotes bereits massiv um internationale Normen für Europa- und Weltmeisterschaften der U23 und U20 ging.
Den läuferischen Höhepunkt bildete das um 19.40 Uhr gestartete 5000 m-Rennen der Frauen mit der mit hochkarätigen Ergebnissen in die Saison gestarteten Miriam Dattke und ihrer niederländischen Herausforderin Diane van Es. Nach 9:12 Minuten für 3000 m allerdings war die vor wenigen Tagen erst in Stockholm furiose 31:33,77 Minuten erzielende 23jährige Regensburgerin bereits zwanzig, dreißig Meter vor ihrer hartnäckigen Konkurrentin – in den beiden Schlussrunden fehlte ihr allerdings die erforderliche Spritzigkeit, um die heranstürmende Diane von Es abzuwehren.
Mit 15:28,37 gab es dennoch für Miriam Dattke eine starke neue Bestmarke, die zwölf Sekunden unter ihrer bisherigen „pB“ liegt. Die Niederländerin lag mit 15:27,23 Minuten knapp vorne. Hinter der starken Slowenin Klara Lukan (15:34,48) folgte mit Denise Krebs in 15:56,67 die zweitbeste Deutsche, die sich über die gesamte Strecke mit der Niederländerin Jasmijn Lau ein Dauerduell geliefert hatte. Als Sechste blieb Eva Dieterich mit 16:07,21 unter der U23-EM-Norm für Bergen (Norwegen).
Weitgehend unter ging die Leistung der auf Rang zehn einlaufenden deutschen U20-Vizemeisterin von Mainz, der 19jährigen Regensburgerin Emma Heckel, die mit 16:20,17 neben der U20-EM-Norm auch die U20-WM-Norm für Nairobi um sechs Sekunden unterbieten konnte. EM-Norm liefen zudem auch Jasmina Stahl (16:31,20) und Kira Weis (16:34,24), die dem Jahrgang 2004 angehört. „Die WM-Norm war mein Ziel. Leider hatte ich zwischen 2 und 3 km ein kleines Loch, konnte mich aber gut fangen!“ freute sich Emma Heckel über ihre Normerfüllung.
Ein belgisches Meisterstück gelang Eline Dalemans im 3000 m-Hindernislauf. Die Fünfte von Pliezhausen (über 2000 m Hindernis) lief praktisch im Alleingang 9:49,02 Minuten und ärgerte sich bei aller Freude über den neuen Hausrekord über mangelnde Konkurrenz. „Ich habe schon mit einem Start von Elena Burkart gerechnet“, gestand die sich trotz allem Verdruss über ihre Steigerung um 16 Sekunden freute.
Die deutsche Meisterin war offenbar wegen einer Unstimmigkeit ihres Vereins und dem Veranstalter nicht ins Nordbadische gekommen. Hinter der Schweizerin Sibylle Häring wurde die die Leverkusenerin Sanaa Schretzmair (besser bekannt unter ihrem Mädchennamen Koubaa) mit 10:13,78 Dritte. Auf Rang fünf hinter Amélie Svensson unterbot mit Olivia Gürth eine DLV-Nachwuchsläuferin mit 10:15,90 sowohl die EM- als auch die WM-Norm.
Ein etwas unerwarteter Ausgang nahm das 1500 m-Rennen der Frauen. Nachdem die als Tempomacherin (!) eingesetzte Jackie Baumann die Innenbahn frei gemacht hatte, übernahm Sara Benfares mit einem resoluten Vorstoß das Heft des Handelns – und gab die Führung bis ins Ziel nicht mehr ab. Die stark verbesserte 20jährige des LC Rehlingen gewann in 4:15,06 Minuten vor Vera Coutellier (4:16,88) und der die U20-EM-Norm laufenden Fabiane Meyer (4:20,36). Auch die sechstplatzierte Johanna Pulte (vor zwei Wochen deutsche U20-Meisterin über 5000 m geworden) schaffte mit 2:22,92 die EM-Norm, die knapp dahinter Lisa Hausdorf um drei Hundertstelsekunden verpasste.
Eine starke Sarah Schmidt entschied das gut besetzte 800 m-Rennen der Frauen, bei dem wiederum Jackie Baumann zunächst für eine flotte Pace sorgte. Die Leverkusenerin konnte sich nach 600 m problemlos an der Spitze etwas absetzen und gewann nach 2:04,46 Minuten vor Majtie Kolberg (2:06,28) und verpasste den Meetingsrekord von Christine Hering um knapp eine Sekunde. Hinter Sarah Fleur Schulze (2:07,15) folgte bereits auf Rang vier die Tochter des einstigen Hindernis-Europameister Damian Kallabis, die erst 16jährige Jolanda Kallabis mit starken 2:07,22 Minuten. Noch ein Jahr jünger ist die Siegerin des zweiten Zeitlaufes Jana Becker, die auf 2:08,07 Minuten kam.
Nachdem der Niederländer Tim Verbaandert seinen Alleingang nach einer 3000 m-Durchgangszeit von 8:24 Minuten beendet hatte, übernahm Elias Schreml resolut die Spitze. Der frühere U20-Europameister der LGO Dortmund sah sein Ziel, die U23-EM-Norm von 14:02 entschwinden und wollte mit einem mutigen Vorstoß die in Ferne gerückte Norm doch noch zu schaffen. „Mist, ich glaube, ich bin um eine Sekunde vorbeigelaufen“, ärgerte sich der 21jährige nach 14:05,29 Minuten. In der Tat waren es freilich aber drei Sekunden, weshalb der junge Dortmunder einen weiteren versuch starten muss. Im internationalen Feld lief mit Florian Röser der nächstbeste Deutsche auf Rang fünf in 14:23,64 über die Ziellinie. Mit Tom Förster (Achter/ 14:25,20) und Yassin Mohumed (Zehnter/ 14:26,12) liefen zwei U20-Jugendliche unter der EM-Norm von 14:27 Minuten.
Im 3000 m-Hindernislauf gelang Niklas Buchholz ein souveräner Erfolg in 8:45,00 Minuten und schrammte dabei um nur wenige Zehntel an seiner Bestmarke vorbei. Den Doppelsieg für den LSC Höchstadt/Aisch sicherte Brian Weisheit (8:47,74) vor den beiden U23-Junioren Nick Jäger (8:48,34) und Velten Schneider (8:49,75), die knapp über der U23-Norm von 8:48,00 Minuten blieben. „Ich bin zuversichtlich, dass ich die Norm für Bergen schaffe, denn es fehlen gerade einmal 34 Hundertstelsekunden“, so Nick Jäger. Mit Florian Zittel (9:02,21) und Kurt Lauer (9:04,58) blieben zwei U20-Jugendliche unter der EM-Norm für Tallinn.
Ganz in belgischer Hand war der A-Lauf über 1500 m. In einem spannenden Finale blieben Ismael Debjani (3:39,23), Jochem Vermeulen und Thomas Vanoppen unter der 3:40er Marke, die von den deutschen Startern Jens Mergenthaler nach seinem Hindernisdebüt vor Wochenfrist und Homiyu Tesfaye mit 3:41,43 und 3:42,93 noch klar verpassten. Als Sieger des zweiten Zeitlaufes wußte der 18jährige Christoph Schrick nach einem furiosen Spurt mit der EM-Norm von 3:47,66 Minuten zu überzeugen. „Das ist die erste Etappe, die WM-Norm von 3:46,50 ist aber das große Ziel, auf das ich hinarbeite“, so der junge Darmstädter.
Eine Klassebesetzung brachte der A-Lauf über die 800 m-Distanz. Lokalmatador Christoph Kessler mußte sich dabei hinter dem furios sprintenden dreimaligen Meister Robert Farken (1:47,19) und Marvin Heinrich (1:47,96) mit 1:48,58 und Rang drei zufriedengeben. „Mir hat etwas der Mut gefehlt, mit dem Pacemaker mitzugehen. Aber ich bin nicht unzufrieden!“ so der Karlsruher, der schließlich noch den Überraschungs-Hallenmeister Oskar Schwarzer (Fünfter) schlagen konnte. „ich habe das Maximale aus dem Rennen geholt“, freute sich Robert Farken im Ziel. „Für mich ist das Rennen gegen die nationale Konkurrenz gut gelaufen!“
Sein Ziel, und das gab der Leipziger unumwunden zu, sind die Olympischen Spiele in Tokio. „Alles andere wäre eine Enttäuschung angesichts des riesigen Aufwandes….“.
Wilfried Raatz