Im Rennen der Männer wurde schnell deutlich, dass die Topläufer nicht willens waren, ein flottes Tempo auf das (im Sinne des Wortes) Pflaster der Stadt an der Moldau zu legen. Bereits die ersten Kilometersplits von 3:17, 6:31 und 9:39 bei 3 km zeigten dies mehr als deutlich. Für Läufer mit PBs im Regime um und unter 2:05 Stunden war das ein besseres Jogging am frühen Sonntagmorgen.
Auch wegen der Auflagen bezgl. der Zuschauerzahlen war das Rennen bereits um 6:30 Uhr auf der berühmten Karls-Brücke bei nahezu idealen Bedingungen (Temperatur 7°C und zunächst windstill) gestartet worden. Noch 12 Athleten lagen bei 5 km in 15:50 in der Spitzengruppe, die damit auf Kurs zu einer Zeit von 2:13:37 lagen, was für die Klasse der Akteure indiskutabel war.
Auch im weiteren wurde das Tempo nicht nennenwert erhöht, bei 8,9 km in 27:49 betrug die Projektion im Ziel 2:11:53 und lag im weiteren Teil des Laufs im Regime um 2:11 Stunden. Man hatte nach 3 km die Hauptrunde der Strecke von 2,981 km Länge erreicht, die über Kopfsteinpflasterpassagen und Straßenbahnschienen 13-mal zu durchlaufen war. Die Hälfte der Distanz durchliefen 12 Läufer an der Spitze um 2:05:30 (es gab keine offiziellen Splits beim Halbmarathon und den vollen 5 km-Segmenten), wobei die Rundenzeiten zwischen 9:15 und 9:25 Minuten lagen. Erst jeseits der 30 km dünnte die Kopfgruppe etwas aus, nach 35 km waren noch 8 Läufer vorne, bei 40 km noch 6.
Benson Kipruto gewann den Marathon bei der Battle of the Teams. (c) Livestream/Screenshot
Es war nun der Sieger des Chicago Marathon 2014 und des Tokyo Marathon 2018 Dickson Chumba (KEN), der vorne das Tempo verschärfte und die Spitzengruppe auf ihn, Kipruto, Norbert Kigen (KEN) und Kenneth Keter (KEN) reduzierte. Gut einen Kilometer vor dem Ziel war es Benson Kipruto, der sich schnell absetzen und das Rennen in international bestenfalls zweitklassigen 2:10:16 gewinnen konnte. Chumba wurde in 2:10:26 Zweiter vor Kigen in 2:10:27. In der durch Corona stark in Mitleidenschaft gezogenen Saison 2021 fungiert die Siegerzeit auf Platz 109, selbst der Kanadier Cameron Levins war letzte Woche bei „Sauwetter“ auf der Baustelle im oberösterreichischen Fürstenfeld eine Sekunde schneller.
Dies sah bei den Frauen ganz anders aus. Dort lagen 12 Läuferinnen mit ersten Splits bei 3 km in 10:22 und 5 km in 17:23 zwar auf Kurs zu einer Zeit von über 2:26 Stunden, aber dies sollte sich schon bald ändern. Hier war es vor allem Valery Aiyabei (KEN), die 2019 in Frankfurt den Streckenrekord auf 2:19:10 schraubte, die aufs Tempo drückte und damit die zehnköpfige Spitzengruppe bei 15 km auf 5 Läuferinnen nach der Hälfte in 1:10:10 reduzierte. Nach gut 25 km ereignete sich bereits die rennentscheidende Szene, als sich Rionoripo vorne absetzen konnte. Kurz vor 30 km bei 29,9 km in 1:38:40 hatte sich das Tempo derart erhöht, dass sie hier mit 2:19:14 auf Kurs zu einer Zeit von unter 2:20 Stunden lag.
Purity Rionoripo gewann den Marathon der Frauen in der Topzeit von 2:20:14. Foto: (c) Livestream/Screenshot
Nach 32,8 km in 1:48:34 lag die 28-jährige Kenianerin fast eine volle Minute vor dem Verfolgerduo Aiyabei und Bedatu Hirpa (ETH), weitere 30 Sekunden dahinter lag Guteni Shone (ETH). An der Spitze musste nun Rionoripo, die 2017 den Paris Marathon in 2:20:55 gewinnen konnte, dem hohen Tempo etwas Tribut zollen, erreichte aber das Ziel auf dem Altstädter Mark in ausgezeichneten 2:20:14, womit sie ihre PB vom Valencia Marathon 2017 von 2:20:39 deutlich steigern konnte. Auch hinter der Siegerin gab es beachtliche Zeiten, die Dubai Marathon Zweite des Jahres 2020 Guteni Shone arbeitete sich im Schlusspart in 2:21:46 auf Platz 3 vor, dann folgte Valery Aiyabei als Dritte in 2:22:39. Und hochzufrieden zeigte sich auf Platz 6 Eva Vrabcova (TCH), die in 2:27:07 das Ticket für das tschechische Olympia-Team buchte.
Die Zeit der Siegerin rangiert aktuell in der Welt-Jahresbestenliste auf Platz 3 und brachte trotz einer PB in der „Battle of the Teams“ verbunden mit einer 10% Bonus-Punktzahl ihrem Team „Volkswagen“ nur den zweiten Platz. In der Teamwertung lag am Ende mit 7152 Punkten das Team „Birell“ mit dem Sieger Kipruto deutlich vorne. Diesem Team-Wettbewerb wurde im Vorfeld ein erheblicher Fokus gewidmet und als eine Variante gehypt, die Akzeptanz für den Marathonlauf in der Öffentlichkeit zu erhöhen. In einer nüchternen Wertung der Dinge wurde dies mit dieser Veranstaltung sicher nicht erreicht. Die Teams wurden kurzfristig und kaum nachvollziehbar zusammengestellt, wie man da sich mit einem der Teams identifizieren sollte, bleibt ein Rätsel.
Und auch erratisch, permant aktualiserte Punktestände (die desöfteren sicher völlig an der Realität vorbeigingen) machen Rennabläufe kaum spannender, wenn auf der anderen Seite solide Information wie Splits und deren Einordnung fehlen. Diese Defizite konnten auch die ausgezeichneten Kommentatoren Tim Hutchings und Michel Boeting kaum ausbügeln, die euphemistisch der ganzen Aktion noch etwas Positives abgewinnen konnten.
Wie lobenswert die Aktion der lokalen Organisatoren Carlo Capalbo und Davor Savija auch gewesen sein mag, eine Zukunft dürfte dieses Format kaum haben.
Und einen Beitrag zur Akzeptanz einer Marathon-Veranstaltung in der Öffentlichkeit wird ein Wettbewerb dieses Art sicher nicht leisten. Gerade einmal 130 Zuschauer hatten sich die Aktion auf dem YOUTUBE-Kanal live angeschaut.
Ergebnis des Team-Wettbewerbs. (c) RunCzech
Ergebnis Marathon der Frauen: | |||
1. | Purity Rionoripo | KEN | 2:20:14 |
2. | Guteni Shone | ETH | 2:21:46 |
3. | Valery Aiyabei | KEN | 2:22:39 |
4. | Betty Lempus | KEN | 2:24:15 |
5. | Tigist Abayechew | ETH | 2:26:12 |
6. | Eva Vrabcova | TCH | 2:27:07 |
7. | Aberu Mulisa | ETH | 2:28:02 |
8. | Meseret Belete | ETH | 2:28:31 |
Ergebnis Marathon der Männer: | |||
1. | Benson Kipruto | KEN | 2:10:16 |
2. | Dickson Chumba | KEN | 2:10:26 |
3. | Norbert Kigen | KEN | 2:10:27 |
4. | Kenneth Keter | KEN | 2:10:29 |
5. | Lencho Anbesa | ETH | 2:10:50 |
6. | Kinde Atanaw | ETH | 2:11:00 |
7. | Mengistu Zelalem | ETH | 2:11:48 |
8. | Vitayal Atnafu | ETH | 2:11:58 |
Hemut Winter