Aus der Zeitung „Volkswacht“ stammt das Foto vom Sieger Olsen beim Zieleinlauf, welches wir vom Stadtarchiv erhielten.
Bananen und Haferschleim auf Paradiesbrücke – Dr. Hans-Georg Kremer berichtet
Der 47. GutsMuths-Rennsteiglauf ist Geschichte. Aus Jena und den Vororten gab es 400 Anmeldungen, davon 37 vom USV. Wieviel davon am kommenden Wochenende die legendäre 100-Kilometer-Wanderung, die 34. „Horizontale- Rund um Jena“ unter die Füße nehmen, ist unbekannt.
Während beim Rennsteiglauf, der in Jena von Orientierungsläufern der Hochschulsportgemeinschaft (HSG, heute USV) Jena begründet wurde, seit Jahren konstant um die 15.000 Läufer, Nordic Walker und Wanderer beiderlei Geschlechts ins Ziel kommen, sind es bei der „Horizontale“ um die 1500.
Eine Steigerung der Teilnehmerzahlen ist nicht zu erwarten, da die Anzahl der vergebenen Startplätze aus organisatorischen Gründen nicht erhöht werden kann. Die 100-Kilometerwanderung wurde übrigens auch von Jenaer Rennsteigläufern um Lothar Seifarth ins Leben gerufen.
Die Geschichte der wettkampfmäßig betriebenen Langstreckenläufe beginnt erst um 1900, als sich vor allem aus England kommend, die Leichtathletik in Deutschland zu entwickeln begann.
Im Jahre 1894 ist eine der ersten 100-Kilometer-Meisterschaften überliefert, die in Berlin mit 13 Teilnehmern stattfanden. Der Sieger Claasen brauchte 12:27:53. Eine Deutsche Meisterschaft im 100 Kilometer Gehen, die im August 1914 mit Start und Ziel im Jenaer Sportgelände in der Oberaue starten sollte, kam wegen des Ausbruchs des I. Weltkriegs nicht zur Austragung. Über den 35-Kilometer Gepäckmarsch, der 1912 erstmals stattfand, hatten wir schon ausführlich berichtetet, sowie über den „I. Nationaler 25 km-Lauf“, der am 3. Mai 1914, ebenfalls vom F.-C. Carl Zeiss-Jena organisiert wurde.
Der nächste Langstreckenlauf in Jena findet sich erst 1961, als im Rahmen der 15. „Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften“ auch die Marathonmeister ermittelt wurden. Bisher gingen die Sporthistoriker davon aus, dass dies der erste Marathon überhaupt in Jena gewesen sei. Mit Hilfe des Stadtarchivs kann das jetzt korrigiert werden, da bereits am 27. August 1957 im Rahmen des Leichtathletikländerkampfes DDR-Norwegen ein Marathon stattfand. Umfangreiche Berichte dazu verdanken wir Paul Dern, der damals als Presseverantwortlicher fungierte.
Paul Dern gehörte, wie der kürzlich verstorbenen Manfred Dressler, zu den Urgesteinen der Jenaer Leichtathletik um 1950. Während Dern später regelmäßig unter den Organisatoren von Leichtathletikveranstaltungen zu finden ist, wurde Dressler ab 1958 mit Paul Dern zu den wichtigsten Helfern der Fußballtrainerlegende Georg Buschner, was aber eine andere Geschichte ist.
Dass die norwegische Mannschaft 1957 in Jena startete, verstieß eigentlich gegen den von der BRD-Sportführung verhängten Boykott von Sportkontakte zu DDR-Sportveranstaltungen, -Sportorganisation, -Sportlern usw., der Bestandteil der „Hallsteindoktrin“ war, mit der eine diplomatische Anerkennung der DDR, auch auf diesem Gebiet verhindert werden sollte. Umgekehrt nutzte die DDR gerade den Sport, um diese Praxis, die von den meisten Nato-Staaten unterstützt wurde, im internationalen Sportgeschehen immer wieder zu unterlaufen. Der Slogan „Sportler als Diplomaten im Trainingsanzug“ wurde damals geprägt.
Norwegen war mit einer namhaften Mannschaft angekündigt, darunter sogar der Speerwurfweltrekordler Egil Danielsen, der bei der „Olympiade“ in Melbourne die Goldmedaille gewonnen hatte. Dieser reiste aber dann aus gesundheitlichen Gründen nicht an. Die Vorbereitung des Länderkampfs in Jena lag in den Händen von Funktionären des Sportclubs (SC) Motor Jena, wie Ernst Weber, Gerhard Kalbe, Arthur Linß und Arthur Gliniorz.
Ein Artikel über die Vorbereitungen erwähnt auch den Marathonlauf. Unter der Überschrift: „Bananen und Haferschleim auf Paradiesbrücke“, vermutlich von Paul Dern, steht: „Am Freitag, dem zweiten Tag des Länderkampfes, steht dann ein außerordentliches Ereignis bevor. 15 Uhr wird der erstmalig ins Programm aufgenommene Marathonlauf gestartet…
In Jena haben die Verantwortlichen einen Rundkurs festgelegt, der über Wöllnitz, Lobeda, Burgau geht und auf der Rudolstädter-, Kahlaischen- und Knebel-Straße zurück zur Paradiesbrücke führt. Diese etwas mehr als 10 Kilometer lange Distanz wird von den Athleten viermal durchlaufen werden. Vom 15. Kilometer an muß laut Wettkampfbestimmungen alle weiteren 5 Kilometer eine Verpflegungsstelle eingerichtet werden mit Kaffee, Tee, Keks und Obst.
Wenn deshalb am Freitagnachmittag hier und dort in den Jenaer Straßen auf Tischen Bananen liegen, dann hat Anstellen sicher wenig Zweck…“, womit schon damals auf den Südfrüchtemangel in der DDR aufmerksam gemacht wurde. Ob Dern die Bananen organisierte ist unbekannt. Er war es aber, der 1975 dafür sorgte, dass beim GutsMuths-Rennsteiglauf an alle gemeldeten 1000 Teilnehmer je eine Banane auf der Strecke ausgegeben werden konnte.
Im Ergebnisbericht steht dann zu lesen, dass 12.700 Zuschauer zwei herrliche Leichtathletiktage und eine perfekte Organisation erlebten und zum Marathon: „Im Marathonlauf gab es einen nicht erwarteten Sieg von Viktor Olsen in 2:31:07,2 Stunden vor unserem Meister Bartholome in 2:31:52,0. Dritter wurde der Norweger Sinn Sytag.“
Bisher sind keine Originalfotos von diesem Marathon gefunden worden. Vermutlich wurde bei der Vernichtung des gesamten Archivs des SC Motor Jena im Auftrage des damaligen Geschäftsführers 1990 auch das Fotoarchiv mit verbrannt.
Als Randnotiz zur Jenaer Laufbewegung kann noch vermerkt wurden, dass dieser Tage das „Meldeportal“ im Internet für den 43. Jenaer Kernberglauf, der als Bruder des Rennsteiglaufs entstand, geöffnet wurde.
Dr. Hans-Georg Kremer in Thüringische Landeszeitung vom 22. Mai 2019 Nr. 639
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