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Aus den Erfahrungen von Betroffenen lernen: Abschlusskonferenz des europäischen Projektes VOICE zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Sport – Deutsche Sporthochschule Köln
Köln, 6. Mai 2018 – „Deine Stimme – dein Leben – deine Wahrheit“ – mit dieser Botschaft der ehemaligen irischen Schwimmerin Karen Leach wurde am Wochenende die Abschlusskonferenz des Projektes VOICE betitelt.
Das von der EU geförderte Projekt „Voices for truth and dignity“ wird von der Deutschen Sporthochschule Köln geleitet und verfolgt das Ziel, sexualisierte Gewalt im Sport wissenschaftlich aufzuarbeiten. Im Fokus stehen dabei die Berichte und Erfahrungen der Betroffenen.
135 Personen aus 16 europäischen Ländern nahmen an der Konferenz teil, um aus den Berichten von Betroffenen zu lernen, wie sexualisierte Gewalt im Sport entsteht, welche Unterstützungen Betroffene benötigen und wie Schutzmaßnahmen gestaltet werden sollten.
Im Zentrum des Projektes steht eine Interviewstudie mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt im Sport, die in sieben europäischen Ländern durchgeführt wurde. In ausführlichen Interviews haben insgesamt 72 Betroffene von ihren Gewalterfahrungen im Sport berichtet. Die nun vorliegende Studie ist die bisher umfangreichste dieser Art. Sieben WissenschaftlerInnen von Universitäten in Europa waren an der Durchführung und Auswertung der Interviews beteiligt.
Zentrale Befunde wurden bei der Abschlusskonferenz von Dr. Bettina Rulofs (Deutsche Sporthochschule Köln) und Dr. Mike Hartill (Edge Hill University in Großbritannien) vorgestellt.
Rund 70% der Betroffenen, die an den Interviews im Projekt teilgenommen haben, sind weiblich, 30% männlich. Die Ausübenden der Übergriffe sind fast ausschließlich männlich und in 90% der erhobenen Fälle Trainer oder Verantwortungsträger im Sport. Die Fälle stammen aus verschiedensten Sportarten und -kontexten, am häufigsten aus dem Bereich des Fußballs mit einem Anteil von einem Fünftel an der Gesamtzahl. Dies begründet sich in der hohen Verbreitung der Sportart und den hohen Mitgliedszahlen.
„Die Bedingungen für sexualisierte Übergriffe sind weniger in einzelnen Sportarten zu suchen“, sagt Dr. Bettina Rulofs, Deutsche Sporthochschule Köln, „sondern in generellen Merkmalen des Sports und der Kultur von manchen Sportvereinen und -verbänden.“
So zeigen die Berichte von Betroffenen, dass ihr sportliches Umfeld von engen Abhängigkeitsverhältnissen, Vertrauen, hohem Selektionsdruck und einem streng disziplinierenden Umgang mit dem Körper geprägt war.
Unter diesen Bedingungen werden sexualisierte Übergriffe im Sport mitunter jahrelang verdeckt. Nur knapp 40% der an der Studie beteiligten Betroffenen meldeten sich bei offiziellen Stellen im und außerhalb des Sports, um die Vorfälle anzuzeigen und Hilfe zu erhalten. Ernüchternd ist dabei das Fazit, dass einige Betroffene diese Hilfe nie erhielten, sondern die Sportvereine oder -verbände die Taten weiterhin verschwiegen, um ihrem guten Ruf nicht zu schaden.
„Was sehr verletzt, ist das Schweigen der Organisationen, nachdem du deine Erfahrungen geschildert hast“, so Dr. Colin Harris, ehemaliger Fußballspieler aus Großbritannien, der sich am VOICE-Projekt beteiligte.
Eine zentrale Forderung des Projektes ist somit, dass Sportorganisationen Vorfälle sexualisierter Gewalt differenziert aufarbeiten und dabei auch die Betroffenen beteiligen. Gloria Viseras, Mitglied der Steuerungsgruppe des Projektes und ehemalige spanische Olympiateilnehmerin im Turnen resümiert: „Die Teilnahme am Projekt VOICE hat uns Betroffenen geholfen, zu verstehen, wie stark unsere Stimmen sind und wie sehr wir dem Sport helfen können, sexualisierte Gewalt zu bekämpfen.“ I
nsgesamt nahmen 24 Betroffene von sexualisierter Gewalt im Sport an der Abschlusskonferenz teil, um ihre Stimme für einen gewaltfreien Sport in Europa zu erheben und sich aktiv an der Präventionsarbeit zu beteiligen, darunter u.a. auch die Österreicherin Nicola Werdenigg, die vor kurzem öffentlich über ihre Gewalterfahrungen im Ski-Sport berichtet hatte.
„Sportorganisationen müssen den Betroffenen sexualisierter Gewalt zuhören und sie dann aktiv in die Arbeit zur Prävention von Gewalt einbeziehen“, so das Fazit von Susan Greinig, Medical Programmes Senior Manager beim Internationalen Olympischen Komitee, während der abschließenden Podiumsdiskussion mit VertreterInnen des Sports.
Die EU-Förderung des VOICE-Projektes läuft Ende Juni 2018 aus. In den beteiligten sieben Ländern – Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Österreich Slowenien und Spanien – werden nun Mittel und Wege gesucht, die begonnene Arbeit mit Betroffenen fortzuführen und aus ihren Erfahrungen zu lernen. Dabei arbeiten in allen beteiligten Ländern sowohl Universitäten als auch Sport- und Opferschutzorganisationen zusammen.
In Deutschland wird das Projekt an der Deutschen Sporthochschule Köln durch Dr. Bettina Rulofs und Gitta Axmann geleitet und vom Deutschen Kinderschutzbund Bundesverband e.V. und der Deutschen Sportjugend unterstützt.
Sabine Maas
Leiterin Presse und Kommunikation, Pressesprecherin
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