Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat
Arthrose und Laufsport – aktueller Stand – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Wenn es beim Laufen nicht mehr „wie geschmiert“ läuft und sich Beschwerden einstellen, kann auch ein Gelenkverschleiß die Ursache sein. Bei den 40- bis 50-Jährigen klagt heute schon mehr als die Hälfte über Gelenkbeschwerden.
Oft sind arthrotische Gelenkveränderungen die Ursache der Bewegungsschmerzen.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Arthrose eine „nichtentzündliche Erkrankung mit entzündlichen Episoden“.
Am häufigsten betrifft der Bewegungsschmerz das Kniegelenk, gefolgt von Problemen in Schulter, Hand, Hüfte, Fuß, Ellbogen und Sprunggelenk. Die Osteoarthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung (Engelhardt 2003). Bei 20 Prozent der Personen zwischen 18 und 79 Jahren wurde eine Arthrose festgestellt, wobei Frauen häufiger als Männer betroffen sind (RKI: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland).
Als häufigste Ursache für den Bewegungsschmerz kommt eine Arthrose mit Schädigung des Gelenkknorpels in Betracht. Der Gelenkverschleiß tritt als Folge von Fehlhaltungen, Überlastungen und Verletzungen auf (Beruf, Sport, Übergewicht). Risikofaktoren stellen
- erlittene Verletzungen,
- Veranlagung,
- Gewicht,
- Alter und
- das weibliche Geschlecht
dar.
Bislang fehlen Hinweise, dass Laufen die Entstehung einer Arthrose begünstigt (Puranen et al. 1975; Sohn u. Micheli 1985; Panush et al. 1986; Lane et al. 1986, 1993, 1998; Konradsen et al. 1990; Conaghan 2002; Walther u. Kirschner 2004; Hohmann et al. 2005; Kleinmann 2006; Cymet u. Synkow 2006; Schueller-Weidekamm et al. 2006; Chakravarty et al. 2008; Hagemann et al. 2008; Stahl et al. 2008; Mayer et al. 2011; Williams 2013; Schütz et al. 2014; Vigdorchik et al. 2017; Ponzio et al. 2018), denn Bewegung und Belastung sind für die Versorgung des Knorpels mit Nährstoffen unverzichtbar. Nur bei einer Vorschädigung in Kombination mit einem höheren Laufumfang (≥ 60 km/Woche) und Tempo ist mit einem erhöhten Risiko zu rechnen (Cheng et al. 2000; Schmidt et al. 2006; Schmitt 2006; Mayer et al. 2011; Williams 2013; Hügle u. Valderrabano 2015; Alentorn-Geli et al. 2017). Die Marathonleistung mit einer langsameren Endzeit und nicht der Body-Mass-Index (BMI) beeinflussen die Pro-Entzündungs- und Knorpel-Biomarker (Mündermann et al. 2017). Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung von sportlicher Aktivität auf die Entstehung von degenerativen Gelenkerkrankungen ist bisher nicht bewiesen (Mooren et al. 2016).
Die Arthrose ist eine primär nicht entzündliche Gelenkerkrankung. Sie kann in einzelnen großen Gelenken, z.B. dem Kniegelenk (Gonarthrose) oder Hüftgelenk (Koxarthrose), auftreten oder mehrere kleine Gelenke, z.B. die Finger bzw. Zehengelenke oder die Wirbelsäulengelenke (Spondylarthrose), betreffen.
Der Gelenkknorpel, der den Knochen überzieht, hat eine Art „Stoßdämpferfunktion“. Bei der Entwicklung der Arthrose verliert er an Elastizität, wird dünner und reißt ein. Durch den Abrieb treten knorpelfreie Bereiche auf, der Knochen liegt frei, es kommt zu Gelenkgeräuschen (Reiben). Der Gelenkknochen verdichtet sich und die Ränder können sich verformen. Außerdem lösen sich kleine Knorpelstückchen ab und führen zu einer Reizung der Gelenkinnenhaut mit Entzündungszeichen und Ergussbildung. Im Spätstadium der Arthrose ist der Knorpel größtenteils verschwunden, die Gelenkknochen reiben aufeinander.
Der Knorpel ist nicht mit Nerven versorgt, so dass der Knorpelschaden selbst primär keine Beschwerden bereitet. Der Knorpel wird nicht über Gefäße, sondern über die Gelenkflüssigkeit (Synovia) ernährt, die von der Gelenkinnenhaut abgegeben wird und auch als Gelenkschmiere dient. Die Bewegungsschmerzen entstehen insbesondere durch die Entzündungsprozesse und Ergussbildung. Der anfängliche Belastungsschmerz tritt später auch in Ruhe auf. Hinzu kommen ein Spannungsgefühl und eine Gelenksteife mit Bewegungseinschränkung. Außerdem treten Schwellungen und Überwärmung im Gelenkbereich ein. Typisch für eine arthrotische Veränderung ist auch der Anlaufschmerz, der unter der weiteren Bewegung nachlässt. Durch den Bewegungsschmerz wird unbewusst eine Schonhaltung eingenommen, worauf die Bewegungseinschränkung zunimmt. Die Elastizität der umgebenden Weichteile (Sehnen, Bänder, Muskeln) lässt nach, es treten Muskelverspannungen, Muskelverhärtungen und Muskelverkürzungen ein. Auch diese Prozesse verstärken die Bewegungseinschränkung. Am Ende stehen die Gelenkdeformierung und der Funktionsverlust.
Die Diagnose einer Arthrose wird durch funktionelle Tests und bildgebende Verfahren (Röntgen, MRT) gestellt, weil damit degenerative Veränderungen gut gezeigt werden. So gibt es Patienten, die über starke Beschwerden klagen, aber nur diskrete Befunde zeigen, während andere ausgeprägte degenerative Gelenkveränderungen aufweisen und nur geringe Schmerzen haben.
Therapie
Aufgrund der nutritiven Versorgung des Knorpels kann sich dieses Gewebe nur schwer regenerieren. Bei der Behandlung muss man zwischen symptomatischer und kausaler Therapie unterscheiden. Zur Schmerztherapie werden entzündungshemmende Schmerzmittel (Antiphlogistika), z. B. Diclofenac, Ibuprofen oder Cox-2-Hemmer, eingesetzt (Bach u. Förster 2003), die allerdings keinen krakheitsmodifizierenden Effekt haben. Wichtig sind auch physikalische Maßnahmen wie die Kältetherapie bei Entzündung, die Wärmetherapie bei einer nicht aktivierten Arthrose und Krankengymnastik (Höher u. Erggelet 2003).
Eine gezielte antientzündliche Behandlung kann mit Injektionen von Kortison ins Gelenk erfolgen (Michael et al. 2010). Durch Hyaluronsäure-Injektionen ins Gelenk wird die Beweglichkeit verbessert (Engelhardt 2003). Auch die Injektion von PRP (Platelet-Rich-Plasma) kann hilfreich sein (Laudy et al. 2015; Meheux et al. 2016). Ergänzend haben sich Akupunktur, neuraltherapeutische Behandlungen und Homöopathie (z. B. Zeel®, Traumeel®, Symphytum) bewährt. Auch die Anwendung von Glukosamin-, Chondroitinsulfat-, Kollagenhydrolysat-, Gelatine- und Hyaluronsäure-Präparaten (Deal u. Moskowitz 1999; Oeser et al. 1999; Reginster et al. 2001; Pavelka et al. 2002; Bach u. Förster 2003; Bruyere et al. 2004; Uebelhart et al. 2004; Zuckley et al. 2004; Clegg et al. 2006; Bruyere und Reginster 2007; Knobloch u. Weinert 2012; Rovati et al. 2012; Feil et al. 2014), Lyprinol®, Kieselsäure, Methylsufonylmethan (MSM) sowie Teufelskralle in ausreichend hoher Dosierung kann empfohlen werden, zur äußerlichen Anwendung auch Beinwell-Salbe. Im Rahmen der Ernährung sollte auf eine ausreichende Zufuhr von basischen Lebensmitteln, Vitaminen C, D und E, Zink sowie Omega-3-Fettsäuren geachtet werden. Für alle diese Mittel liegt allerdings eine kontroverse Datenlage mit wenig Evidenz vor.
Mikronährstoffe können bei Arthrose die Symptome lindern, Entzündungszeichen mindern und die Struktur verbessern. Aufgrund synergistischer Wirkung sollten Mikronährstoffkombinationen Monosubstanzen vorgezogen sowie frühzeitig und ausreichend lang eingesetzt werden.
Ursachen wie Fehlhaltungen und Überlastungen durch Übergewicht, Beruf und Sport müssen beseitigt oder minimiert werden. Eine eiweiß- und fettbetonte Ernährung mit reduziertem Kohlenhydratanteil ermöglicht eine Gewichtsreduzierung. Gewürze wie Chili, Ingwer, Zimt, Kurkuma und Pfeffer verringern Entzündungen und aktivieren den Stoffwechsel. Weniger Getreidekonsum trägt zur Verminderung von Entzündungsstoffen bei. Gemüse, Salat und Obst wirken basisch und beeinflussen Entzündungsprozesse positiv.
Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer – Lutz Aderhold – Mit Beiträgen von Stefan Weigelt – ELSEVIER Verlag
Schmerzen und Arthrose entstehen in erster Linie durch die Nicht-Benutzung unseres Körpers, verstärkt durch eine entzündungsfördernede Ernährung. Der Bewegungsspielraum schränkt sich ein und insbesondere die Faszien (Bindegewebe) und die Muskeln werden immer unflexibler. Die veränderte Statik des Bewegungsapparates sollte durch gezielte Physiotherapie (Ernst 2003) verbessert und die gelenkstützende Muskulatur gekräftigt werden (Muskelaufbau). Mit einer speziellen Manualtherapie (Osteopressur) sowie Körperübungen können muskulär-fasziale Spannungen reduziert und eine deutliche Verbesserung der Symptomatik erreicht werden (Liebscher-Bracht u. Bracht 2017). Bandagen und Orthesen sind Hilfsmittel zur Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung (Erggelet 2003). Auch die Magnetfeldtherapie hat ihren Stellenwert in der konservativen Behandlung der Arthrose (Gierse 2003). Wiederentdeckt wurde als komplementäres Verfahren die Blutegeltherapie (Lauche et al. 2014; Michalsen 2017). Die Wirkung der Blutegel bei Kniearthrose übersteigt die Effektivität aller konservativen schmerzlindernden Therapien.
Durch operative Verfahren wie die Arthroskopie können Knorpelabrieb und Entzündungsstoffe aus dem Gelenk beseitigt werden (Bouillon et al. 2003).
Große Hoffnungen setzt man in die Züchtung und Übertragung von Knorpelzellen sowie Bildung von Knorpelersatzgewebe (Bös u. Ellermann 2003; Preis u. Erggelet 2003; Bernholt u. Höher 2003; Vogt u. Imhoff 2007; Engelhardt 2016).
Bei fortgeschrittener Arthrose hilft häufig nur noch ein künstlicher Gelenkersatz. Der Hüftgelenkersatz ist mittlerweile zu einem Routineverfahren geworden. Bewegungsschmerzen bei Gelenkarthrose lassen sich auch durch vernünftiges Verhalten lindern.
Achtung
Das Tragen von schweren Lasten sollte bei Knie- und Hüftgelenkarthrose vermieden werden.
Ruhe stellt keine Patentlösung bei Arthrose dar. Es eignen sich Sportarten mit gelenkentlastenden Bewegungen, also z. B. Radfahren, Schwimmen und Aqua-Jogging (Krauß 2016). Ob trotz bestehender Arthrose Laufsport ausgeübt werden kann, muss individuell abgeklärt werden. Zwei kürzere Trainingseinheiten am Tag werden meist besser toleriert als eine längere Einheit. Bei einem dosierten Training ist für Arthrosepatienten mehr Nutzen als Schaden zu erwarten (weitere Informationen zu „Arthrose und Sport“ unter: www.dgsp.de).
Tipp
Auf jeden Fall sollten Sie geeignete Schuhe auswählen und orthopädisch angepasste Einlagen verwenden. Eine Optimierung der Lauftechnik und stabilisierendes Krafttraining helfen, einseitige Belastungen zu vermeiden. Steigern Sie den Laufumfang vorsichtig und halten Sie Regenerationszeiten ein. Bei Schmerzen laufen Sie seltener, kürzer und langsamer.
Nutzen Sie die noch vorhandene Belastbarkeit selbstkritisch, ohne sich zu überfordern.
Untersuchungen haben gezeigt, dass durch Langstreckenlauf eine Arthrose nicht gefördert wird. Eine regelmäßige dem Befund angepasste sportliche Betätigung kann sogar eine Arthrosebildung verzögern (Verbesserung der Durchblutung, Kräftigung der Muskulatur, rhythmische Druck- und Sogwirkung verbessern den Knorpelstoffwechsel). Auch mit einem Gelenkersatz kann leichtes Lauftraining möglich sein.
Studien belegen die nicht schädigende Auswirkung einer bestimmten Sportdisziplin auf die Haltbarkeit von Hüftendoprothesen. Der Arthrosepatient und Endoprothesenträger gewöhnt sich automatisch einen gelenkschonenden Laufstil mit geringerem Kniehub und langsamerem Tempo an, womit es zu einer geringeren Krafteinwirkung auf das Gelenk kommt (weitere Informationen zu „Bewegung und Sport mit Endoprothese“ unter www.dgsp.de).
Arthrosepatienten sollten sich grundsätzlich einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle unterziehen. Biomechanische Betrachtungen legen nahe, dass manche Belastungen für Endoprothesenträger besonders geeignet sind (Radfahren, Schwimmen), andere hingegen weniger (Laufen, alpines Skifahren) (Raussen u. Zichner 2003; Clifford et al. 2005; Halle et al. 2008; Huch et al. 2009; Buza et al. 2013; Engelhardt 2016; Cassel et al. 2017).
Merksatz
Lauftraining ist meist möglich, auch wenn der geliebte Marathon- oder Ultralauf nicht mehr ratsam ist.
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Die Literaturhinweise finden Sie in:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.