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13
03
2020

Kurt Lochow, Lauflegende des Strausberger Seenlaufs 1930 - Foto: Archiv Jochen Malz

Als die Gendarmen 1900 überlistet wurden – Ein Rückblick und Ausblick von Klaus Weidt

By GRR 0

…konnte der erste deutsche Waldlauf bei Hohen Neuendorf im Jahre 1900 bestritten werden. Der wohl älteste Landschaftslauf Deutschlands fand 1924 rund um den Straussee statt.

Ursprünglich sollte der erste deutsche Waldlauf in Berlin stattfinden. So wurde der Berliner Grunewald favorisiert, da dort jeden Sonntag zig Tausende in die Ausflugslokale strömten. Da hätten die Läufer für sich und ihre Sportart in aller Öffentlichkeit werben können.

Doch der zuständige Landrat des Kreises Teltow, Ernst von Stubenrauch, war zur Jahrhundertwende ganz anderer Meinung und lehnte kategorisch den Antrag auf „Genehmigung einer Rennstrecke“ ab.

Der Initiator der Waldlaufidee, der Berliner Sport-Club Komet, gab nicht auf. Neue Vorschläge wurden eingereicht: Strecken in der Jungfernheide, in der Wuhlheide, in Köpenick und Grünau. Doch die behördlichen Genehmigungen ließen auf sich warten. Da blieb nichts weiter übrig, als in die Umgebung der Hauptstadt zu flüchten.

So gelangte man  nach Hohen Neuendorf, dem an der Berliner Nordbahn gelegenen Vorort. Dort war ein ideales Gelände entdeckt worden, bestehend aus Wiesen, Wäldern, Feldern, Hügeln und Zäunen. Da hier auch ein Schützenfest stattfinden sollte, waren sogar Gendarmen eingesetzt, die für Sicherheit und Ordnung sorgten.

Von Hohen Neuendorf nach Birkenwerder

Die Rechnung ging auf. Unbemerkt von der Obrigkeit, bestritten ganze neun Berliner Pioniere am 29. Juli 1900 den ersten Waldlauf Deutschlands. Auf dem 8,5-km-Kurs von Hohen Neuendorf nach Birkenwerder und zurück setzte sich der erfolgreichste deutsche Geher und Langstreckler jener Zeit, Johannes Böge vom veranstaltenden Verein, rechtzeitig ab und passierte das Ziel in 35:11,2 min.

Zweiter wurde der 18jährige Eugen Wagener vom Sport-Club Marcomannia Berlin, der in den Sportberichten der damaligen Zeit viel genannt wurde. 250 m nach dem Gewinner kam er in Hohen Neuendorf an und hatte u.a. seinen Zwillingsbruder Bruno abgehängt.

Übrigens war dieser Waldlauf unter der Bezeichnung „Cross Country“ ausgeschrieben worden, da die Art der Querfeldeinrennen nur im Englischen bekannt waren. England war das Herkunftsland jener Läufe, in Deutschland entwickelten sich jedoch mehr die Wettkämpfe auf Waldboden, und bereits 1910 wurde von Massenwaldläufen berichtet.

Waldlauf bei Hohen Neuendorf 1939 – Foto: Archiv Klaus Weidt

Ein Kasten Bier für den elften Sieg

Am 9. November 1924 schlug die Geburtsstunde des wahrscheinlich ältesten Landschaftslaufes in Deutschland, der noch heute stattfindet. Eigentlich war er damals nur als „Zugabe“ für eine Werbeveranstaltung der Turner des Männerturnvereins „Vorwärts“ gedacht. Doch die Resonanz war derart groß, dass der Herbstlauf im Nordosten Berlins zur Tradition wurde. Die erste Lauflegende des Strausseelaufes“ gab sein Debüt mit knapp 18 Jahren bei der dritten Auflage. Kurt Lochow, ein Schlosser, gewann zur Überraschung aller begeisterten Zuschauer die 9200 m lange Rundstrecke um einen der schönsten Randberliner Seen. Seitdem holte er sich elfmal die Siegerpokale, unter denen der gewaltige  Kelch des Vereinswirtes noch heute bewundert werden kann.

Angeregt durch die örtlichen Pferderennen wetteiferten die Jungen damals nach der Fragestellung „Wer läuft am schnellsten von Strausberg-Vorstadt bis Strausberg-Stadt?“, und Lochow rannte dann noch zusätzlich durch die Wälder am See. Als nach der mehrjährigen Lauf-Pause, bedingt durch den Krieg, am 14. Oktober im Jahre 1951 die Seenrunde  wieder belebt wurde, schrieb Organisator Franz Krüger über den Start der 57 Läufer: „Altmeister Lochow…lief in diesem Jahre wieder, und es war eine Freude, ihn laufen zu sehen. Der sicherte sich in überlegender Haltung den Wanderpreis.“

Was die wenigsten wussten: In den letzten Tagen war noch eine Wette im Freundeskreis abgeschlossen worden. Gewinnt Lochow, zahlen die Kumpels, sonst der „Meister“…

Strauseelauf 2014 – Foto: Archiv Veranstalter

Lochows Siegesserie wurde später nur noch von dem Neuenhagener Juristen Sigmar Grabow übertroffen, der es tatsächlich schaffte, 18mal zu gewinnen. Kurt Lochow lernte er noch persönlich kennen, weil der sich lange Zeit als Helfer für die Organisation zur Verfügung stellte und es sich schließlich nicht nehmen ließ, als Ehrengast bei der Seenumrundung Hände zu schütteln. Als er 1999 seinen 90. Geburtstag feierte, fuhr die Strausberger Lauflegende tatsächlich noch Rennrad…

In diesem Jahr zum 82. Mal

Man soll es kaum glauben: Dieser Strausseelauf findet am Sonnabend, den 3. Oktober zum 82. Mal statt. Er hat sich gemausert. Im Mittelpunkt steht natürlich der 9,2 km lange traditionelle Hauptlauf rund um den landschaftlich reizvollen See statt. Doch zu diesem haben sich die Organisatoren längst einiges einfallen lassen. So kann man einen „Halblauf“ über 4,1 km bestreiten und zum vierten Mal auch einen Strausberger Halbmarathon.

Strauseelauf 2015 – Foto: Archiv Veranstalter

Und wer nicht rennen will, stellt sich mit den Nordic-Walking-Stöcken auf. Das Urgestein Kurt Lochow (er wäre in diesem Jahr 100) würde sich wundern – und gewiss auch freuen…

Klaus Weidt

Der Strausseelauf findet am Sonnabend, den 3. Oktober zum 82. Mal statt

https://strausseelauf.de/

 

author: GRR