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14
06
2020

Limousin-Rinder vom Bauer Zorn - Foto: Dr. Erdmute Nieke

Allein! Allein? Gedanken beim 2. Mittsommerlauf, Plan B, in Berlin am 14. Juni 2020 von Dr. Erdmute Nieke

By GRR 0

Die wievielte Woche im Corona-Lockdown? Ich habe aufgehört zu zählen! Inzwischen ist es Sommer geworden.

Diese Woche fand ich im Briefkasten einen dicken A4- Umschlag, Inhalt: ein neongelbes Laufshirt mit dem Aufdruck „Frühaufsteher“, eine Startnummer, ein Urkundenblanko, eine Medaille, ein Beutel Kaffee, ein Müsliriegel und ein Energie-Pack, alles vom Mittsommerlauf, Plan B.

Irgendwie fühlt es sich seltsam an, eine Medaille in der Hand zu halten für einen Lauf, den ich noch gar nicht gelaufen bin. Ich räume das Paket zur Seite. Eine Mail vom Veranstalter lädt mich ein am Sonntag Morgen zwischen 4.43 Uhr (Sonnenaufgang) und spätestens 9 Uhr allein meinen 10-km-Lauf vor der Haustür zu starten und bis 9 Uhr einen Screenshot meiner Laufapp mit meiner Zielzeit an den Veranstalter zu mailen.

Gut, dass ich neuerdings eine Laufapp habe und letzte Woche auch gelernt habe, wie ich einen Screenshot von meinem Handy mache. Sonnabend Nachmittag und Nacht ziehen schwere Gewitter über Berlin.

Sonntag Morgen wache ich ohne Wecker um 5.30 Uhr auf. Der Himmel ist grau, der Regen hat aufgehört, doch das Messglas zeigt sechs Liter pro Quadratmeter und das Thermometer zeigt schon 20 Grad. Aus dem Bett und in die Laufklamotten, das Leucht-T-Shirt fällt aus, viel zu warm und außerdem nicht gegendert. Schließlich bin ich eine Frühaufsteherin.

Los geht es! Um die erste Straßenecke und der Fuchs begrüßt mich. Dann auf das Nordfeld in Heiligensee einbiegen. Bauer Zorn hat hier seine schönen braunen Limousin-Rinder, ursprünglich aus Frankreich, und auch einige Pferde stehen.

Ein Feldweg trennt die Weide in zwei Hälften, wie mit dem Lineal gezogen, am Wegesrand blühen gerade die Mohnblumen. Am anderen Ende des Feldes bewegt sich ein gelber Leuchtpunkt, er kommt näher. Das ist ja witzig: Eine Frau beim Mittsommerlauf mit einer Fahrradbegleiterin. Kurz tauschen wir uns aus: Ja, ich auch beim Mittsommerlauf gerade – viel Spaß Dir noch! Dir auch!

  Mohnblumen am Wegesrand – Foto: Erdmute Nieke

Ich bin nicht allein! Dann weiter, den Wald nehme ich heute nicht, da hatten mich vor drei Tagen nach dem ersten Regen schon die Mücken fast aufgefressen.

Die Siedlung schläft noch. Nebenstraßen und Wege kreuz und quer durch Heiligensee. Blumenladen, Tanke, Italiener – alles in vollkommener Stille, nur die Vögel sind schon wach und sogar die Schnecken spazieren oder kriechen gelassen über die Straßen. Aus einem Gartenteich höre ich Froschquaken.

Aus Langeweile zähle ich mit, insgesamt drei Hundebesitzer sind schon Gassi. Ich umrunde das Südfeld und laufe durch die Kleingartenkolonie und zurück zum Nordfeld. Da, ich bin doch nicht allein: Das Kranichpaar ist wieder da! Es steht majestätisch mit Sicherheitsabstand von den Kühen, umgeben von den Wildgänsen, die schon seit Februar auf dieser Wiese hocken. Dann nochmal an den Kühen vorbei, ein Kälbchen sieht mich und läuft weg. Wohl ungewohnt, so frühe menschliche Gesellschaft.

Ja, ich laufe den zweiten Mittsommerlauf noch in Berlin, dennoch fühlt es sich nach Dorf an! Endlich Kilometer 8, eine letzte Schleife bis zur Albrecht-Haushofer-Schule. Meine Gedanken wandern zurück. Zum Karfreitagslauf wollte ich mit den Leuten vom Lauftreff Bernd Hübner in diesem Jahr einen Stopp am ehemaligen Zellengefängnis in Moabit einlegen, dem Hinrichtungsort von Albrecht Haushofer. Er gehörte zum Kreis der Widerstandskämpfer um das misslungene Stauffenberg-Attentat am 20. Juli 1944. Er wurde noch am 23. April 1945 kurz vor Ende der Naziherrschaft hingerichtet. – – –

Was jammern wir hier und heute über Corona??? – – – Hoffe ich einfach auf den Karfreitagslauf 2021.

Meine Uhr piept Kilometer neun, ich versuche nochmal etwas Tempo zu machen. Aber das Wetter ist schon so früh am Tag absolut schweißtreibend. Mein Zieleinlauf ist etwas ungewohnt, am Erlengrabenteich piept es plötzlich schon. Ich laufe einen Meter zu viel, bevor mein Hirn sagt: Stopp an Beine und Uhr! Dann gehe ich noch wenige Meter nach Hause und lade am Computer sofort meine Zielzeit und meinen Screenshot hoch.

Später, nach dem Frühstück, pünktlich um 9.30 Uhr – ich stehe gerade in der sonntäglichen Spargelschlange – piept das Handy.

Meine Urkunde ist da. Platz 154, es gab also noch viele Allein!-Allein?-Läufer*innen.

Ich schaue später in die Ergebnisliste und lese 194 Frauen und 161 Männer haben sich auf eine 10-km-Strecke begeben und auch bei den fünf Kilometern überwiegen die Frauen, 160 zu 78 Männern. Also, liebe Veranstalterinnen, zum Mittsommerlauf 2021 möchte ich ein T-Shirt mit einer „Frühaufsteherin“ haben.

Alles in allem eine schöne Idee von der GID-ProjectsGmbH & Co. KG und der Global Rope GmbH, uns so zum zweiten Mittsommerlauf zu animieren. Die Urkunde ist ausgedruckt und die Medaille hängt bei ihrer Schwester von 2019.

Zwei Medaillen – Foto: Dr. Erdmute Nieke

Ich freue mich auf den dritten Mittsommerlauf 2021 – dann vielleicht wieder im Jungfernheidepark?

Dr. Erdmute Nieke

 

https://germanroadraces.de/?p=151516

 

 

 

 

 

 

author: GRR