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Der Willi sieht heute komisch aus!
Impressionen vom dritten Müggelturm-Halbmarathon am 18. März 2018 in Berlin von Dr. Erdmute Nieke
Kurz nach 8 Uhr beim Losfahren zeigt das Autothermometer vier Grad – minus! Das Ziel: Strandbad Wendenschloss in Köpenick. Auf dem kurzen Fußweg zum Strandbad, wo es die Startunterlagen gibt, frieren mir die Finger in den Handschuhen ein, ganz schnell mit der letzten Restwärme die Sicherheitsnadeln für Startnummern öffnen und schließen. Kalter Gegenwind lässt es kälter als vier Grad erscheinen. Aber Läufer*innen sind auch vom Wettergott nicht klein zu kriegen. Gespräch in der DIXI-Schlange: Es könnte schlimmer sein, die Sonne scheint heute herrlich und auf der Hälfte der Strecke haben wir Rückenwind.
Pünktlich um 10 Uhr stehen 254 Halbmarathonis und 337 Zehner am Start und freuen sich aufs Bewegen. 195 Fünfer starten später. Eine herrliche Strecke, bei meinem dritten Mal kenne ich sie nun schon, die ersten drei Kilometer geht es gleich gut bergauf auf den Höhenzug mit dem Müggelturm. Heute bekomme ich es gut hin, mich an diesem Anstieg nicht von den anderen ziehen zu lassen, sondern mein Tempo zu laufen. Dann geht es durch den Köpenicker Forst hinunter an den Langen See, eigentlich ist es die Dahme. Jetzt kommt wirklich der berühmte Rückenwind und es geht zurück zum Seebad. Die Zehner dürfen ins Ziel, die Halbmarathonis in die zweite Runde. Die Strecke führt über eine zwar bergfreie und naturreiche Waldschneise, aber komplett mit Gegenwind. Zum Glück – die Helfer*innen sind die wahren Helden heute – gibt es warmen Tee auf der Hälfte.
Dann kommt der Zeltplatz „Kuhle Wampe“! Dieser Ort ist von zwei Seiten mit Wasser umgeben: der Dahme und der Großen Krampe. Ein Film hat diesem besonderen Platz ein Denkmal gesetzt: 1932 ist „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?“ in Moskau uraufgeführt wurden. Bert Brecht hat das Drehbuch geschrieben und Hanns Eisler die Filmmusik. Der Film zeigt die Armut der Arbeiter*innen im Berlin der 20er Jahre. Ich sah diesen Film, als ich in den 90ern Jahren nach Berlin kam, im Kino des Deutschen Historischen Museums. Von da an hatte „Kuhle Wampe“ einen Platz in meinem Kopf. Nun laufe ich schon zum dritten Mal an diesem Zeltplatz vorbei. Heute stehen nur gut verpackte Wohnwagen da.
Jetzt geht es wieder mit Rückenwind am Ufer des Langen Sees zurück. Herrliche Ausblicke über das Wasser und auf den Höhenzug des Müggelturmes verkürzen den Weg. Vertieft in Gedanken im berühmten Laufmodus, denke ich: Der Willi sieht heute komisch aus! Der – mein – Lauftreff Bernd Hübner trainiert viel im Grunewald, da sehen wir öfter den Grunewaldturm, im Läufer*innen-Mund „Willi“ genannt. Er wurde 1897 errichtet und erinnert an den deutschen Kaiser Wilhelm I., der 1888 gestorben war. Der Müggelturm ragt mit seiner DDR-Architektur in weiß seit 1961 in den blauen Berliner Himmel. Dann die letzte Kurve, das Strandbad kommt in Sicht. Es ist geschafft!
Nur eine Frau lässt sich heute von der Kälte nicht stören und steht in Evas Kostüm im Strandbad. Im Netz finde ich, dass es „die Badende“, eine Bronze von Walter Lerche aus der Nachkriegszeit ist. Beim Umziehen im Badehaus ist es so kalt, dass alle Läufer*innen weiße Atemwölkchen produzieren. Umgezogen, noch schnell die Urkunde abholen, und eine echte Überraschung erleben: Ich bin in meiner Altersklasse auf dem zweiten Platz. Der Veranstalter versteht es mich zu motivieren. Auf dem Treppchen erhalte ich ein Buch über Haile Gebrselassie!
Was bleibt von diesem sonnig-kalten Sonntag in Köpenick? Ein großer Dank an alle Helfer*innen und den Veranstalter (VfL Fortuna Marzahn)! Möge der Lauf in den Frühling – so der Untertitel der Veranstaltung – den Frühling herbei zaubern. Und: Hoffentlich 2019 wieder diese wunderbare Strecke zwischen Wald, Wasser und Geschichte laufen können!