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09
07
2021

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Frühstücken. Fahren. Essen. Schlafen – der Tag des Nils Politt in Frankreich – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Eigentlich soll er auf dieser Tour die Sprints anziehen und Wasser für seine Chefs holen. Doch am Donnerstag war alles anders, weil Peter Sagan, der Star im deutschen Bora-hansgrohe-Team, wegen einer Verletzung aufgeben musste.

„Da wurden die Aufgaben anders verteilt“, sagt Nils Politt aus Köln. Also durfte er auf der 12. Etappe nach Nimes gleich zweimal kräftig in die Pedale treten:

Beim ersten Mal hat er auf diese Weise die Spitzengruppe gesprengt, beim zweiten Mal – 11,8 Kilometer vor dem Ziel – ist er dann allen anderen auf und davon gefahren.

Womit Politt für den 91. Tagessieg eines Deutschen in der Geschichte der Tour de France gesorgt hat.  Zuletzt hatte Lennard Kämna 2020 in Villard-de-Lens gewonnen, sein heutiger Teamkollege, der aber diesmal nicht dabei ist. Deutscher Rekordsieger aber bleibt Marcel Kittel, der zwischen 2013 und 2017 nicht weniger als 14 Etappen für sich entscheiden konnte. Insgesamt 27 deutsche Fahrer tauchen nun in der Siegerliste der Frankreich-Rundfahrt auf. Den ersten schaffte 1932 der Berliner Kurt Stöpel.

Aber zurück zu Nils Politt. Er hat natürlich Bammel vor den Pyrenäen, in die es an diesem Wochenende hinein geht. Warum? „Ich komme sie zwar gut hoch, aber im Vergleich zu den Spezialisten, die nur 60 bis 70 Kilo wiegen, bin ich mit 1,92 Metern und 80 Kilo im Nachteil. Das heißt: Ich fahre etwas langsamer rauf.“  Wobei er schon gewisse Erfahrungen hat. Mittlerweile ist Politt nämlich bereits zum fünften Male dabei.

Wie er das beschreibt, das Leben auf der Tour?

„Aufstehen. Frühstücken. Transfer zum Start. Etappe fahren. Transfer ins Hotel. Massage. Abendessen. Schlafen – immer so zwischen acht und neun Stunden. Am nächsten Tag wiederholt sich dann alles. Das ganze dann drei Wochen lang.“

Vielleicht bekommt Politt in der letzten Tour-Woche noch einmal Gelegenheit, mit einer Spitzengruppe früh weg zu fahren, ansonsten aber hat er jetzt seine Arbeit für seinen niederländischen Kapitän Wilco Kelderman zu verrichten. Der Holländer ist gerade noch eineinalb Minuten von einem Podestplatz in Paris entfernt, den er im vorigen Jahr beim ebenfalls dreiwöchigen Giro d‘Italia schon einmal erklommen hatte – also soll es jetzt auch auf der Tour de France klappen. Mit Hilfe von Nils Politt.

Für solche Aufgaben wurde er von seinem Team 2020 angeheuert, das aber vor allem auf seine Fähigkeiten bei den weltberühmten Eintags-Klassikern im Frühjahr setzt. Schließlich fuhrt Politt bereits 2019 als Fünfter ins Ziel der Flandern-Rundfahrt; den Kopfstein-Klassiker von Paris nach Roubaix beendete er sogar als Zweiter, hinter dem Belgier Philippe Gilbert.

Wie er die beiden Super-Rennen einschätzt?

„Also von den Beinschmerzen her, ist die Flandern-Rundfahrt noch einmal ein Stück härter, als Paris-Roubaix, weil du da die Berge hoch musst. Und wenn du irgendwann mal nichts mehr in den Beine hast, musst du dein Fahrrad halt hochschieben.“ Eine elende Quälerei. Doch das sind die Politts gewöhnt. Nils wurde schließlich in eine Radsport-Familie hinein geboren. Opa Josef Vogt, Onkel Alexander und Heiner, Vater Jörg – sie alle sind schon Rennen gefahren. Von seinem Opa hat Nils übrigens sein erstes Rennrad geschenkt bekommen.

Meistens trainiert er auch auf jenen Straßen, auf denen schon sein Vater und sein Großvater trainiert haben. Nils fährt, wenn es möglich ist, dann oft gemeinsam mit Andre Greipel. Und weil noch einige andere Profis um Köln herum wohnen, trifft man sich, wann immer es passt, zu gemeinsamen Trainingsrunden. Nach einer Nachricht per WatsApp: „Morgens Treffpunkt um zehnUhr am Feldweg.“ Meistens geht es dann in Richtung Eifel – etwa sechs Stunden lang. Aber mit Power, mit viel Power!

Vorbereitungen, die dem 27jährigen auf der Tour helfen. Wie jetzt sogar zu einem unverhofften Etappensieg. Es muss ja nicht der Letzte dieser Art gewesen sein.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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