Lauf durch Cairo - Foto: Cairo Runners
Freitags laufen Tausende in Kairo – In nur 30 Jahren hat sich eine ägyptische Laufszene beeindruckend entwickelt
Mit Ibrahim Safwat, dem Gründer und Managing Director der Cairo Runners sprach Christel Schemel
Wer hätte es sich noch vor drei Jahrzehnten vorstellen können? Nach dem 1. Ägypten-Marathon 1994 haben die Medien in ganz Ägypten ihren Lesern und Hörern immer wieder das Wort „Marathon“ erklären müssen. Doch dann war die Laufbewegung im Land am Nil buchstäblich nicht mehr aufzuhalten:
Zu den Luxor-Läufen gesellten sich in 20 Jahren Läufe durch die Wüste, in Sinai am Berg Moses, in Sharm El Sheikh und im ägyptischen Kurort El Gouna am Roten Meer.
Im Dezember 2012 verabschiedete sich der erfolgreiche Sales Manager Ibrahim Safwat von der Firma Bosch in Kairo. und widmete sich einem Traum.
Er gründete im Dezember 2012 mit Freunden die „Cairo Runners“. Damit begann eine neue Ära des Laufens in Ägypten, die tief beeindruckend ist.
„Wie kam es überhaupt zum Entschluss , einen „Laufclub“ in Kairo zu gründen?
Ibrahim: Die Idee war, dass wir etwas Neues in die Straßen unserer Hauptstadt bringen wollten. Ein Jahr zuvor fand der „ägyptische Frühling“ statt, und auch wir bekamen von diesem Wind etwas ab. Viele junge Leute erhielten Auftrieb und bekamen Mut, etwas Neues zu versuchen. So entstanden viele kühne Pläne. Ich traf mit Freunden zusammen und trug meine Gedanken vor, dass wir doch eine Laufgruppe gründen könnten, um gemeinsam durch die Straßen von Kairo zu joggen.
Diese Idee war ja irgendwie irrational, bei diesem Verkehr in der 21-Millionen-Stadt…
Ibrahim: Ja, das stimmt. Meine Freunde waren erst skeptisch, denn in Kairo laufen, ist ja fast unmöglich. Und dazu wollten wir auch Frauen für das Laufen gewinnen. Auch das war und ist immer noch etwas Ungewöhnliches bei uns. Also initiierten wir ein Modell. Wir wollten uns von nun an jeden Freitagmorgen treffen, denn der Freitag ist in Ägypten der arbeitsfreie Tag der Woche. Um sieben Uhr sollte jeweils immer der Start sein, weil zu dieser Tageszeit wenig Autos fahren. Wir suchten entsprechende Plätze und Straßen für die ersten Freitagsläufe aus. Mit 4 Kilometern im Stadtteil Zamalek, in Nähe des Nilufers, begann es. Zamalek wurde somit die Wiege unserer Laufgeschichte. Dann verlängerten wir von Freitag zu Freitag die Strecke immer um einen Kilometer. Bald liefen wir zehn im Stück und lernten nach und nach auch einen Halbmarathon durchzulaufen. Nach einem halben Jahr hatten wir unser Ziel erreicht. Die Gruppe war auf mehr als 1.300 Halbmarathon-Läufer, auch viele Frauen darunter, angewachsen.
Ein großartiges, für uns kaum vorstellbares Ergebnis. Wie lief es dann weiter?
Ibrahim: Damit erst gar keine Langeweile aufkommt, änderten wir die Trainingsorte. So konnten die Teilnehmer gleichzeitig ihre riesige Stadt kennenlernen, Sehenswürdigkeiten entdecken und Freundschaften schließen. Wir gaben die Strecken, die Startorte immer per Handy rechtzeitig bekannt. Unsere Zusammenkünfte blieben damit für alle sehr lebendig und interessant. Nach einem Jahr sahen wir unsere Grundidee als erfüllt an.
Ihr wolltet also nach einem Jahr aufhören?
Ibrahim: Ja, das Projekt war eigentlich nur für ein Jahr gedacht. Jeder hatte seine Arbeit, sein Studium, sein eigenes Leben. Wir waren gute Freunde und Verwandte und meinten, dass so ein Vorhaben nur für ein Jahr lang ehrenamtlich realisiert werden kann. Aber im Verlaufe des Jahres erfuhren wir auch, dass sich die Läufer mit der neuen Idee sehr identifiziert hatten. Für viele wurde es eine Leidenschaft, die sie und uns nicht mehr losließ. Selbst Sponsoren freundeten sich mit unserer Idee an. Also machten wir doch weiter und lernten von Mal zu Mal hinzu. Heute wissen wir viel über das Management von Laufveranstaltungen und über die Betreuung von Läufern.
Jeden Freitag in einem andere Stadtteil: Mehr als 2000 kommen zu den Lauftreffs – Foto: Cairo Runners
Wie ist die heutige Situation bei den Cairo Runners?
Ibrahim: Wir betreiben inzwischen ein Büro mit acht Mitarbeitern. Als wir im April 2019 unseren ersten Kairo-Marathon organisierten, hatten wir mehr als 600 Volontäre und 60 Mitarbeiter für das Organisationsbüro gewonnen. Der Zuspruch war enorm. Die Lauftreffs fanden trotz Corona weiterhin jeden Freitag statt. Hierfür waren 40 bis 50 ehrenamtliche Helfer unentbehrlich, da Hunderte freitags zum Training kamen und 2500 und mehr Lauf-Fans es inzwischen sind.
Welche Strecken bietet ihr an, wie werden die laufenden Frauen in Kairo betrachtet?
Ibrahim: Zu unserer Laufbewegung gehören ca. 65 Prozent Männer und 35 Prozent Frauen. Die meisten zwischen 18 und 39, aber auch Läufer über 70 Jahre sind dabei. Familien kommen mit ihren Kindern, worüber wir uns sehr freuen. Wir bieten Strecken von 2 km, 5 km und 10 km an. Wir veranstalten auch Halbmarathon und Marathon. Auch haben Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, aktiv dabei zu sein. Die Frauen sind voll integriert. Sie laufen innerhalb der Gruppe mit uns. Werden sie mal angepöbelt, reden unsere Männer mit solcher Person. Dann laufen wir mit den Frauen gemeinsam weiter. Die Trainingsgruppe bleibt also immer zusammen. So fühlen sich unsere laufenden Frauen immer beschützt.
Frauen laufen heute ebenfalls in Kairo, was früher undenkbar war – Foto: Cairo Runners (r.)
Wo liefen die Cairo Runners in ihrer bisherigen Geschichte?
Ibrahim: Wir laufen in allen Bezirken von Kairo. Unsere Philosophie bleibt bestehen, dass alle Teilnehmer ihre Stadt kennenlernen sollen, aus der Perspektive eines Läufers. Wir verlassen aber auch hin und wieder Kairo zu Trainingsläufen und Wettkämpfen in Luxor, Assuan, Alexandria, in El Gouna am Roten Meer oder im herrlichen Sinai. Unser Kairoer Halbmarathon mit seinen 7000 Beteiligten war eines der größten Laufsportereignisse Ägyptens. An diesem Tag veranstalteten wir auch einen 7-km-Lauf und einen 1-km-Fun Run für Familien. Damit hatten an einem Tag viele Menschen Spaß am Sport und waren glücklich. Auch lieben wir spektakuläre Events wie Schatzjäger-Läufe, Hindernisläufe, auch Trainingscamps. Der Kairo-Marathon durch die Altstadt vor zwei Jahren war der bisher schönste Lauf unserer Geschichte mit 3000 Teilnehmern. Wir sind so stolz darauf. Alle liefen glücklich durch das historische Kairo entlang des Nils. Ein Traumlauf!
Wir stellen uns bereits vor, beim Kairo-Marathon 2022, der für Oktober geplant ist, dabei zu sein…
Ibrahim: Da seid ihr schon heute herzlich eingeladen. Vielleicht unternehmen wir mit Euch eine Ägypten-Lauftour mit Stationen, Kairo und El Gouna und Kultur in Luxor und Alexandria! Bleiben wir doch in guter laufender Verbindung, ja?
Weiterführende Informationen im neuen Bildband „Laufen in Ägypten“ mit interessanten Geschichten von Klaus Weidt/Christel Schemel, für nur 15 €, auch zu bestellen über German Road Races.
Und hier das BUCH:
Laufen in Ägypten – eine laufkulturelle Zeitreise und Erfolgsstory …
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