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25
04
2021

Michael Reinsch - Foto: Horst Milde

Schuhe machen Beine – Die Carbon-Federung in den Laufschuhen ist als technischer Fortschritt zu verstehen. – Michael Reinsch In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Gold ist im Schuh. Nicht auf die märchenhafte Erzählung der Brüder Grimm muss man sich heute einen Reim machen, sondern auf die nicht minder phantastischen Berichte von den Laufstrecken der Welt.

Aus Istanbul war am Ostermontag zu hören: Die Kenianerin Ruth Chepngetich hat dort den Weltrekord im Halbmarathon um 29 Sekunden unterboten; nach 1:04:02 Stunden war sie im Ziel, drei Sekunden über einer vor kurzem unerreichbar scheinenden 63-Minuten-Zeit.

Yalemzerf Yehualaw aus Äthiopien, Zweite in 1:04:40, ist nun die Nummer drei der Bestenliste, und Hellen Obiri, die kenianische Weltmeisterin auf der Bahn über 5000 Meter sowie im Cross, legte als Dritte, elf Sekunden hinter ihr, das stärkste Debüt auf die Straße, das je eine Frau auf dieser Distanz gab.

Ein Wunder, dass nicht auch im Rennen der Männer der Weltrekord fiel. Der Kenianer Kibiwott Kandie brauchte bei seinem Sieg über den dreimaligen Weltmeister Geoffrey Kamworor in 59:35 Minuten gut zwei Minuten länger als bei seinem Weltrekord von Valencia vor einem Vierteljahr (57:32). Vor 28 Jahren durchbrach Moses Tanui als Erster auf den 21,0975 Kilometern die Marke von einer Stunde. Inzwischen laufen Hunderte in dieser Dimension.

Denn: Carbon ist im Schuh. Nike hat bei den Olympischen Spielen von Rio 2016 Läuferinnen und Läufer wie Marathon-Sieger Eliud Kipchoge mit Prototypen ausgestattet, deren Sohlen Platten aus Kohlenstofffasern enthielten. Diese „Vaporflys“ returnieren die Energie des Aufpralls und machen – Athleten schwören drauf – um einige Sekunden schneller pro Kilometer. Geschlagene und Beobachter beklagten „mechanisches Doping“ und forderten ein Verbot. Inzwischen hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die Carbon-Federung als technischer Fortschritt zu verstehen ist wie jener in der Entwicklung des Stabhochsprungs; niemand springt mehr mit Bambusstäben.

Bedingung ist, dass es die Schuhe im Laden zu kaufen gibt. Nahezu jeder Hersteller bietet sie inzwischen an. Eine Rekordflut wie derzeit im Laufen gab es wohl noch nie.

Dennoch reicht es nicht für jeden. Bei der Olympia-Qualifikation des britischen Verbandes im Marathon vor einer Woche in London siegte Chris Thompson (2:10:50 Stunden) in handgeschwärzten Schuhen.

Der Läufer wird von der Schweizer Marke On gesponsert, und diese braucht noch ein bisschen, bis ihre Carbon-Renner konkurrenzfähig sind. Also erlaubten sie Thompson, in Nike-Schuhen ins Rennen zu gehen. Hauptsache, diese waren nicht zu identifizieren. Ihr Mann sollte nicht das Aschenputtel des Laufsports sein.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 7. April 2021

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

author: GRR