Benedikt Hoffmann auf dem Weg zu einem seiner wichtigsten Siege in Zermatt (2019, hier mit Startnummer 6 hinter Andy Wacker/USA). - Foto: Wilfried Raatz/ wus-media UG
Marathonclimb auf dem Laufband – Benedikt Hoffmann hat sich Stück für Stück international einen Namen gemacht
Einer konkreten Disziplin ist er jedenfalls nicht zuzuordnen – Hier 50 km- und 100 km-Erfolge, dort hochalpine Marathonerfolge in Zermatt und am Stilfserjoch – In der Corona-Pandemie läuft der 35jährige einen Weltrekord auf dem Laufband
Es hat gewiss schon etwas mit dem Lockdown der Corona-Pandemie zu tun, wenn ein leidenschaftlicher Berg- und Trailläufer auf einem sicherlich high-tech-Laufband einen simulierten Bergmarathon mit einer 10%igen Steigung bestreitet. Das Ergebnis jedenfalls ist exzellent, denn mit 3:50:55 Stunden schaffte Benedikt Hoffmann die Marathondistanz mit 4199 Höhenmetern einen neuen Weltrekord im „Marathonclimb“.
„Auf dem Laufband ist dies eine ganz spezielle Geschichte“, grundnüchterner Tenor des inzwischen in Stockach am Bodensee beheimateten Läufers. „Da die großen Bergläufe wie die eigentlich eingeplanten Zermatt- und Jungfrau-Marathon ebenso abgesagt wurden wie auch die Meisterschaften, habe ich aus der Not heraus im Juni meinen eigenen Wettkampf organisiert!“ Und hatte richtig starken Erfolg damit. Wie auch unter „Normalbedingungen“ in der Vor-Corona-Phase im Februar, als er beim Lahntallauf in Marburg noch eine deutsche 50 km-Jahresbestzeit mit 2:57:41 Stunden aufstellen konnte. Damit hatte ich wenigstens schon einmal etwas im Sack!“
Naturgemäss wären eigentlich Organisatoren von Berg- und Trailläufen bei allen Einschränkungen in der privilegierten Situation, mit den nötigen Abstandsvorkehrungen ihre Events durchführen zu können. Doch vieles wurde vorzeitig abgesagt. „Erfreulich, dass die Traillaufszene alles in Bewegung gesetzt hat, was eben ging. Die Veranstalter waren dabei sehr einfallsreich und haben mit ausgeklügelten Hygienekonzepten Wettkämpfe möglich gemacht“. So stand Benedikt Hoffmann Ende Oktober auf den Azoren beim Finale der Golden Trail Championships an der Startlinie. Bei einem virtuellen Lauf im Taunus hatte sich der für die TSG Heilbronn startende 35jährige Lehrer einer Berufsschule für das hochkarätige Finale qualifiziert. „Eigentlich eine geniale Idee, denn beim Golden Trail Segment Germany, wird eine bestimmte Strecke als virtueller Lauf ausgewiesen – und somit eine absolute Vergleichbarkeit erreicht!“
Für Bene jedenfalls hat sich der Aufwand für Faial und Pico auf den Azoren gelohnt, denn unter 170 Finishern belegte er bei teilweise widrigen Bedingungen nach den vier Etappen mit Distanzen zwischen 24,1 und 30,8 km und 1200 Höhenmetern in der Gesamtzeit von 10:24:25 Stunden den 23. Platz. „Die Veranstaltung war bestens organisiert, auch unter den hygienischen Bedingungen. Somit konnte ich mich mit der internationalen Elite der Trailszene messen – und einen super Saisonabschluss erreichen!“
Überraschend gewann dabei an der Spitze des Elitefeldes der Pole Bart Przedwojewski vor dem WMRA-Langdistanz-Weltmeister Jim Walmsley. „Virus-Testungen gehören derzeit einmal dazu, wenn man auf Auslandsreisen ist. Das war natürlich hier besonders ausgeprägt, was allerdings auch verständlich ist!“ Ansonsten sind für ihn die AHA-Regeln wichtig, vor allem, wenn das Immunsystem durch ein hochintensives Leistungssport-Training ehedem anfällig ist.
Angesichts des Lockdowns mit einem äußerst geringen Wettkampfangebot ist natürlich die Motivation zu einem qualitativen Training ein extrem wichtiger Faktor. „Ich hatte eigentlich damit keine Probleme, denn dazu laufe ich zu gerne. Natürlich war durch den veränderten Wettkampfkalender die Unsicherheit groß, auch weiterhin zielgerichtet zu trainieren“. Anstelle hoher Umfänge standen verstärkt Tempoläufe auf dem Programm, die Umfänge betrugen dabei 150 bis 180 Wochen-km, verschiedentlich aber auch 200 km in der Woche.
Das verordnete „Homeschooling“ war zudem ein Vorteil, wenn Beruf, Familie und Leistungssport vernünftig zu koordinieren sind. „So konnte ich bereits 10 Minuten nach dem Unterricht bereits in den Laufschuhen stehen!“ Benedikt Hoffmann ist ein Spätstarter in Sachen Laufsport. Bis 17 spielte er Fußball, war allerdings auch mit den „durchgetretenen Fußballschuhen“ auch privat schon laufender Weise unterwegs. „Ich habe dann verstärkt Triathlon und Duathlon gemacht, meine Stärken lagen aber dabei schon beim Laufen. Ab 2012 hat es mir dann aber der Berglauf angetan…“.
Seit 2013 ist Benedikt Mitglied der Berglauf-Nationalmannschaft. Zum Einstieg schaffte er bei der EM im bulgarischen Borovets mit Rang 12 eine Topplatzierung, 2015 folgte bei den Langdistanz-Weltmeisterschaften im slowenischen Podbrdo mit Platz 5 bereits der Sprung unter die Top-acht, seine international bislang beste Platzierung. Allerdings: Bei deutschen Berglaufmeisterschaften reichte es bislang noch nicht zum Titel, den holten sich die Nationalteamkollegen. Titelträger hingegen wurde er über die 100 km-Distanz 2017 in Berlin (6:48:14).
Den international wertvollsten Erfolg durfte Benedikt Hoffmann beim Gornergrat Zermatt-Marathon 2019 erringen, als er überraschend vor Shaban Mustafa, Francois Leboeuf und Andy Wacker gewinnen konnte. „War schon toll, zumal ich erst der zweite Deutsche bin, der diesen traditionsreichen Bergmarathon gewinnen konnte!“ Aber nicht nur der Zermatt-Marathon wird in der Historie den Namen Benedikt Hoffmann in den Siegerlisten verzeichnet haben, sondern auch der Stelvio-Marathon mit dem Ziel am Stilfserjoch in 2.757 m Höhe. „Bei gleichmäßig steilen Anstiegen habe ich meine Stärken, insbesondere, wenn es wie beim Stelvio-Marathon auf der Straße hinauf geht!“ Schwächen sieht er allerdings noch im Downhill-Bereich („aber das bekomme ich auch zunehmend in den Griff!“)
Natürlich sind nicht zuletzt durch die Erfolge der Gornergrat Zermatt-Marathon und der Stelvio-Marathon seine Lieblingsläufe, aber auch der Branchen-Krösus Jungfrau-Marathon, den er übrigens 2017 als Sechster finishte. Und dieser steht wiederum auch für 2021 im persönlichen Terminkalender. Bei seinen Trainingsläufen in seiner neuen Bodensee-Heimat kommen schon einmal rasch 1000 Höhenmeter zusammen. „Natürlich fehlen hier die langen Anstiege, deshalb fahre ich regelmäßig in die Alpen zum Training“. Im coronageschüttelten Jahr 2020 konnte er mit dem angesagten Laufschuhhersteller ASICS einen neuen Ausrüster präsentieren. „Es ist toll, als deutscher Läufer in dem neu formierten internationalen Trailteam dabei zu sein!“
Ihn auf eine bestimmte Disziplin festzulegen, das ist bei Bene unmöglich, denn der Schützling der Lauflegende Manfred Steffny ist sowohl im klassischen Berglauf, im Landschaftslaufen auf festem Terrain oder auf schmalen Trails angesiedelt wie auch auf den Ultradistanzen über 50 und 100 Kilometer. National zählt er zu den Besten seines Metiers im landschaftlich orientierten Bereich, international hat er sich in den letzten fünf, sechs Jahren allerdings auch peu à peu bereits einen guten Namen gemacht.
Mit einem Sieg beim Trail „Ultra Sierra Nevada“ in Spanien über die Marathondistanz mit 2700 Höhenmetern bergauf und 1400 Höhenmetern bergab begann die Saison 2021 sehr erfolgreich. Auch wenn die Pandemielage in Spanien keineswegs besser ist als in Deutschland konnte dieser Lauf dank eines guten Hygienekonzepts durchgeführt werden.
Die Vulkane des Hegaus nahe seines Wohnorts Stockach reichten dabei offensichtlich aus, um neben 200 Wochenkilometer auch einmal in der Woche 1500 bis 2000 Höhenmeter zu absolvieren.
Schon kurz nach dem Start entwickelte sich mit dem Spanier Ricardo Cherta Ballester ein abwechslungsreiches Rennen, das Benedikt Hoffmann letztlich in der neuen Streckenrekordzeit von 3:23:17 Stunden gewinnen konnte.
Entnommen aus: Wilfried Raatz „Berglauf-Journal 2021“, Verlag wus-media UG, www. Berglauf.info
Das Berglauf-Journal 2021 – Direktbezug über wus-media UG, Thujaweg 4, 76149 Karlsruhe – Cover: Verfasser