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02
12
2020

Skilanglauf - Symbolbild - swiss-image.ch/Photo Andy Mettler

SKILANGLAUF: Warum ausgerechnet zwei Schotten die Szene aufmischen – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

HAMBURG – Zwei Schotten im Schnee – so etwas wäre im Schweizer Nobel-Skiort St. Moritz nicht einmal der Erwähnung wert.

Doch beim Weltcup-Auftakt der Skilangläufer schauten die Konkurrenten mit Respekt auf deren Platzierungen: sechster Rang für den 30-jährigen Andrew Musgrave, 14. Platz für dessen zwei Jahre jüngeren Mannschaftskollegen Andrew „Andy“ Young. Erreicht im lappländischen Ruka,  gelaufen auf der klassischen 15-Kilometer-Distanz, im freien Stil. Weltklasse!

Zumal die beiden Schotten weit vor dem ersten Super-Profi aus Schweden und noch sehr viel früher vor dem ersten Deutschen das Ziel erreicht hatten. 
Bei den Weltklasse-Läufern aus Schottland – im skandinavisch und russisch geprägten Skilanglauf noch immer ein wenig exotisch anmutend – löste das allerdings keine überschäumende Freude aus; denn dergleichen sind die Beiden seit Jahren gewohnt. Musgrave, zum Beispiel, hatte bei den Weltmeisterschaften 2017 im finnischen Ski-Mekka Lathi in der Königsdisziplin, dem 50-Kilometer-Rennen mit Massenstart, als Vierter nur knapp einen Medaillen-Rang verpasst. Als er 2018 auch noch als Olympia-Siebter aus Südkorea zurückkehrte, feierte dessen französischer Ski-Ausrüster Salomon ihn als „diszipliniertesten Skilangläufer der Welt.“  

Andy Young galt da schon als einer der Vielseitigsten seiner Szene: Mit Podestplätzen im Sprint und im Distanz-Rennen über 15 Kilometer. Saisonziel der beiden Schotten sind nun die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften 2021 in Oberstdorf, ganz besonders der Programmpunkt „Teamsprint“ am 28. Februar, ab 13 Uhr. Denn dann treten nicht irgendwelche hochdotierten Skandinavier, auch keine Russen oder Nordamerikaner, sondern die beiden Schotten Musgrave und Young als Top-Favoriten an.

Daheim, in Großbritannien, wird das jedoch kaum jemanden interessieren, spielt der Skisport – besonders der nordische – nur ein geduldetes Nischendasein. Selbst in einem Weltblatt, wie dem „Guardian“, oder bei der hoch angesehenen BBC ist der Skisport bis heute nicht wirklich angekommen.

Dabei gibt es ihn. Und jeder kann ihn jederzeit vor Ort besichtigen. Als wir im Herbst durch die schottischen Highlands fuhren, erblickten wir zwischen zwei Schafherden urplötzlich rechter Hand einen Pfeil, versehen mit dem Hinweis „Huntly Nordic Skiclub“; leider aber auch versehen mit dem Aufkleber „Teestube geschlossen“. Wir haben dann in Huntley, einem Nest mit etwa 5000 Einwohnern, unseren Fünf-Uhr-Tee genossen und dort ohne Umschweife erfahren, dass im „Huntly Nordic Skiclub“ die gesamte VIERKÖPFIGE Ski-Olympiamannschaft Großbritanniens zu Hause sei. Dass aber die beiden Super-Stars Mungrave und Young dort nur aller Jubeljahre vorbei schauen würden, weil beide ihre Zelte längst in Norwegen aufgeschlagen hätten – Mungrave mittlerweile nun schon über zehn Jahre lang. 

Musgrave hatte zuvor mit seinen Eltern schon auf den Shetland-Inseln und in Alaska gelebt. Dort hat er, im zarten Alter von fünf Jahren, das Skilaufen erlernt. Zuerst Snowboarden, später Langlauf. Heute lebt er in der Nähe von Trondheim, studiert Technologie in Oslo, ist aber eigentlich Ski-Profi mit einem notorischen Hang zum Angeln. Mitunter reist er im Sommer nach Schweden, um dort im Skitunnel von Torsby zu trainieren. 

Andrew Young wiederum hat mit Hilfe seines Vaters, eines Rubgy-Trainers, in dem legendären norwegischen Trainer, Wissenschaftler und Buch-Autor Per Nymoen einen Betreuer von besonderem Rang gefunden. Auf Skibrettern stand er übrigens erstmals mit zwei Jahre

Zwei Schotten im Schnee, die es sich partout in den Kopf gesetzt haben, den Skilanglauf daheim so populär zu machen, wie den Radsport. „Vor fünfzehn Jahren“, sinniert Musgrave, „galten Radrennen noch geradezu als unbritisch. Doch seitdem haben fast nur noch Briten die Tour de France dominiert. Warum sollte das nicht auch mit dem Skilanglauf gelingen?“

Und Young ergänzt: „Er ist schließlich ganzjährig zu betreiben und verlangt vollen körperlichen Einsatz.
Warum also abseits stehen?“ 
Ja, warum?

 

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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