Richard Ringer - Foto: LondonMarathonEvents
Richard Ringer vor seinem Marathon-Debüt 2020: Bereit für die Olympia-Norm
Gut zwei Jahre nach einem eindrucksvollen Rennen als Tempomacher beim Mainova Frankfurt-Marathon wird Richard Ringer am Sonntag in Valencia sein Debüt über die klassische Distanz laufen.
Der 31-Jährige, der in Unteruhldingen am Bodensee zu Hause ist und für den LC Rehlingen startet, bringt aufgrund einer sehr guten Grundschnelligkeit exzellente Voraussetzungen mit für eine erfolgreiche Marathon-Karriere.
Es wäre keine Überraschung, sollte der 10.000-m-Europacup-Sieger von 2018 bei dem reinen Eliterennen in Spanien auf Anhieb die Olympianorm von 2:11:30 Stunden unterbieten.
„Der Mainova Frankfurt-Marathon war ein Erlebnis. Es hat mir damals viel Spaß gemacht, und seitdem habe ich richtig Lust bekommen auf die Marathondistanz“, erzählt Richard Ringer, der 2018 bei windigem Wetter für Arne Gabius bis Kilometer 31 Tempo machte und mit Zwischenzeiten von 64:52 Minuten (Halbmarathon) und 1:32:40 (30 km) ein Tempo im Bereich zwischen 2:09 und 2:10:30 Stunden lief.
Der deutsche Marathon-Rekordler (2:08:33), der Richard Ringer ein paar Monate zuvor selbst für die Tempomacher-Rolle gewonnen hatte, war danach beeindruckt von der Leistung seines „Hasen“: „Ich glaube, wir haben heute den Beginn einer großen Straßenlauf-Karriere von Richard gesehen“, sagte Arne Gabius, der Richard Ringer auch zutraut, eines Tages den deutschen Marathon-Rekord zu brechen. Die Bestzeiten von Ringer über die 5.000- und 10.000-m-Distanzen sind jeweils noch ein paar Sekunden schneller als die von Gabius.
Hätten die Olympischen Spiele in diesem Jahr stattgefunden, wäre Richard Ringer in Tokio wohl über 5.000 m an den Start gegangen. „Das war mein Plan, denn im vergangenen Jahr war ich mental noch nicht bereit für den Wechsel zum Marathon. Wenn alles normal gelaufen wäre, wäre ich nach Olympia aber mein Marathon-Debüt in Frankfurt gelaufen. Da wollte ich dann allerdings sehr locker herangehen“, erzählt Richard Ringer.
Die Coronavirus-Pandemie und die um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele haben dann alles verändert. Hinzu kam aber auch eine langwierige Fersenverletzung, die sich Richard Ringer bereits im Sommer 2019 zugezogen hatte, und ein Trainerwechsel.
Nachdem der Läufer sich lange Zeit selbst gecoacht hatte, ist inzwischen Wolfgang Heinig sein Trainer. Der erfahrene Coach ist seit Jahrzehnten eng mit dem Marathonlauf verbunden. „Einen ersten Kontakt gab es bereits vor zwei Jahren während eines Trainingslagers in Kenia“, erzählt Richard Ringer. Aufbauend nach der Verletzung und unter Corona-Bedingungen stand zunächst viel Ausdauer auf dem Trainingsprogramm. Auch Alternativtraining wie Skilanglauf oder Radfahren absolvierte Richard Ringer. „Ich habe in dieser Zeit an den Ausdauerbelastungen Gefallen gefunden“, erzählt der 5.000-m-EM-Dritte von 2016.
Das setzte sich auch fort, als die spezifische 16-wöchige Vorbereitung auf den Valencia-Marathon begann. Vor dem Schritt zum Marathon war er skeptisch bezüglich des hohen Trainingsumfangs mit vielen sehr langen Läufen. „Es macht mir mehr Spaß als gedacht, 30 Kilometer zu laufen“, erzählt Richard Ringer. „Vor diesem Jahr habe ich in meinem Leben nur dreimal Trainingsstrecken von 30 Kilometer zurückgelegt. Jetzt bin ich binnen 16 Wochen dreizehn Mal diese Distanz und weiter gelaufen.“
Die längste Trainingseinheit betrug 35 km plus ein paar Kilometer Ein- und Auslaufen. Abgesehen von einem dreiwöchigen Aufenthalt in St. Moritz im August und September und zwei Wochen in Frankfurt bei Wolfgang Heinig im Oktober trainierte Richard Ringer zu Hause. Per Telefon und E-Mail stimmt er sich mit seinem Coach ab.
Sein privates und berufliches Umfeld hat sich nach dem Wechsel zu Wolfgang Heinig nicht verändert. Richard Ringer lebt mit seiner Freundin, der österreichischen Langstreckenläuferin Nada Ina Pauer, am Bodensee und arbeitet in Teilzeit im Controlling bei Rolls-Royce Power Systems in Friedrichshafen. „Die Arbeit ist ein guter Ausgleich, und ich kann mir das jetzt noch flexibler einteilen als vorher. Vor Olympia ist eine lange Auszeit möglich“, erzählt Richard Ringer, der allerdings das Training seiner Freundin aufgegeben hat. Nada Ina Pauer wird jetzt auch von Wolfgang Heinig betreut. „Längerfristig wird sie Marathon laufen, aber noch stehen die 5.000 Meter im Vordergrund.“
Natürlich hat auch Richard Ringer Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie hinnehmen müssen. Es fehlen Start- und Prämiengelder sowie Trainingslager und der Kontakt zu anderen Athleten. „Aber es gibt natürlich durch Corona viel schlimmere Dinge: Todesfälle, schwere Krankheitsverläufe und Unternehmenspleiten“, sagt Richard Ringer.
„Da komme ich noch gut weg, zumal die Unterstützung durch meinen Verein, den LC Rehlingen, und meinen Sponsor Asics weiterläuft. Als Läufer konnte ich zudem immer trainieren und auch die Physiotherapie funktionierte.“
Je dichter der Start in Valencia rückt, desto zurückhaltender äußert sich Richard Ringer öffentlich bezüglich seiner Ziele. Das ist verständlich bei einem Debüt im Marathon, denn eine Portion Ungewissheit ist natürlich dabei. „Von konkreten Zeitzielen will ich etwas Abstand nehmen“, sagt Richard Ringer sechs Tage vor dem Start. „Ich habe sehr gut trainiert und glaube an mich. Ich will die richtige Gruppe finden und ein ruhiges Tempo laufen. Es wird einen Tick langsamer als bei meinem Rennen als Tempomacher in Frankfurt 2018.“
Die Olympianorm und eine Zeit von unter 2:11 Stunden sollten möglich sein, wenn es wie erwartet läuft. Vielleicht geht auch noch mehr. „Wir sind noch am Anfang, aber auf einem guten Weg“, sagt Richard Ringer.