Weltrekorde im leeren Stadion: In Brüssel fielen am Freitagabend beide Bestzeiten im Stundenlauf. Foto: www.race-news-service.com
Topleistungen ohne Zuschauer: Weltrekorde in Corona-Zeiten 2020
Die Corona-Pandemie stoppt zwar so gut wie alle Laufveranstaltungen, doch einige Eliteläufer sind in der Krise trotz teilweise eingeschränkter Trainingsbedingungen sowie mangelnder Wettkämpfe in Topform.
Dies bewiesen Sifan Hassan und Mo Farah am Freitagabend beim Diamond League-Meeting der Leichtathleten in Brüssel eindrucksvoll. Die aus Äthiopien stammende Holländerin und der Brite brachen in dem leeren Stadion ohne Zuschauer die Weltrekorde im Stundenlauf mit 18.930 beziehungsweise 21.330 Metern.
Im Vorbeilaufen stellte der zu diesem Zeitpunkt in Führung liegende Belgier Bashir Abdi zudem einen Weltrekord über die 20.000-m-Distanz auf mit einer Zeit von 56:20,02 Minuten. Tags darauf lief die Kenianerin Peres Jepchirchir in einem Park in Prag mit 65:34 Minuten einen „Women Only World Record“ im Halbmarathon. Dies ist die schnellste je gelaufene Zeit in einem Rennen ohne Männer und auch ohne männliche Tempomacher. Der „echte“ Weltrekord steht allerdings bei 64:31. Diesen hält Ababel Yeshaneh aus Äthiopien.
Zwar gehört das Stundenrennen nicht zu den Standard-Disziplinen der Leichtathletik und die Bestzeiten galten inzwischen verglichen mit zum Beispiel den 10.000 Metern als eher „weiche Rekorde“ – also Bestmarken, die einfacher zu brechen sind als andere. Doch in Corona-Zeiten in einem zuschauerlosen Stadion zwei Langstrecken-Weltrekorde aufzustellen, dazu gehört schon etwas.
In der Geschichte der hochklassigsten Leichtathletik-Meetings gab es in den vergangenen Jahrzehnten nur sehr selten einen Abend, bei dem gleich zwei Weltrekorde in den längeren Laufwettbewerben fielen. Zu diesen Sternstunden des Laufsports zählte das Meeting in Zürich, bei dem 1997 sogar drei Weltrekorde fielen: Damals brach Haile Gebrselassie (Äthiopien) die 5000-m-Bestzeit mit 12:41,86, der Kenianer Wilson Boit Kipketer erreichte über 3.000 m Hindernis eine Zeit von 7:59,08 und der aus Kenia stammende Däne Wilson Kipketer lief die 800 m in 1:41,24 Minuten.
Zwei Jahre zuvor wurden in Zürich zwei Weltrekorde gebrochen: Damals lief Haile Gebrselassie über 5.000 m 12:44,39 und Moses Kiptanui (Kenia) erreichte über 3.000 m Hindernis 7:59,18 Minuten. Drei Lauf-Weltrekorde hatte es 1985 in Oslo gegeben – einem weiteren Sportfest, bei dem immer wieder Langstrecken-Bestmarken fielen. Vor 35 Jahren lief der Brite Steve Cram über die Meile 3:46,32 Minuten, der Marokkaner Said Aouita brach den 5.000-m-Weltrekord mit 13:00,40 und die Norwegerin Ingrid Kristiansen erreichte über 10.000 m 30:59,42.
Es war bedauerlich, dass die Veranstaltung in Brüssel am Freitagabend ohne Zuschauer stattfinden musste. Es wäre ansonsten eine große, stimmungsvolle Leichtathletik-Nacht geworden.
„Es war eine ungewohnte Situation“, sagte Sifan Hassan, angesprochen auf das leere Stadion. „Es war mental schwierig, eine so lange Strecke in einem leeren Stadion zu laufen. Geduld war gefragt bei diesem Stundenrennen.“ Die Holländerin, die in den USA zeitweilig mit Konstanze Klosterhalfen trainiert, konzentriert sich nun nach einem weiteren Bahnrennen in Ostrava auf die Halbmarathon-Weltmeisterschaften, die am 17. Oktober im polnischen Gdynia stattfinden sollen. „Der Stundenweltrekord gibt mir Zuversicht für die WM. Aber das wird dort ein härteres Rennen für mich, denn ich bin eine Bahnläuferin“, sagte Sifan Hassan, die noch keine Pläne hat für ein Marathon-Debüt.
Drei Jahre nach seinem letzten Bahnrennen kehrte Mo Farah auf die 400-m-Runde zurück. Der Brite hatte sich in den letzten Jahren auf den Marathon konzentriert. Im Vorfeld der auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele hatte Mo Farah dann eine Kehrtwende vollzogen. Bei Olympia wollte er wieder über 10.000 m antreten. „Ich musste ehrlich zu mir selbst sein. Ich hatte viel Freude beim Marathon, aber das Bahnlaufen gibt mir mehr“, erklärte der 5.000- und 10.000-m-Olympiasieger von London 2012 und Rio 2016.
„Es war aufregend und sehr motivierend, wieder auf die Bahn zurückzukehren“, sagte der 37-Jährige, der erstmals in seiner Karriere einen Weltrekord aufstellte. „Natürlich laufe ich viel lieber vor Zuschauern, aber in der derzeitigen Situation können wir uns glücklich schätzen, überhaupt bei einem Rennen starten zu können.“