Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Millionenstrafe: Kein Spielraum für die Russen- Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Russlands Leichtathletikverband überweist nach Doping-Manipulationen die fälligen 6,3 Millionen Dollar – nahezu auf den letzten Drücker. Doch die Millionenzahlung ist längst nicht alles.
Nun haben sie also doch ihre Strafe gezahlt, die Russen. Vermutlich. Drei Tage vor Ablauf der allerletzten Frist lässt Sportminister Oleg Matyzin ausrichten, er habe dem Leichtathletikverband seines Landes (Rusaf) jene 6,3 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, die für die Begleichung einer Strafe für Doping-Manipulationen sowie Rechtskosten seit anderthalb Monaten fällig sind.
Wenig später teilt die Rusaf mit, dass der Betrag überwiesen sei.
Mit dem Versprechen, nun endlich zu zahlen, verhinderte Matyzin vor zehn Tagen auf den letzten Drücker den Ausschluss der russischen Leichtathleten aus Verband, Weltsport und – schlimmste Strafe – von den Olympischen Spielen.
Suspendiert bleibt der russische Verband, die Olympia-Teilnahme von Athleten wie den Weltmeisterinnen Marija Lassizkene und Anschelika Sidorowa, den Besten der Welt in Hochsprung und Stabhochsprung, sowie von Hürdensprinter Sergej Schubenkow bleibt in der Schwebe.
Geld und Worte reichen nicht
Wenn alles gutgeht, gewährt ihnen der Weltverband (World Athletics) den Status neutraler Athleten. Die Millionenzahlung nämlich, deren Eingang World Athletics noch nicht bestätigt hat, regelt längst nicht alles. Bis Ende des Monats müssen die Russen ein Konzept vorlegen, wie sie die von Doping und Manipulation durchsetzte und auf der Arbeitsebene von unbelehrbaren Vertretern einer Doping-Mentalität beherrschte Organisation neu aufstellen wollen, nachprüfbar.
Aus Matyzins Haus tönt, sie wollten die Interessen der russischen Leichtathleten schützen und ihr Recht auf Teilnahme an internationalen Wettbewerben sowie ihre vollständige Mitgliedschaft im Weltverband durchsetzen.
Doch Geld und markige Worte reichen nicht.
2014, bevor der staatliche Betrug bei den Olympischen Winterspielen aufflog, machte die Läuferin Julija Stepanowa das systematische Doping der russischen Leichtathletik öffentlich – und musste aus ihrer Heimat fliehen. Im November 2015 suspendierte der Weltverband die Russen – auch aus Selbstschutz. Er war unter dem inzwischen abgelegten Akronym IAAF nicht Opfer, sondern Partner des großen Betruges gewesen. Der einstige Präsident Lamine Diack, dessen Vize der heutige Präsident Sebastian Coe jahrelang war, stand wegen Geldwäsche und Untreue in Paris vor Gericht; das Urteil steht noch aus.
Im Umgang mit den Russen muss Coe den Eindruck von Komplizenschaft vermeiden. Er hat eine Kommission eingesetzt, die geradezu aufreizenden Langmut demonstriert, indem sie reist und verhandelt, verhandelt und reist – ohne Ergebnis.
Zugleich aber zeigen sie und der Verband, dass Zugeständnisse wie der Schlussstrich des Internationalen Olympischen Komitees unter die russische Affäre nicht nötig sind.
Wollen die Russen mitspielen, das gilt zumindest in der Leichtathletik, müssen sie ein Mindestmaß an Sicherheit darüber geben, dass sie die Regeln befolgen.
Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 12. August 2020
Michael Reinsch Korrespondent für Sport in Berlin.
RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer
„Rettet unsere Läufe“ – Wir brauchen jede Stimme, um den Laufsport zu retten. Helfen Sie bitte mit und beteiligen Sie sich an der Petition!
Hier geht es zur Petition:
https://www.openpetition.de/petition/online/save-the-events-o-rettet-unsere-laeufe