Finnlands außergewöhnliche Werbung um Läufer – Mit Väätäinens Malerei zum Gold? Von KLAUS BLUME

Das ganze Wochenende über würden die finnischen Zeitungen übers olympische 5000-Meter-Finale von Tokio geschrieben haben – vom hauptstädtischen Helsingin Sanomat bis hinauf zum Regionalblatt Lapin Kansa am Polarkreis.

Auch, wenn mal wieder kein Finne am Start gewesen wäre. Doch einerlei, das Laufen bleibt trotz allem der Finnen große Lust. Auch, wenn bei den letzten Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 in Doha nur ein einziger finnischer Läufer dabei gewesen ist, der Hindernisspezialist Topi Taitanen, der gerademla auf Rang 29 registriert wurde. 

Das war einmal ganz anders.

Finnland war einst der Inbegriff der Leichtathletik. In den Jahren 1912 bis 1936 wurden allein zehn der zwölf olympischen 5000- oder 10 000-Meter-Läufe gewonnen. Die Läufer aus dem hohen Norden Europas brachten es seinerzeit auf den Strecken 1500, 5000, 10 000 Meter, über 3000 Meter Hindernis und im Marathonlauf bei Olympia zu 18 goldenen, 10 silbernen und 9 bronzenen Medaillen. 

Das und den unaufhaltsamen Niedergang in den letzten Jahren hat nun den mittlerweile 79jährigen Juha Väätäinen auf den Plan gerufen. Für die Jüngeren: Väätäinen, daheim genannt „Juha, der Schreckliche“, gewann bei den Europameisterschaften 1971 in Helsinki Gold über 5000 und 10 000 Meter. Alsbald danach verschwand er, nach Afrika.

Vor allem aber nach Spanien, um als Kunstmaler zu reüssieren. Erfolgreich, denn viele seiner bisher 300 Gemälde wurden für 2000 bis 10 000 Euro verkauft. Zwischendurch kehrte Väätäinen auch immer mal wieder nach Helsinki zurück, um im finnischen Parlament wortgewaltig für die Fraktion der finnischen Partei zu fechten. Seine Brandreden sind noch heute unvergessen.

Nun aber ist Juha Väätäinen in seine Heimat zurückgekehrt, um der finnischen Läufer-Misere ein für allemal ein dauerhaftes Ende zu bereiten. 150 seiner Gemälde sollen die Grundlage einer im Herbst ins Leben zu rufenden Stiftung bilden. Väätäinens Bilder werden derzeit zwischen 10 000 und 15 000 Euro angeboten. Dieser Erlös würde nicht ausreichen, und so hofft er, zusätzlich Unternehmen von Rang für die Idee gewinnen zu können, zehn ausgesuchte 17- bis 20jährige Lauftalente in die internationale Spitze zu führen – und zwar bis 2024. „Bis dahin“, so Väätäinens Ziel, „sollten fünf, sechs Medaillen bei Europa- Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen für Finnland drin sein.“

Natürlich will er für dieses Vorhaben unbedingt auch Lasse Viren, den viermaligen Olympiasieger über 5000 und 10 000 Meter (1972 und 1976) gewinnen, der in Finnland noch immer überaus populär ist und den IAAF-Präsident Sebastian Coe für den größten Läufer der Leichtathletik-Geschichte hält. Mit Viren saß Väätäinen jahrelang im finnischen Parlament; man weiß also, wie man miteinander umzugehen und zu verhandeln hat. Und natürlich weiß jemand wie Väätäinen, wie man einen möglichen Partner am besten öffentlich in Szene setzt, so dass dieser eigentlich gar nicht mehr Nein sagen kann.

So fragt Väätäinen denn, provozierend, versteht sich, weiß denn jemand, dass der finnische 5000-Meter-Rekord schon seit Jahrzehnten besteht? Von keinem Geringeren gehalten, mit durchaus beachtlichen 13:16.4 Minuten, als von Lasse Viren?

Lasse Viren bei seinem Sturz in München 1972 – Foto: Pat Butcher

Oder dass dieser Viren mit knapp vierzig Jahren in Los Angeles den dortigen Marathonlauf in  2:27: 31 Minuten als 59. beendet hat?  Er lässt aber in seinen Erzählungen auch nicht aus, dass Viren als 19-Jähriger in einem nationalen 30-Kilometer-Lauf hinter 292 Landsleuten gerademal auf Platz 293 einkam – aber dennoch nicht verzagt habe.

„Also niemals unterkriegen lassen,“ ruft Väätäinen aus – und hofft dabei innigst auf Nachahmer.