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05
04
2020

Fotos: Horst Milde - Schneider

Erst wenn es ganz leicht aussieht ist es perfekt – Lothar Pöhlitz in Leichathletik Coaching-Academy

By GRR 0

Schneller mit weniger Kraftaufwand durch mehr Kraft und Gelenkbeweglichkeit

© Lothar Pöhlitz* – 5. April 2020 – „Beweglichkeit ist die Fähigkeit und Eigenschaft eines Sportlers, Bewegungen mit großer Schwingungsweite selbst oder unter dem unterstützenden Einfluss äußerer Kräfte in einem oder mehreren Gelenken ausführen zu können“ [WEINECK, J.2000, 316]Leichter macht schneller besser.

Da könnten Artisten die Vorbilder auch für Läufer sein. Damit ist nicht das Gewicht gemeint, sondern das wie leichter schnell zu laufen. Der Erlernung und Stabilisierung der Mittelfuß- und Vorfuß-Lauftechnik muss deshalb schon im Kinder- und frühen Jugendalter die notwendige Aufmerksamkeit zukommen, wenn das in Zukunft immer schnellere Laufen bei möglichst geringem Kraftaufwand Ziel sein soll.Dafür sind natürlich zuerst die Kraft- und Beweglichkeitsvoraussetzungen zu schaffen und der Umgang mit Schrittlängen, Schrittfrequenzen und dem Kniehub den jungen Läufern schon früh zu lehren. Auch die richtige Bewegungsführung der Arme und deren Koordination mit immer schnellerer Beinarbeit muss Teil der Ausbildung sein.

Allerdings müssen sie zuerst die richtige Bewegung kennen, sie erfühlen, um es umsetzen zu können. Das Frühjahr und der Herbst sind dafür günstige Zeiträume. Die oft im Marathon gezeigte deutlich ruhigere, engere Armarbeit ist gewollt, sie dient dazu Energie zu sparen.

nach Bauersfeld & Schröter, 1992

So wie alle sicher die Perfektion von Spitzen-Artisten bewundern ist es auch im Laufen. Erst wenn es ganz leicht aussieht ist es perfektFür Läufer geht es vor allem um die mögliche Gelenkigkeit und Dehnfähigkeit um im Doppelschritt am besten „leicht und natürlich unbewusst“ große vortriebswirksame, schnelle aber auch kurze variable Schritte durch kleine und große Bewegungsweiten, große Bewegungsamplituden zu ermöglichen. Damit werden, eines Tages, der individuell beste Vortrieb oder sogar Siege möglich. Mehr Beweglichkeit bedeutet für Läufer „leichter und ökonomischer zu laufen“, in dem die Bewegungsweiten der beteiligten Gelenke vergrößert werden. Daran sind sowohl die Agonisten als auch die Antagonisten beteiligt.

Man kann es nicht oft genug wiederholen:  „Dehnen – kräftigen – spreizen – stabilisieren – lockern“

sind in Verbindung mit den Übungen des Lauf-ABC und leichten, betonten Sprüngen aus dem Fußgelenk wichtige Hilfen zum Aufbau einer „Leichtlauftechnik“ und zur Verbesserung der Laufökonomie. Beweglichkeit und Koordination sind, wie auch altersgerechte optimale Kraftfähigkeiten, leider, zu oft negierte Grundvoraussetzungen für schnelles Laufen auf den Mittel- und Langstrecken. Man braucht nur einmal die Gelenkbeweglichkeit und Gymnastikqualität von Laufgruppen zu beobachten.Bauch, Rücken, Beine, Po alles hilft allen die Technik zu optimieren (Foto: Rigal)

Wenn möglich sollte schon im Schülertraining der Ausbildung der Flexibilität mehr Aufmerksamkeit zukommen, weil mit der Pubertät bereits von Einschränkungen z.B. im Hüftgelenk (Seitspreizfähigkeit) und im Schulterbereich in der Fachliteratur berichtet wird. Deshalb sollte schon vor Beginn des Jugendtrainings aber auch später die Beweglichkeit und ihre gezielte Umsetzung in eine bessere Lauftechnik durch Technikläufe in Spikes ganzjährig mehrmals wöchentlich (z.B. auch nach Dauerläufen oder Kraftarbeit) Bestandteil des Trainings sein.

 

Leicht4

Eine verbesserte Gelenkbeweglichkeit (im Sinne einer optimalen Nutzung für den Vortrieb + Schwingungsweite in den Gelenken / Hüftbeweglichkeit) wird erzielt, wenn die Dehnfähigkeit der Muskeln, Sehnen, Bänder und Faszien mit der erforderlichen Kraft und einer möglichst guten Koordinationsfähigkeit bei größtmöglicher Lockerheit (Weichheit der Bewegungen durch üben) immer besser ausgeprägt wird-Koordination und Sprünge helfen

Nach dem hinteren Abdruck soll eine Entspannungsphase der Muskulatur die Möglichkeit zur Erholung geben, bis der Fuß vorn wieder aktiv arbeiten muß. Die Vorfußstärke und das optimale Anfersen sind dafür wichtige Voraussetzungen

Eine gute, ökonomische Lauftechnik ist auch eine Voraussetzung zur ökonomischen Umsetzung der Energie in Geschwindigkeit. Dafür können statische und dynamische Gymnastik- und Dehnungsprogramme jeweils bis an die Grenzen des jeweiligen Bewegungsbereiches eingesetzt werden. Das gilt auch für Profis und Senioren.Dabei sollten nach dem aufwärmen zunächst statische, durch Partner unterstützte Dehnungen und dann dynamisches Dehnen in dieser Reihenfolge eingesetzt werden.Eine optimale Leicht-Lauftechnik ist die Basis großer Erfolge Die 4 Phasen des Laufschrittes:

  • Hintere Stütz- und Abdruckphase (entscheidend für den Vortrieb)
  • Hintere Schwung- und Entspannungsphase / Anfersen (entscheidend für die Entspannung / Erholung der Muskulatur, Vorbereitung des Kniehubs)
  • Vordere Schwungphase / Kniehub (Sicherung der Schrittlänge; Vorbereitung des aktiven Fußaufsatzes)
  • Vordere Stützphase (Amortisation des Landedruckes; Aufbau von Vorspannung, aktive Arbeit nach hinten)

Die Vielfalt der möglichen Übungen ist fast unbegrenzt. Bereits im Alter von 12-14 Jahren nimmt die in der frühen Kindheit zu beobachtende natürliche Flexibilität ab. Dem ist mit möglichst großer Konsequenz und „Trainer-Akribie“ entgegen zuarbeiten. Im Erwachsenenalter sind dann ohne Üben ständig zunehmende Defizite nicht zu übersehen. Haben Sie demgegenüber schon einmal die „weichen Bewegungen“ vieler Afrikaner beobachtet? Obwohl sie schon viel Gefühl und Beweglichkeit ins Training mitbringen, ist eine vielseitige, umfangreiche Gymnastik regelmäßig nicht nur Bestandteil ihres Jugendtrainings.

Die Ausbildung ihrer Fußgelenkskraft erfolgt auf „Aschenbahnen“ aber auch durch ihre Dauerläufe und Fahrtspiele im unebenen Gelände und bergan und bergab

.Beweglichkeit und Technikläufe (Fotos: Rigal / Ayadi / Belz / Pöhlitz)

Alle Läufer müssen schon früh gegen muskuläre Dysbalancen „arbeiten“ – Dabei wird die aktive Regeneration leider von zu vielen unterschätzt„Die im Leistungstraining z.T. hohen Belastungen ohne ausreichende Dehn- und Lockerungsübungen widerspiegeln sich in der Trainingspraxis – vor allem mit zunehmenden Alter – in muskulären Dysbalancen („Muskelverkürzungen“) Sie lassen eine optimale Bewegungsfähigkeit (Schrittlänge / Schrittfrequenz) – hohe Anstrengung bei großer Entspannungsfähigkeit (Erholung während der Belastung) nicht zu und schränken die Leistungen oft beträchtlich ein.

Es hilft nicht wenn der Trainer „Knie hoch“ dem Läufer/In als Bewegungsanweisung zuruft, wenn der Sportler nicht über die notwendigen erarbeiteten Voraussetzungen (Kraft / Beweglichkeit) verfügt, um die Knie überhaupt entsprechend hochheben zu können. Also gilt es zuerst einmal mit den verschiedensten Trainingsformen die Voraussetzungen für die unbewusste Handlung Knieheben zu schaffen“.  (Lothar Pöhlitz – LCA 7/2007)

Bewegungsamplituden vergrößern – Gelenkbeweglichkeit verbessern

Gymnastik und Koordination dienen der Schwachstellenbeseitigung und beinhalten aktiv-dynamisches und statisches Dehnen, Übungen zur Entwicklung der Gelenkbeweglichkeit und Spreizfähigkeit (Pendel- und Lockerungsübungen) und kraftstabilisierende Übungen kombiniert zur Vergrößerung der Flexibilität, zum Absenken der Muskelspannung und auch zur Förderung der Regenerationsfähigkeit.Die Anzahl der abwechselnd auszuwählenden Übungen vor bzw. auch nach dem Hauptteil der TE sollte auf jeweils 6-7 begrenzt, dafür besser 3-4 x wiederholt werden. Ihre Bedeutung nimmt mit dem Anspruch an die nachfolgende Trainingseinheit zu (Intensitäts-/ Qualitätseinheiten), so dass im Leistungstraining solchen Übungsprogrammen mindestens 3 – 4 x pro Woche (z.B. nach dem Aufwärmen + Lockerungsübungen, innerhalb der Konditionsgymnastik, im cool-down) eine große Bedeutung zukommt.

Zu wünschen wäre, dass die Konzentration auf die Qualität der Übungsausführung hoch ist und auch „Verbesserungen“ zum Ziel hat.Die Auswahl der Übungen erfolgt unter unterschiedlichen Aspekten, dabei ist eine Beratung mit Physiotherapeuten, Krankengymnasten bzw. auch Ärzten zu den individuellen Schwachstellen und Notwendigkeiten, immer hilfreich. Wer sein Beweglichkeitsprogramm zusammenstellt sollte sichern, dass die folgenden Gelenkwinkel Übungsziel sind: Fußgelenke, Kniegelenke, Hüftgelenke, Schultergelenk – Mehr Wiederholungen machen schneller besser

                                              Vor jedem Programm 15 Minuten Gymnastik

Lauftechnikoptimierung immer

So wären Mittelstreckler dem Optimum nahe – Foto: Victah Sailer

Also: bessere Leicht-Lauftechnik auch durch mehr Beweglichkeit.  Das Ziel besteht in einer systematischen, allmählichen Vergrößerung der Bewegungsamplituden, der „leichten“ Beweglichkeit aller Gelenke.

Besonders soll dabei auf die Muskeln im Bereich der Hüfte, des Beckens und der Füße hingewiesen werden, die in ihrer Wirkung für den Vortrieb – Streckbewegungen / Hüftgelenksbeweglichkeit, Kniehub, Abdruck, optimale Beckenposition – von Läufern oft unterschätzt werden. Natürlich sind die Übungen austauschbar. Beginne immer vorsichtig und steigere systematisch. Am besten mit 2-3 Programmen mit je 6 Übungen. Beziehe immer alle anatomisch beeinflussbaren Gelenke ein, variiere die Programme innerhalb der Woche und versuche die individuellen Bewegungsgrenzen hinauszuschieben. Nimm Dir auch Zeit nach anstrengenden Gymnastikprogrammen für einige Entspannungs- bzw. Lockerungsübungen.

Übungsposition korrekt einnehmen – Spannung sanft aufbauen und von 90 zu 100 % hin steigern – Spannung 6-12 sec. halten – entspannen – Seite wechseln (bei normaler Atmung, nicht pressen, nicht „wippen“) – 3-4 x wiederholen – nächste Übung

Übungen zur Verbesserung der Spreizfähigkeit können gut durch leichte Gewichtsmanschetten an den „Hebelenden“ (Arme, Beine) in ihrer Wirkung verstärkt werden.

Die Trainer geben für den Einzelnen das Ziel der Bewegungsweite vor, was aktuell zu erarbeiten ist – vor dem Hauptteil der TE oder in der Konditionsgymnastik oder in TE im Zusammenhang mit Dauerläufen. Tests über die Fortschritte in den Bewegungsamplituden animieren schließlich die Sportler zu größerer Anstrengungsbereitschaft.

Lothar Pöhlitz in  Leichthletik Coaching- Academy

*Lothar Pöhlitz seit 1957 Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 1971-1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums Lauf/Gehen im DVfL / 1980 – 1998 DLV- Bundestrainer Lauf / zuletzt Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der Trainerakademie Köln und DLV-Trainerschule / seit 2006 Leichtathletik Coaching-Academy         

*Alle LCA-Artikel von 2006 – 2020 finden Sie im LCA-Archiv (www.la-coaching-academy.de/Trainingslehre)

© Lothar Pöhlitz 2006-2020

author: GRR