Symbolbild - Skispringer Noriaki Kasai - Titisee-Neustadt 2016 - Foto: Wladyslaw Sojka- www.sojka.photo - Wkipedia
Nordische Kombination: Wie die Königsdisziplin zum Zerrbild wurde – Von KLAUS BLUME
Dreizehn Weltcup-Siege, noch vor den finnischen Skispielen am letzten Wochenende in Lathi – hat der 22jährige Norweger Jarl Magnus Riiber die Nordische Kombination mit seiner One-man-show entzaubert?
Ausgerechnet die aus Skispringen und Langlauf bestehende Königsdisziplin zum Zerrbild herab gewürdigt?
Bundestrainer Herrmann Weinbuch, seit 1996 im Amt und einst selbst Weltcup-Gesamtsieger (1986), bringt mit der Erkenntnis „Im Springen kann man eben mehr heraus holen, als im Langlauf“ auf den Punkt, was sich in diesem Winter zugetragen hat.
Obendrein dann, wenn mit Riiber ein Athlet antritt, der nicht nur von den Spezialspringern kommt, sondern weiterhin mit ihnen mithalten kann. Also mit jener norwegischen Mannschaft, die absolute Weltspitze verkörpert. Diese Ausgangsposition haben sich Wissenschaftler und Trainer im norwegischen Verband zunutze gemacht – und mit bemerkenswerter Fantasie ausgebaut. Ohne allerdings das Reglement zu verletzen! Dennoch wird diese Regelauslegung – manche sprechen gar von Trickserei – in Österreich, Frankreich, Finnland und Deutschland mit gewisser Skepsis betrachtet.
Weinbuch, 59, einst dreimal Weltmeister und über Jahrzehnte zum intimen Kenner der internationalen Szene geworden, erklärt den norwegischen Vorteil so: „Sie sitzen sehr tief, so, wie man es bei den Spezialspringern sieht, und fahren mit einem langen Rücken – wir sagen Tablett dazu – an den Schanzentisch heran. Dabei sind sie mit ihren Schultern möglichst weit überm Knie. Mit dieser Sitzposition kommt man am schnellsten in die Flugphase.“
Warum wird es in anderen Mannschaften dann nicht ebenso gehandhabt? Weil durch das viele Lauftraining im Ausdauerbereich die Beckenmuskulatur eines Kombinierers stärker als die eines Spezialspringers ausgeprägt sei. Weinbuch: „Dadurch ist es anstrengender, die ideale Sitzposition zu finden und auch bis zum Absprung stabil zu halten.“
Ursprünglich war das Reglement der Nordischen Kombination freilich so gedacht, dass Fehler beim Springen durch einen rasanten Skilanglauf ausgeglichen werden konnten. Was, zum Beispiel, dem Finnen Hannu Manninen mit seinen 48 Weltcup-Einzelsiegen (niemand schaffte mehr) zwischen 2000 bis 2007 stets hervorragend gelungen ist. Manninen, heute Pilot bei der Finnair, startete für seinen Verband auch im Langlauf; so bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City, wo er im Sprint über 1,5 Kilometer Achter wurde.
Auch norwegische Kombinierer zeichneten sich einst als außerordentliche Langläufer aus, besonders die Brüder Bard Jorge und Trond Einar Elden. Letzterer, 1989 in Lathi zweimal Weltmeister in der Kombination, wechselte im Winter 2000/01 sogar endgültig ins Langlauf-Lager über, wo er als Sprinter zu einem der Besten der Welt aufstieg.
Nun aber haben ausgerechnet die Norweger die von ihnen erfundene Königsdisziplin des Skisports trickreich aus den Angeln gehoben. Ein Zurück scheint es nicht zu geben, „also müssen auch wir die Prioritäten verschieben“ bedauert Weinbuch.
Das heißt, künftig muss sich ein erfolgreicher Kombinierer aufs Springen fixieren; der Langlauf wird dabei zum kaum mehr beachteten Wettkampfteil abrutschen.
Aber muss es dann überhaupt noch Kombination heißen?
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