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05
02
2020

Foto: Kroess

Abenteuer oder Sport? Zweihundert Kilometer Skilanglauf – bei vierzig Grad Kälte – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

STOCKHOLM – „Es war das Härteste, was ich je gemacht habe. Es war brutal und schwer.“ Derart viele Worte macht der Norweger Andreas Nygaard selten. Meistens schweigt er beharrlich. 

Erst recht nach ausführlichen Reporterfragen. Doch nach seinem dritten Sieg im Nordenskiöldsloppet plapperte der sonst so schweigsame Dreißigjährige drauf los wie ein Mitteleuropäer. Gilt der Nordenskiöldsloppet, ein Skilanglauf über 220 Kilometer durch die schwedische Wildnis – obendrein oberhalb des Polarkreises – , schließlich als überaus extreme Herausforderung.
Ein Rennen, das bis auf das Jahr 1884 zurück geht, als es der schwedische Polarforscher Adolf Erik Nordenskiöld erstmals veranstaltete, um zu beweisen, dass sich derart lange Strecken durchaus an einem einzigen Tag bewältigen lassen.
2016 wurde dieses wahnwitzige Rennen nach 132 Jahren Unterbrechung neu aufgelegt.
Man war anfangs skeptisch: Wer würde sich schon dafür interessieren? Doch die Zweifel waren unangebracht. Das Nordenskiöldsloppet wurde so populär wie kaum ein anderes Skirennen. Am 24. März 2018 standen fast 400 Teilnehmer aus 18 Nationen um sechs Uhr in der Früh‘ im Dorf Purkijaur am Start. In einer Region, in der das Thermometer an kalten Tagen schon mal auf minus vierzig Grad Celsius fallen kann. Als Andreas Nygaard siegte, herrschten übrigens – milde – zehn Grad Kälte.
Wen wundert‘s da, wenn Abenteurer vom Schlage eines Nygaard oder wie dessen norwegischer Landsmann Tore Björseth Berdal – 2019 Gewinner des legendären schwedischen Wasa-Laufs – in Skandinavien selbst Fußball-Stars wie Dortmunds Norweger Erling Haarland die Show stehlen? Berdal faszinierte die Skandinavier mit einzigartigen Triumphen in den populärsten überlangen Skirennen der Welt: im Wasaloppet (90 km), im italienischen Marcialonga (70 km) und auch noch im norwegischen Birkebeiner-Rennen (54 km). Das Osloer „Dagbladet“ schrieb danach begeistert: „Er hat das Langstreckenrennen auf ein neues Niveau gebracht.“ 
Dabei geht es ausschließlich um Skilangläufe, die nicht im Weltcup-Programm des Internationalen Skiverbandes (FIS) stehen. Es geht um 72 Rennen die von Amateuren aber auch von 35 Profi-Teams – weltweit – wahrgenommen werden. Die Saison der „Worldloppet-Serie“ beginnt bereits im August, und zwar in Argentinien, führt dann – unter anderem – über China und Deutschland bis nach Island, wo es im April das Finale gibt. 
Was um 2007 begann, vor allem einer Idee des norwegischen Langläufers Jörgen Aukland folgend, hat sich inzwischen zu einem überaus erfolgreichen Geschäft entwickelt. Denn nirgendwo sonst anders können begeisterte Amateure auf ihre großen professionellen Vorbilder treffen und sich bemühen, kurze Zeit mit ihnen mitzuhalten. Was die Ski-Industrie ebenso wie die Tourismus-Unternehmen begrüßen. Es ist ein fantastischer Kreislauf geworden, an dem sich, wie beim schwedischen Wasaloppet, obendrein Prominente, Politiker und sogar Mitglieder der skandinavischen Königshäuser beteiligen. Nicht nur als Zuschauer, auch als Mit-Läufer.
Doch wie auch immer: Arktische Bedingungen, extreme Distanz, 30 Stunden Zeitlimit – der Nordenskiöldsloppet bleibt mit 220 km das härteste Langlaufrennen der Welt. Dafür braucht es besonderer Nehmerqualitäten, wenn es oberhalb des Polarkreises ans Eingemachte geht. Ans Durchkommen.
Und das obendrein in der klassischer Technik. Je nach Bedingungen sind die Ausfallquoten denn auch hoch: 2018 sorgte beispielsweise konstanter Schneefall dafür, dass die gespurten Loipen rasch verschwanden und gerade mal das halbe Starterfeld das Ziel in Jokkmokk sah.
Die aktuelle Rekordzeit von Andreas Nygaard liegt übrigens bei 11:48:07 Minuten.
Schnell? Mag sein, viel spricht er ja nicht darüber.
Leider.
  
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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