Foto: Kiefner Foto
Wettkampflehre – auch Vorwettkampfdetails nicht übersehen – Von Lothar Pöhlitz*
Neben der taktischen- und Tempogefühlausbildung im Vorfeld großer Wettkämpfe sind die Informationen, das Wissen und Verhalten rund um den anstehenden Wettkampf für den eigenen Erfolg von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Dabei stehen das realistische Leistungsziel und die Rennstrategie zur erfolgreichen Verwirklichung dieses Zieles an der Spitze. Der Trainer muss dem Athleten aber nur das Wissen vermitteln, das er zur erfolgreichen „Gefechtsführung“ unbedingt wissen muss.
Auch weil mitgegebene Aufgaben von negativen Gedanken im Rennen ablenken. Da der Trainer seinen Sportler aus dem „ff“ kennt, wird dabei alles zurückgehalten, was auf ihn negativ wirkt. Der Athlet muss zum selbständigen Handeln befähigt werden.
Die Startphasen sind schneller als das Durchschnittstempo
Aber über die Startphasen sollte immer wieder geredet werden, weil sie unsichere Athleten schnell von ihrem Konzept abbringen. Deshalb ist es sinnvoll nach bekannt werden der Start-Aufstellung noch einmal kurz zu erinnern: stehst Du auf der Innenbahn musst Du an die Spitze des Feldes, danach ist es am besten möglich sich an der gewünschten Position (vielleicht auf Bahn zwei) einzuordnen. Leichter ist es von der Außenbahn zu kommen. Nie scharf nach innen „kurven“, auf der Geraden lässt sich gut von außen die beste Laufposition finden, also besser erst einmal fast geradeaus laufen und erst relativ spät, nach einer gewissen Beruhigung der Startphase, innen Kontakt suchen.
Offensiv führt schneller zu Bestleistungen als defensiv
Außer bei hohen Startgeschwindigkeiten sollten Sportler nicht ermuntert werden, am Ende des Feldes zu laufen, auch wenn sie über hohe Spurtfähigkeiten verfügen. Nicht nur das sie zu oft von taktischen Varianten vorn überrascht werden können, die Mehrzahl der Zuschauer hat für solch ein „überhebliches“ Verhalten meist wenig Verständnis.
Im Verlaufe einer langjährigen Ausbildung zum erfolgreichen Läufer sollten folgende Erfahrungen und Empfehlungen gelehrt, verinnerlicht und in den jeweiligen Rennen auch abgerufen werden können:
* Rechtzeitige Anreise zum Wettkampf, wenn das Rennen am Vormittag startet besser am Vortag (Staugefahr „einplanen“ / Ortskenntnisse berück-sichtigen)
* Startzeit, wann und wie zum Stadion, evtl. Zeitplanverschiebung, wann (rechtzeitig), wo letzte Mahlzeit einnehmen, ist Getränkeflasche dabei?
* Wann, wo einlaufen (am besten allein), Aufruf (Weg zum Callroom und Weg zum Start erkunden)
* Gegnersituation (Anzahl, wer, wie stark, letzte Ergebnisse, Tempomacher, geplantes Tempo erkunden, eigene Tempoplanung)
* Taktikerwartung (eigene Taktik, Gegner-Taktik, Bahnverlosung)
* Wettkampfkleidung, Spikes, Startnummer, alles dabei?
* Klimatische Bedingungen (Hitze, Wind, Luftfeuchtigkeit)
* Zuschauer lassen keine Zurufe (Zwischenzeiten) zu, der Trainer hat keinen Zugang zum Einlaufplatz (z. B. bei EM, WM oder Olympischen Spielen) oder zur Bahnnähe
* Informationen zu erwartenden Dopingkontrollen, nicht allein hingehen
* Wettkampfnachbereitung (vor allem nach Vor- oder Halbfinals) Auslaufen, Physiotherapie, Regenerationsgetränk, Abendessen
* Vor dem Start sind Sie ruhig, sie halten sich warm, auch wenn sich der Start länger verzögert. Bei kühlem Wetter Jacke und lange Hose möglichst lange anbehalten (vor allem beim Marathon), die Betriebstemperatur muss stimmen wenn es endlich losgeht.
* Die Konzentration richtet zuerst auf die Startphase. Genau planen was zu tun ist, so rasch wie möglich den eigenen Laufrhythmus finden. Das gedrängelt wird und sie auch mal aus dem Tritt kommen regt nicht auf, es wird gleich ruhiger. Wichtig ist, dass man schnell das Rennen „unter Kontrolle“ hat. Am besten man ist auch darauf vorbereitet das man in einen Sturz verwickelt werden kann.
Eine komplexe Taktikausbildung muss den Athleten befähigen sowohl durch „Hasen“ gestaltete tempoorientierte Rennen mitzulaufen bzw. sie selbst aktiv zu gestalten (natürlich in seinem individuellen Leistungsbereich) sowie bei Qualifikationsserien (DM, EM, WM, OS) und Einzelrennen die variablen Anforderungen auch einer spurtorientierten Taktik mit langen und kurzen Endspurts vorbereitet anzuwenden.
Lothar Pöhlitz
————————————————————————————————————————–
*Lothar Pöhlitz – seit 1957 Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 1971 – 1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums des DVfL / DLV-Bundestrainer 1980 – 1998 i. R. / zuletzt Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der DOSB – Trainerakademie und DLV-Trainerschule
Siehe auch:
seit 2006
EN
