Regen in Münster - Foto: Helmut Winter
Worst Case für Veranstalter – und Läufer – Abbruch von Veranstaltungen – Wilfried Raatz berichtet
Hitze, Starkregen – oder gar Terrorwarnungen bringen Veranstalter zusehend ins Schwitzen. Es ist der schlechteste oder ungünstigste Fall, den ein Veranstalter vermelden muss: Veranstaltung fällt aus! Jüngst geschehen bei der 5×5 km Team-Staffel in Berlin oder beim traditionsreichen Koberstädter Waldmarathon in Egelsbach nahe Frankfurt.
Am frühen Nachmittag musste der Veranstalter SCC EVENTS diesen Worst Case vermelden, die Absage basierte auf einer Prognose des Deutschen Wetterdienstes, der für Tag 1 des dreitägigen Events mit insgesamt über 20.000 Teilnehmer besetzten überaus populären Hauptstadt-Staffellaufes eine „nachteilige Entwicklung“ mit starkem Gewitter und Windböen mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Stundenkilometern vermeldete.
Beim Hamburger Halbmarathon herrschten über 30° Celsius zur Startzeit, trotz starker Vorkehrungen wie Wasserduschen, zusätzliche Wasserstellen und erhöhte medizinische Vorkehrungen mussten über 150 Teilnehmer vorsorglich behandelt werden, über 50 sogar in umliegende Krankenhäuser mit zum Teil unter Notarztbegleitung eingeliefert werden.
Wegen einer nicht näher bezifferten Zahl umgestürzter bzw. Bruch gefährdeter Bäume war die Gefahr für die Läufer beim Koberstädter Waldmarathon derart groß, dass dem Veranstalter die Genehmigung für die Waldwege-Nutzung entzogen wurde. Das sind drei von inzwischen Dutzenden von Lauf-Veranstaltungen, andere wurden gar im Vorfeld bereits wegen zu großer Hitze abgesagt bzw. mit verkürzter Distanz ausgetragen.
Ein Abbruch von Veranstaltungen auf Grund höherer Gewalt ist in den zurückliegenden Jahren leider keine Seltenheit mehr, denn die krassen Witterungsveränderungen, nicht zuletzt zurückzuführen auf die Jahrzehnte lange Unvernunft von Mensch und Industrie, schlägt immer stärkere Kapriolen. Vorbei sind die Zeiten, als in den Ausschreibungen von Laufveranstaltungen plakativ zu lesen war, dass die Veranstaltung bei jedem Wetter stattfinde.
Die Deutsche Leichtathletik-Ordnung (DLO) des DLV gibt Veranstaltern einige Schutzbestimmungen an die Hand, als sogenannte „Kann-Bestimmungen“. So sollen lange Läufe bei Temperaturen über 20° Celsius bis 9.00 bzw. 10.00 Uhr bzw. nach 17.00 bzw. 18.00 Uhr gestartet werden, zusätzliche Wasserstellen aufgebaut werden und die Beachtung von behördlichen Empfehlungen bei hohen Ozonwerten beachtet werden.
Eines sollten Veranstalter allerdings bei hohen Temperaturen den Läufern ins Handbuch schreiben, nämlich dass die Laufgeschwindigkeit angepasst, mehr Flüssigkeit aufgenommen und freilich auch Leistungseinbußen in kauf genommen werden sollten, die durchaus im Bereich um zehn Prozent liegen könnten. Ein geeigneter Sonnenschutz wie z.B. eine Mütze ist ebenso Pflicht wie die regelmäßige Flüssigkeitsaufnahme von Wasser und leicht isotonischen Getränken – und dies nicht erst, wenn das Durstgefühl aufgekommen ist.
Für die Veranstalter heißt dies allerdings auch, dass die Verweildauer an einem Verpflegungsstand größer als im Normalfall wird. Um unnötige Staus zu vermeiden, müssen jedoch mehr Tische aufgebaut und der Verpflegungsbereich deutlich entzerrt werden.
Die aufgezeigten Szenarien werden leider künftig durchaus „an der Tagesordnung“ sein. Das bedeutet letztlich, dass sich Veranstalter und Teilnehmer auf Absagen oder Veränderungen bei Outdoor-Veranstaltungen gefasst machen müssen. Dies gilt natürlich primär für Berg-, Landschafts- und Trailläufe, die nicht nur in höheren Lagen bei instabilen Witterungsbedingungen mit krassem Temperatursturz, Gewitter und Schneefall rechnen müssen. Schlechtwettervarianten sind ein probates Mittel, sich gegen kurzfristige Wetteränderungen vorzubereiten.
Wer allerdings denkt, dass starke Wetterveränderungen nur im topografisch anspruchsvollen Mittelgebirge oder im Alpenraum vorkommen, der liegt (leider) längst falsch. Die weltbekannten Straßenläufe in Rotterdam und Chicago, aber auch zahlreiche mittelgroße und kleine Veranstaltungen mussten wegen zu großer Hitze, Starkregen oder nicht mehr gewährleistete Wasserversorgung der Teilnehmer abgebrochen werden. Der Dämmermarathon in Mannheim und Ludwigshafen musste sogar ganz abgesagt werden, weil Starkregen und extreme Windböen eine reguläre Veranstaltung unmöglich machten.
„Der Abbruch … auf Grund von höherer Gewalt ist für uns als Veranstalter ebenso frustrierend und enttäuschend wie für alle Betroffenen“, so die Berliner SCC-Macher und verdeutlichten zugleich auch das Dilemma eines Veranstalters. Diese „wird ein Jahr lang vorbereitet, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stecken viel Arbeit in die Organisation, damit am Tag X alles reibungslos abläuft. Wir müssen und wollen uns an die Anweisung der Polizei und des Deutschen Wetterdienstes halten!“ Eine Durchführung „um jeden Preis“ gehört längst der Vergangenheit an, umsichtiges Verhalten auf allen Seiten ist angesagt.
„Die Teilnehmer müssen sich bei den rasch ändernden Bedingungen auf kurzfristige Absagen oder Anpassungen gefasst machen“, verdeutlicht Horst Milde, der langjährige Race-Director des Berlin-Marathon und Vorsitzender von German Road Races (GRR), die aktuelle Situation.
Als erfahrener Veranstalter umreißt GRR-Chef Milde das Procedere, wie eine moderne, umsichtig organisierte Veranstaltung, nicht zuletzt auch durch die Terrorgefahr bei Massenveranstaltungen, zu strukturieren sei.
„Ein Krisenstab, besetzt mit Genehmigungsbehörde, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Event-Management, muss noch kurz vor einer Veranstaltung abwägen, ob irgendwelche Gefahrenpunkte die Durchführung gefährden bzw. welche Maßnahmen ergriffen werden müssen“.
Entnommen dem Lauf- Jahresmagazin „road races 2020“ von German Road Races – Wilfried Raatz
Verstärkung und Werbung für den Laufsport in Deutschland!
Neue Mitglieder werden gerne, zur weiteren Stärkung der Position des Laufsports, innerhalb der Leichtathletik, aufgenommen. Stärken Sie die Gemeinschaft der Laufveranstalter und Lauf-Gemeinschaften und zeigen Sie sich solidarisch!
Interessierte Veranstalter und Laufsportvereine, die an der Weiterentwicklung des Laufsports in Deutschland mitwirken und teilhaben wollen, wenden sich bitte an: office@germanroadraces.de
Die Stimme des Laufsports in Deutschland:
German Road Races (GRR) e.V. – Logo