Die dreifache Berglauf-Europameisterin Maude Mathys (Schweiz ) - Foto: Wilfried Raatz/wus-media
Berglauf-Weltmeisterschaften 2019 in Patagonien: Showdown der Bergläufer mit vielen Unbekannten – Wilfried Raatz berichtet
450 Athleten aus 42 Ländern werden für die Welt-Titelkämpfe in Villa La Angostura erwartet – Normal- und Langdistanz an zwei aufeinander folgenden Tagen schließt Doppelstart praktisch aus – Erfolgsgewohnte afrikanische Läufer treffen auf hierzulande zumeist unbekannte Südamerikaner – (Erfolgs-)Trauben hängen für die europäischen Läufer sehr hoch – Aus deutscher Sicht: Wie stark ist Berglauf-Einsteiger Laura Dahlmeier auf der Langdistanz?
Praktisch termingleich finden im argentinischen Villa La Angostura die 35. Berglauf-Weltmeisterschaften auf der Normal- und die 16. Berglauf-Langdistanz-Weltmeisterschafen statt. Bei diesem Showdown der Berglaufspezialisten werden 450 LäuferInnen aus 42 Nationen erwartet. Wegen der gerade für Europäer überaus weiten Anreise und der Termingleichzeit sind die gemeldeten 450 Teilnehmer eher als Rückschritt zu werten, während hingegen die 42 Nationen eine absolute Rekordmarke darstellen.
Freilich allerdings der Tatsache geschuldet, dass nahezu alle laufaffinen südamerikanischen Länder bei diesem Weltchampionat vertreten sind, während die Europäer schon alleine aus Kostengründen nur kleine Teams in die Konkurrenzen am 15. und 16. November nach Patagonien schicken.
Den Auftakt bilden am Freitag (16.) die Bergläufer auf der Normaldistanz, die bedingt durch den jährlich vorgenommenen Wechsel diesmal auf einem Bergauf-bergab-Parcours stattfindet. Nach der Anpassung der Streckenlängen für Frauen und Juniorinnen betragen die Distanzen 6,6 km mit 393 Höhenmetern für die U20-Klassen und 14 km mit 754 Höhenmeter bei den Männern und Frauen. Die Langdistanzentscheidungen finden am Samstag (17.) auf 41,5 km und 2.184 Höhenmetern statt.
Nicht zuletzt wegen der Dominanz der afrikanischen Athleten aus Kenia und Uganda (Läufer aus Äthiopien und Eritrea fehlten zumeist bei den Weltmeisterschaften) auf der Normaldistanz konzentriert sich das Interesse vieler europäischer LäuferInnen auf die Langdistanz. Auffällig hierbei insbesondere das Engagement der Schweiz, die bei den Frauen mit der dreifachen Europameisterin Maude Mathys, der mit bemerkenswertem Erfolg umgestiegenen früheren Orientierungslauf-Weltmeisterin Judith Wyder sowie Simone Troxler und Therese Leboeuf ein Team an den Start schicken, das durchaus Chancen auf Gold haben wird. Zu den Medaillen-Kandidaten sind gewiss die Trail-Weltmeisterin Blandine L’Hirondel (Frankreich) und die Trail-WM-Dritte Sheila Aviles (Spanien) zu zählen.
Aus deutscher Sicht interessiert vor allem das Abschneiden von Laura Dahlmeier, die nach Beendigung ihrer großartigen Biathlon-Karriere offenbar eine mit Grenzen strukturierte zweite Karriere in der Sommersport-Disziplin Berglaufen beginnt – und dabei auf Anhieb auf einige erfahrene Leistungsträgerinnen auf der Langdistanz treffen wird. Im Berglauf gibt es gewiss Parallelen, denn die italienischen Skilanglaufasse Manuela Di Centa und Antonella Confortola haben über Jahre hinweg mit Spitzenleistungen auch im Sommer überzeugen können. Trotz ihrer erst drei Jahre währende Karriere als Bergläuferin kann auch Stefanie Doll, die Schwester des Biathlon-Sprint-Weltmeisters Benedikt Doll, bereits einige Erfahrungen im Berglauf einbringen. Die Läuferin aus Hinterzarten wusste gerade erst vor wenigen Wochen beim Berlin-Marathon mit einer Klassezeit von 2:35 auszuwarten. Beleg dafür, dass sie konditionell bestens vorbereitet zu sein scheint, in Patagonien kommen nun allerdings auf einem stetigen Bergauf-bergab-Kurs noch 2.184 Höhenmeter hinzu.
Bei den Männern scheint zumindest für die Teamwertung vieles für Italien mit den Assen Francesco Puppi und Alessandro Rambaldini zu sprechen. Die Schweiz ist mit Stefan Lustenberger, Jonathan Schmid und Stephan Wenk vertreten. Trotz zahlreicher Ungereimtheiten im Vorfeld der Nominierung setzt man beim DLV auf Moritz auf der Heide, Florian Reichert und den Zermatt-Marathon-Sieger Benedikt Hoffmann, der bereits im Sommer mit dem 50 km-Team WM-Silber gewinnen konnte.
Werfen wir noch einen Blick auf die Konkurrenzen der Normaldistanz. Der DLV verzichtet hier gänzlich auf einen Start, während Österreich und die Schweiz hier mit wenigen Athleten vertreten sind. Auffällig sind vor allem die eher geringen Meldezahlen im U20-Bereich mit 46 bzw 40 Nennungen, gespannt darf man zumindest auf das Abschneiden der in Zermatt zum Europameistertitel laufenden Barbora Havlickova (Tschechien) und Joer Dugdale (Großbritannien).
Bei den Frauen strebt die Kenianerin Lucy Wambui Murigi eine erfolgreiche Titelverteidigung an. Allerdings scheint sie nach verletzungsbedingter Abstinenz noch nicht wieder die Form der Jahre 2017 und 2018 zu haben, denn die irische World-Cup-Siegerin Sarah Mc Cormack ist ihr in den letzten Rennen der Saison praktisch auf Augenhöhe gefolgt. Eine Medaillenanwärterin ist gewiss auch Sarah Tunstall (Großbritannien), die Siegerin am Großglockner und beim Drei Zinnen-Alpine Run in Südtirol. Gegen die Kenianerinnen des run2gether-Teams haben Frankreich, Großbritannien und Italien durchaus im Kampf um die Mannschaftstitel eine Chance.
Gegen die Uganda-Läufer mit dem letztjährigen Weltmeister Robert Chemoges dürften die in Europa lebenden kenianischen Läufer um Robert Panin Surum ebenso wenig eine Chance haben wie der World-Cup-Sieger Andrew Douglas, dessen britischer Teamkollege und Europameister Jacob Adkin, der US-Läufer Joseph Gray oder auch der Italiener Xavier Chevrier.
Wilfried Raatz