Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Athleten Deutschland: Säbelfechter Hartung schärft die Waffen – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Die Interessenvertretung der Spitzensportler und ihr Präsident rüsten sich für die Auseinandersetzung mit dem IOC über die Beteiligung am Milliarden-Erfolg der Spiele.
Säbelfechter Max Hartung und Athleten Deutschland schärfen ihre Waffen. Die Interessenvertretung der Spitzensportler und ihr Präsident haben auf ihrer erst zweiten Mitgliederversammlung am Wochenende in Düsseldorf einstimmig das Ziel in ihre Satzung aufgenommen, Verbandsklagerecht zu schaffen.
Damit rüsten sie sich etwa für die Auseinandersetzung mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) über die Beteiligung am Milliarden-Erfolg der Spiele oder mit dem deutschen Sport über Nominierungskriterien. Sobald die Athletenvertretung in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß Unterlassungsklagengesetz aufgenommen wird, ist sie in Kartellfragen klageberechtigt und nicht darauf angewiesen, dass ein einzelner Athlet klagt.
Es gehe nicht darum, eine Drohkulisse aufzubauen, sagte Johannes Herber, seit September hauptamtlicher Geschäftsführer der Organisation mit Sitz in Berlin, sondern vielmehr darum, einen Werkzeugkasten zu schaffen zum Schutz der Athleteninteressen. Zahlreiche Schlachtfelder zeichneten sich ab, doch erst einmal gelte es, nach innen zu wirken. Auch Hartung betonte, dass es gelte, die Struktur und die Präsenz in den 65 Sportverbänden zu stärken. 54 Athletenvertreter gehören zu den 513 Vereinsmitgliedern.
Die Zahlen sind eindrucksvoll für den Anfang, doch allein von den gut viertausend von der Sporthilfe geförderten Kaderathleten ist demnach lediglich jeder Achte dabei. Mit dem Angebot kostenloser Rechtsberatung und mit Workshops sollen Mitglieder gewonnen werden. Ihre größte Wirkung werde Athleten Deutschland entfalten, auch international, lautet die Parole von Hartung, wenn sie zu Hause einen guten Job mache.
Bei Erfolgen wie der direkten Millionenförderung von Athleten durch den Bund, wie sie Hartung für diejenigen durchgesetzt hat, die nicht bei Bundeswehr und Polizei beschäftigt sind, ebenso wie bei der Finanzierung der Geschäftsführung von Athleten Deutschland mit fast einer halben Million Euro jährlich und wie der sich abzeichnenden Schaffung von Rentenansprüchen für Spitzensportler (ebenfalls durch den Bund) soll es nicht bleiben.
Die Athleten machen sich dazu Kriterien der Spitzensport-Reform zu eigen – was raffiniert wirkt, da sowohl Bundesinnenminister Horst Seehofer als auch neuerdings Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), statt Medaillen von den deutschen Athleten Freude und Unbeschwertheit fordern.
Dadurch könnte der Eindruck entstehen, die Spitzensportreform habe sich erledigt. „Wir wollen natürlich erfolgreich sein“, widersprach Hartung in Düsseldorf. „Es ist nicht so, dass Medaillen keine Rolle spielen.“ Sie seien aber nicht Ziel von Spitzensport; nicht das Medaillentableau solle gefeiert werden, sondern die Personen, die mit ihrer Leistung und ihrer Persönlichkeit die Medaillen zum Glänzen bringen.
Eine Stärkung ihrer Position erkennen die Athleten allerdings in der Liste der Kriterien jener Potentialanalyse (PotAs), welche der Bund dem Sport zur Überprüfung von Reform und Reformwillen aufgezwungen hat. Einst sollten aus ihr Cluster unterschiedlicher Finanzierung bis hin zur Streichung von staatlicher Förderung abgeleitet werden; heute entsteht aus ihr eine Rangliste von zweifelhaftem Wert, da in den Strukturgesprächen und der Förderkommission aus Innenministerium und DOSB keine Verbindlichkeit besteht, die Ergebnisse von PotAs zu berücksichtigen.
Auch Good Governance und das Maß der Professionalisierung werden dort evaluiert, Prävention von Belästigung und Missbrauch, die Existenz eines Athletenmanagements, eines Konzeptes für Nachwuchsförderung sowie einer hauptamtlichen Stelle für Bildung und Personalentwicklung. Auf all dies haben Sportlerinnen und Sportler in ihren Verbänden ein Recht, sagen Hartung und Herber, und sie sollten darauf bestehen. „Sportler wollen nachvollziehen, warum welche Förderentscheidung fällt“, sagt Hartung.
Leider sei nicht klar, wie die Analyse durch PotAs auf der einen und die Entscheidungen von Geldgeber Bund und Sportführung auf der anderen Seite zusammenhingen.
Sollte ein Verbandspräsident die Vorstellung gehabt haben, er könne die Kriterien von PotAs als unverbindlichen Wunschzettel für die Ausstattung eines idealisierten Verbandes abtun, dürften Athleten Deutschland ihn schon bald eines Besseren belehren.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 29. OKtober 2019
Korrespondent für Sport in Berlin.