World Athletics Council has today confirmed the competition format for a cross country event to be included in the Olympic Games. - Cross Country in Berlin 1989 - Photo: Horst Milde
30 Jahre Mauerfall Berlin – 26. BERLINER CROSSLAUF am 12. November 1989 – Teil I – Horst Milde berichtet
In diesen Wochen wird bundesweit über das Ereignis des BERLINER MAUERFALLS vor 30 Jahren in allen Medien und der Öffentlichkeit gesprochen und diskutiert. Ein einschneidendes Erlebnis für alle, die es erlebten.
Vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 war Berlin von einer Mauer umgeben. Mehr als 28 Jahre litten die Berliner unter dieser Mauer.
Wenig oder gar nicht wird in diesem Zusammenhang aber über den Sport gesprochen, der sich zumindest in Berlin, von heute auf morgen nach 28 Jahren des Abgeschlossenseins, völlig neuen Entwicklungen ausgesetzt sah.
Der Berliner Cross-Country-Lauf des SCC am Teufelsberg, bis dato eine (West-) Berliner Traditionsveranstaltung mit 25 Ausgaben wurde zur ersten Sportveranstaltung, die nach dem Mauerfall plötzlich im Mittelpunkt des Interesses stand, da hier Läufer und Läuferinnen nach 28 Jahren wieder gemeinsam ihrem Sport nachgehen konnten, ohne irgend jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen.
Der Berliner Crosslauf war inzwischen zum Treffpunkt der bundesdeutschen Langstreckenspitzenklasse geworden und schmückte sich auch mit internationalen Siegern.
Er hatte einen hohen Stellenwert in der deutschen Leichtathletik und stand kurz vor seiner 26. Auflage am Sonntag, dem 12. November 1989.
Die „Großmutter“ der Berliner und bundesdeutschen Breitensportveranstaltungen, der Berliner CROSSLAUF am Teufelsberg, wurde durch den Mauerfall zusätzlich plötzlich zum Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung des Laufsports in Deutschland.
Am 5.11.1989 nahm ich mit Sohn Mark am 20. New York City Marathon teil. Mark war damals Austauschschüler in der „Billing West High School“ in Billings/Montana. Wir trafen uns zum gemeinsamen Laufen beim Marathon in NY. Vorher besuchten wir den ehemaligen Berliner Günther Erich und seine Frau Rosemarie, die in Newark lebten. Wir durften in ihrem Haus schlafen und wurde sehr freundlich aufgenommen.
Mark Milde (lks.), Horst Milde (mit weißer Mütze) und Heiner Marin (r.) beim Vorbereiten des Starts beim NYC Marathon – Foto: Renate Marin
Er flog sogar mit uns in einer Cessna seines Vereins den Hudson River rauf- und runter bis zur Verrazano Narrows Bridge, Start des NYC Marathon.
Nach dem Lauf zogen wir in ein Hotel in New York, wo wir im US Fernsehen abends seltsamerweise eine Sendung mit der Rede von Hans-Dietrich Genscher vom 30.9.1989 vom Balkon der Deutschen Botschaft in Prag sahen, in der er den DDR Flüchtlingen die Ausreisemöglichkeit verkündete.
Am Mittwoch, dem 8.11.1989 flog Mark zu seiner Gasteltern nach Billings und ich flog zurück nach Berlin. Dort traf ich am Donnerstag, dem 9. November 1989 wieder ein.
Am Abend sah ich dann in der Berliner Abendschau beim SFB (damals Sender Freies Berlin) eine Übertragung der jetzt berühmten Pressekonferenz von Günter Schabowski. Den Hinweis der Ausreisemöglichkeit der DDR Bürger „nach dem Westen“, erschloß sich mir in diesem Augenblick nicht. Vielleicht war der jetlag schuld.
Am Freitag, dem 10. November 1989 morgens gegen 6.00 Uhr dann ein Anruf von Mark aus Billings/USA:
„Ihr macht da in Berlin Revolution und ich sitze hier in der Provinz“. Wobei wir die „Revolution“ noch gar nicht so richtig mitbekommen hatten.
In Billings kam um 12:40 Uhr sein Lehrer Mr. Anderson in seine Klasse und verkündete „Bei Euch in Berlin ist die Mauer gefallen“!
Fortan war Mark in der Schule die gefragteste Person, der in allen Klassen der Schule Vorträge über Berlin halten musste.
Bei der Bäckerei-Konditorei „Milde“ am Tempelhofer Damm sah die Welt bei Geschäftseröffnung gegen 7.00 Uhr morgens auch ganz anders als sonst aus, der Tempelhofer Damm wimmelte von Trabis und Wartburgs!
Kurz nach der Eröffnung stand dann vor der Bäckerei ein Aufsteller mit der Aufschrift : „Hier erhalten Ostberliner und Bürger der DDR gratis Kaffee und ein Lebkuchenherz“ zum Empfang in die BRD.
Aufsteller zum Empfang der Ostberliner- und DDR-Bürger vor der Bäckerei-Konditorei Milde am Tempelhofer Damm 192 am 10.9.1989 – Foto: Sabine Milde
Am Vormittag schon hatte ich eine Live-Schaltung des Schweizer Rundfunks mit dem Journalisten
(und Organisator der „10 Meilen von Bern“) Heinz Schild, der mich interviewte und mich ausfragte, wie groß denn nun der Berlin-Marathon in Zukunft werden würde.
Aus London rief mich danach Michael Coleman an, Redakteur der Londoner „Times“. Er kam jährlich zum Berlin-Marathon und berichtete vom Lauf für die englische Sportpresse. Er schlug mir gleich vor, unbedingt einen Neujahrslauf am 1.1.1990 vom Olympiastadion zum „Roten Rathaus“ und zurück zu organisieren.
Plötzlich war Berlin nicht nur politisch sondern auch in sportlicher Hinsicht in aller Munde.
Am Freitag, dem 10. November 1989 schickte ich sofort – per Fax einen Pressedienst an die Medien mit der Überschrift: „Kostenlose Teilnahmemöglichkeit für DDR-Läufer beim Crosslauf“ am 12.11.1989 am Teufelsberg“.
„Aufgrund vieler Anfragen von DDR-Läufern teilt der SCC Berlin mit, daß die Läuferinnen und Läufer aus der DDR kostenlos teilnehmen können“.
Pressedienst vom Freitag, dem 10. November 1989: „Kostenlose Teilnahmemöglichkeit für DDR-Läufer beim Crosslauf: Foto: Horst Milde
Vorher sollte aber noch eine skurrile – oder auch weitsichtige – familiäre Begebenheit geschildert werden.
Sabine Milde, schrieb, während ich beim Marathon in New York war, eine Postkarte an die Familie Roland Winkler in Ost-Berlin. Roland Winkler war uns bekannt, nachdem er 1988 „unerlaubter“ Weise am Berlin-Marathon teilnahm und dann danach groß auf dem Cover der Laufzeitschrift „SPIRIDON“ abgebildet war.
Roland Winkler (X348) am Start des 15. BERLIN-MARATHON am 9. Oktober 1988, was er „unerlaubterweise“ machte, statt zu seiner alten Tante nach Nürnberg zu fahren.
Die Postkarte wurde am 4.11.1989 in West-Berlin an die Familie Winkler in Ost-Berlin abgeschickt und kam dort am 10.11.1989 mit dem folgenden Text an:
… „Horst ist in New York und wird hoffentlich das Ziel erreichen, er hat überhaupt nicht trainiert.
Und wie geht es Euch? Wann setzt Ihr Euch in die U-Bahn und kommt zu uns? Quartier vorhanden für den Familienbesuch.“ …
Die Postkarte von Sabine Milde aus Berlin (West) an die Familie Roland Winkler in Ost-Berlin – Foto: Roland Winkler
Am Freitag, dem 10.11.1989 wurde ich am Spätnachmittag in unseren Laden gerufen, “ Da will dich
jemand sprechen“! Die Familie Winkler mit Roland und Ingelore Winkler und den Töchtern Kathie und Janina stand dort und winkte mit einer Postkarte: „Wir sind, wie gewünscht, gerade mit der U-Bahn gekommen“. (Bild)
In der Bäckerei, Ingelore Winkler (lks.) wedelt im Laden mit der Postkarte, Sabine Milde, Roland und Janina Winkler (v.lks.) – Fotos: Winklers
Das gab natürlich ein großes Wiedersehen, die Familie schlief bei uns und Roland half mir am Sonntagmorgen beim 26. Berliner Cross-Country-Lauf 1989.
Dieser Lauf hatte nach 28 Jahren zum ersten Mal wieder Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus dem Ostteil der Stadt und der DDR. Es gab mit den etwa 40 – 50 Teilnehmern ein gemeinsames Foto, das ist aber bis heute nicht auffindbar … und wird vielleicht mal später eingefügt. Dafür berichtete der Tagesspiegel:
Beim Cross am Teufelsberg 1989: Roland Winkler, Olaf Pilz und Gerd Engel (Stendal) (v.lks.) – Foto: Roland Winkler
Die Urkunde vom 26. Berliner Cross-Country-Lauf am Teufelsberg – Foto: Horst Milde
Viel wichtiger aber in diesem Zusammenhang muss noch folgendes erwähnt werden: Am Nachmittag, nach Ende des Crosslaufes gegen 16.00 Uhr trafen wir uns (Roland Winkler aus Ostberlin, Gerd Engel aus Stendal, Dr. Detlef Dalk aus Zepernick und Olaf Pilz, als Begleiter), bei mir zu Hause zum Kaffeetrinken mit Kuchen.
Beschließen Großes: (v.lks.) Roland Winkler, Dr. Detlef Dalk, Horst Milde, Gerd Engel und Olaf Pilz. – Foto: Sabine Milde
Wir beschlossen am 1.1.1990 den 1. Gesamt-Berliner NEUJAHRSLAUF zu organisieren!
Start 14.00 Uhr, Startort Straße des 17. Juni, zwischen Siegessäule und der Entlastungsstraße (die es heute nicht mehr gibt).
Ein symbolischer Auftakt für die Läufer aus beiden Teilen Berlins sollte es sein.
Und auch am 30. September 1990 sollte der 17. Berlin-Marathon unbedingt durch beide Teile Berlins und das Brandenburger Tor führen.
Diese neu gegründete „Initiativgruppe der DDR“ schreibt an den Oberbürgermeister (der Haupstadt der DDR) Erhard Krack und ich an den Regierenden Bürgermeister Walter Momper mit der Bitte, diese Idee und Initiative zu unterstützen und zur Realisierung beizutragen.
Diese Schreiben gingen zur Post noch am 12.11.1989 und am 14.11.1989.
Beide Läufe, der 1. Gesamt-Berliner Neujahrslauf am 1.1.1990 und der 17. Berlin-Marathon am 30. 9.1990 wurden, das ahnte man zu diesem Zeitpunkt am 12.11.1989 nicht, zu sporthistorischen Weltereignissen mit einem großen Echo in den internationalen Medien und in der Sportöffentlichkeit werden (siehe die Scans/pdfs am Ende des Beitrags)
Und was den Berlin-Marathon angeht, waren die sportlichen Ergebnisse am 30.9.1990 mit dem ersten Lauf durch das Brandenburger Tor und der erzielten Weltjahresbestzeit im Marathon des Siegers Steve Moneghetti aus Australien der Durchbruch in die internationale Elite des Marathonlaufens.
Dieser Lauf entwickelte sich mit den bisher elf erzielten Weltrekorden zum schnellsten Lauf der Welt.
Horst Milde
Übrigens: Der 56. Berliner Cross-Country Lauf findet am 26./27.10.2019 in der Döberitzer Heide statt (runderneuert unter 8. Cross Days 2019).
Cross Days Berlin 2019: Fast 2.500 Läufer stellen sich der großen Sauerei und treffen sich im Darkroom! https://germanroadraces.de/?p=138464
Wird fortgesetzt:
II. Die Berliner Silvesterlauf 1989 und der 1. GESAMT Berliner Neujahrslauf am 1.1.1990
III. 17. BERLIN-MARATHON am 30. September 1990 (Der Wiedervereinigungs-Marathon!)
1989 Anschreiben an Regierender Bürgermeister Momper wg. Neujahrslauf 1990 und Berlin-Marathon 1990 – Horst Milde
1989 Anschreiben an Oberbürgermeister Krack wg. Neujahrslauf 1990 und Berlin-Marathon – 1990 Roland Winkler
Die Geschichte des BERLIN-MARATHON in einem Youtube-Video
Video: Zeitzeuge „Horst MILDE – Berlin“ – Produktion: Helmut Winter
https://www.youtube.com/watch?v=sEGve18Drf8
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