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02
09
2019

Unter einem heißen Stern? Lauf-Impressionen vom 21. Mercedes-Benz Halbmarathon in Berlin-Tegel – am 1. September 2019 von Dr. Erdmute Nieke

By GRR 0

Als ich morgens um kurz nach halb acht auf mein Fahrrad steige, zeigt das Thermometer bereits 26 Grad. Mein Ziel ist das große Autohaus in Berlin-Tegel. Ich fahre ein Stück auf der Laufstrecke entlang. Die Helfer*innen beziehen bereits ihre Posten und der ADAC ist damit beschäftigt, noch parkende Autos auf der Laufstrecke abzuschleppen. Eine gewisse Freude erfüllt mich, heute haben die Läufer*innen Vorrang und das bei einer Veranstaltung, die vom Sternen-Auto-Hersteller gesponsert wird. Auf meiner Startnummer, die ganz schnell und super organisiert abgeholt ist, prangt groß der Stern.
Vom Himmel scheint der große Stern schon so warm, dass alle Schatten suchen. Die Toilettenschlange ist viel zu lang für die vier Dixis, die Schlange an der anderen Dixi-Ansammlung war noch länger. Wir versuchen uns in Hochrechnungen, ob wir es noch pünktlich zum Start schaffen. Einige erzählen, dass die Toiletten des großen Autohauses von Helfern bewacht werden und nicht benutzt werden dürfen!! Warum trage ich den Stern auf meiner Startnummer? Es wird sehr knapp, eine Minute vor dem Start bin ich endlich im Startfeld. Los geht es! Fast 1000 Läufer*innen begeben sich auf die Halbmarathon-Strecke.
Es ist ein typischer Berliner Lauf. Viele Gesichter kenne ich, viele nehmen das Tempo aus dem Lauf, die sonnige Straße fühlt sich heiß an. Der Schweiß tropft. Der erste Wasserstand nach 2,5 Kilometern ist perfekt organisiert: groß und reichlich Wasser. Nebenbei ein kurzer Blick auf das Reinickendorfer Rathaus. Weiter geht es durch die Siedlung Borsigwalde. Eine typische Berliner Stadtrandsiedlung, entstanden in der großen Zeit der Borsig-Werke. Viele Anwohner freuen sich über die sonntägliche Abwechslung und etliche haben ihre Rasensprenger auf die Stecke gestellt. Herrlich, DANKE!
Das Läuferfeld entzerrt sich, ich laufe nur nach Puls, ein Mitläufer überholt mich und fragt, ob ich in diesem Jahr wieder bei der Säger-Serie starte. Klar doch! Das laufende Berlin kennt sich. Der nächste Wasserstand befindet sich in der Tegeler Fußgängerzone. Sonntäglich Kaffee- und Frühstücksbesucher sitzen auf den Draußenplätzen und schauen mürrisch auf diese Verrückten, die bei dieser Hitze durch die Gegend rennen. Ich muss dafür auf fett gefüllte Frühstücksteller schauen. Auch nicht immer einfach.
Dann kommt die Uferpromenade des Tegeler Sees. Die Ausflugsdampfer schwimmen startklar auf dem See und verbreiten einen hässlichen Dieselgestank. Zum Glück können wir ja weiter rennen, während die Fahrgäste warten und sich die Zeit mit Beifall für die Laufverrückten vertreiben.
Bei Kilometer acht ein Sonderwasserstand! Super, DANKE an den Veranstalter. Bei Kilometer neun, es ist gerade etwas unübersichtlich, da wir die große Kreuzung am Borsig-Tor kreuzen müssen, überholt mich ein Polizeimotorrad mit Blinklicht auf dem Fußweg – UND – es kommt der schnellste Halbmarathoni, der bereits seine zweite Runde fertig hat. Wahnsinn! Ich kann nicht lange darüber nachsinnen. Vor mir kollabiert ein Läufer! Er hat zum Glück souveräne Mitläufer*innen um sich. Als ich ihn erreiche, kümmern sich bereits fünf Leute um ihn. 300 Meter weiter wird eine Frau bereits von den Sanitätern versorgt. Auch sie liegt auf der Laufstrecke. Und ich muss noch gute elf Kilometer laufen! Kurzer Puls-Check: Alles o.k. Mein Tempo ist etwas über 7:00. Ich möchte nicht zusammenklappen, also schön gemütlich weiter. Die Helfer*innen an den Wasserständen versorgen uns unermüdlich. Entspannte Polizisten sperren gemeinsam mit Helfer*innen die Straßen für uns. Wir können die roten Ampeln gefahrlos passieren. In der Borsigwalde-Siedlung ist die Laufstrecke schon so leer, dass eine Familie jeden Läufer einzeln mit einer Gartendusche abduschen kann. Ich drehe mich unter dieser herrlichen Dusche um von allen Seiten das kühlende Nass zu erhalten. Ein gutes Stück laufe ich mit einem Läufer, der mich anspricht, dass er mich beim Mauerlauf vor zwei Wochen gesehen hat: Laufgespräche über kühle Marathonstrecken.
Dann wieder ein einsames Stück die Berliner Straße entlang. Ich genieße, dass diese Einkaufsstraße, durch die sonst die Autos zweispurig fahren, heute so ruhig ist. Ich denke über das Datum nach. Heute ist der 1. September – Weltfriedenstag – heute vor 80 Jahren haben meine Urgroßväter Polen überfallen und in zwei Bundesländern ist heute Landtagswahl. Hoffentlich wiederholt sich Geschichte nicht… Die Fußgängerzone reist mich aus meinen Laufgedanken. Die Frühstücksteller sind nachgefüllt. Die Leute schauen immer noch zweifelnd auf diese schwitzenden und nassen Läufer*innen. Die Schiffe mit dem Dieselgestank sind verschwunden, dafür sehe ich einen wunderschönen Schwan und eine Graugans-Kolonie an der Uferpromenade.
Am Sonderwasserstand ist es inzwischen so leer und so viel Wasser übrig, dass wir eine Flaschendusche erhalten. Der Inhalt einer 1,5-Liter Wasserflasche fließt meinen Rücken hinunter, manchmal ist es eben vorteilhaft, eine langsame Läuferin zu sein! Mein T-Shirt gibt nun ein kühles Nass für die letzten zwei Kilometer ab. Nochmal durch das Borsig-Tor und gleich ist es geschafft.
Die Wettkampfuhr zeigt 2:34, als ich ins Ziel laufe! In diesem Jahr ist die Medaille in orange. Sie bekommt zu Hause Gesellschaft von den Medaillen der letzten drei Jahre.
Eine Lauffreundin empfängt mich mit kaltem Zitronentee. Äpfel und Bananen sind ausreichend da!
Die Lauffreund*innen von unserem LT Bernd Hübner sind bei der Tombola versammelt. Alle sind froh, es geschafft zu haben, keiner mit neuer Bestzeit.
Das nasse T-Shirt wird nun langsam zu kalt! In meiner Fahrradtasche ist ein frisches, umgezogen radle ich ganz langsam nach Hause. Unterwegs noch ein Stopp beim Bäcker. Zu Hause zeigt mein Thermometer 30 Grad im Schatten.
DANKE an die Organisation für diesen 21. Tegeler Halbmarathon. Drei Vereine aus dem Berliner Norden arbeiten hier so toll zusammen: VfL Tegel, VfB Hermsdorf und RC Tegel.
2019 war ein Lauf unter einem heißen Stern! Wie wird es 2020? Ich werde hoffentlich wieder dabei sein.

author: GRR