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14
07
2019

Symbolbild - Foto: Hannover Marathon - eichels Event

TOUR DE FRANCE 2019 -Julian Alaphilippe und die Gefühle des Siegers Das Spiel mit den großen Emotionen – Von KLAUS BLUME

By GRR 0
ALBI – Keine Frage, alle Welt ist von Julian Alaphilippe hingerissen. Mit welcher Leidenschaft dieser 27jährige Franzose am Sonnabend zum zweiten Male auf der 106. Tour de France das Gelbe Trikot des Gesamtführenden erobert hat!
Wer will in zwei Wochen seinem Sieg in Paris im Wege stehen? „Jeder liebt seinen Stil. So soll er auch weitermachen“,sagt denn auch der Belgier Patrick Lefevere, Alaphilipps Teamchef bei der flämischen Equipe Deceuninck-Quick-Step. Doch Hoffnungen auf den Sieg im berühmtesten Radrennen der Welt schürt Lefevere nicht. Ganz im Gegenteil: „Julian hat uns wiederholt gesagt, dass er andere Ziele hat, bevor er so etwas in Betracht zieht. Erst will er die Weltmeisterschaft gewinnen, dann die Lombardei-Rundfahrt und schließlich die Ronde von Flandern. Erst, wenn ihm das alles gelungen ist, könne er auch.über die Tour de France nachdenken.“
Das kann demnach einige Zeit dauern. 1985 gewann der Bretone Bernard Hinault als bisher letzter Franzose die Frankreich-Rundfahrt. 2016 erklomm dessen Landsmann Romain Bardet aus der Auvergne, wo es am 14. Juli, dem nationalen Feiertag der Franzosen, hinging, die Tour. Und nun? Gestern t am Nationalfeiertag rug Alaphilippe das Gelbe Trikot. Zuvor hatte er seinen Vertrag mit Patrick Lefevere um zwei Jahre verlängert und Alaphilipps 52jähriger Cousin Franck hatte dazu gesagt, er werde auch weiterhin als Coach zur Verfügung stehen. „Doch ich mache es in erster Linie für unsere Familie in Saint-Amand-Montrond – nicht für das Team.“
Wobei Saint-Amand-Montrond mit seinen 9360 Einwohnern nicht gerade der Nabel der Welt ist. Wer dort ein Hotel suchen sollte, findet es im Internet am ehesten unter der Rubrik „Reisen mit Hund.“
Aber zurück zu Alaphilippe und dessen Meister, Patrick Lefevere. Dessen Team hatte in diesem Jahr, noch vor der Tour de France, an die fünfzig Rennen gewonnen – so viele, wie keine andere Mannschaft auf der Welt. Und weil das seit Jahren so ist, steht Lefeveres Equipe auch hin und wieder unter Doping-Verdacht. Allerdings nur hinter vorgehaltener Hand.
Als nämlich die belgische Zeitung Het Laatste Nieuws dergleichen 2007 unter dem Titel „Patrick Lefevere, 30 Jahre Doping“ behauptete, erhielt er 2009 von einem Gericht in Brüssel Schadenersatz in Höhe von 500 000 Euro zugesprochen. Der Richter sprach damals von „Unachtsamkeit und Ignoranz“. Seitdem sind die Doping-Anschuldigungen, zumindest in der Öffentlichkeit, verstummt.
Im letzten Jahr gewann Julian Alaphilippe auf der 105. Tour de France das gepunktete Trikot des besten Kletterers. Deshalb also kurz vor dieser Frankreich-Rundfahrt die Vertragsverlängerung mit Lefevere? „Ich hatte“, sagt der Belgier, „tatsächlich das Gefühl, dass er wirklich den Wunsch verspürte, sein Abenteuer mit uns fortzusetzen, und wir wollten natürlich auch, dass er bleibt. Er ist sehr intelligent und hat eine langfristige Vision, was bedeutet, dass er nicht gleich nach dem „Schatz“ sucht.“ Also nach dem Tour-Sieg?
Lefevere erklärt: „Ich habe mit meinen Fahrern viel Erfolg gehabt. Julian ist einer ihnen, aber er ist nicht der einzige. Nichts fällt einfach vom Himmel, und wenn man ein bestimmtes Niveau erreicht, so ist es das Ergebnis von Menschen in ihrer gesamten Zusammenarbeit.“ Immerhin hatten vor Alaphilippe bereits fünf andere Rennfahrer seiner Mannschaft auf der Tour de France das Gelbe Trikot getragen – ohne diese gewinnen zu können: Richard Virenque, Tom Boonen, Sylvain Chavanel, Tony Martin und Fernando Gaviria. 
Und nun? „Schauen Sie“, sagt Lefevere, „Julian ist mit uns aufgewachsen. Er hat jedes Jahr Fortschritte gemacht, seit er vor sechs Jahren in das Team eingetreten ist. Wenn wir nicht an ihn geglaubt hätten, hätten wir ihn nie behalten. Aber es wäre anmaßend, zu behaupten, wir hätten zu jeder Zeit gewusst, dass seine Karriere diesen Weg nehmen würde, die sie jetzt gerade nimmt.“ 
Es ist ein verrückter Weg: Im Frühjahr Sieg bei Mailand-San Remo, einem der wichtigsten Eintagsrennen der Welt, dann die Übernahme der ersten Position in der Weltrangliste – nun das Gelbe Trikot auf der Tour de France. Großartig sei das, erzählt der erfahrene Patrick Lefevere,  weil er spüre, wie intensiv Julian Alaphilippe zuhören und das Gehörte im Rennen umsetzen könne. Natürlich geschähe dort auch Vieles an Ungestümen, was aber gerade das Publikum – und eben nicht nur in Frankreich – regelrecht hinreißen würde.
„Aber das Radfahren wäre doch nicht das, was es ist, wenn wir keine Fahrer wie Julian hätten, die mit Emotionen fahren.“
Und mit diesen spielen würden.
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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