Unter allen, die am 16. Kölner Abend der Sportwissenschaft zu Wort kamen, erhielt Hajo Seppelt den meisten Beifall des vornehmlich jungen Publikums. - Foto: Bernd Hübner
Ein Schmuddelthema beim Kölner Abend der Sportwissenschaft – 16. „Doping (-kontrolle) – Mittel zum Zweck!?“
Der große Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule Köln war am 16. Kölner Abend der Sport-wissenschaft, mit dem die Hochschule einem großen Zuhörerkreis einen Teil ihrer sportwissen-schaftlichen Forschung näher bringen wollte, fast voll besetzt.
Schließlich interessierte ein Thema, das als einziges in 16 Jahren zum zweiten Mal in diesem Kreis diskutiert wurde: „Doping(-kontrolle) – Mittel zum Zweck!?“
Weitgehend sachlich startete Prof. Dr. Mario Thevis, seit 2017 Leiter des Instituts für Biochemie und Sprecher des Zentrums für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln, die Gesprächsrunde. Die immer raffinierter gewordene Leistungsmanipulation bzw. ihre Verschleierung seit Beginn der 1960er Jahre, als die Sportwissenschaftler den Kampf gegen Doping aufnahmen, fordert die Forscher zu immer größeren Anstrengungen heraus.
Mit immer größerer Sensitivität der Analyseverfahren müsse die Nachweisbarkeit des Abbaus verbotener Wirkstoffe untersucht werden. Das gilt vor allem, wenn es sich um die Nachproben z.B. nach Olympischen Spielen handelt. Dabei sei aber auch die Achtung vor Sportlern zu berücksichtigen, die mit verbotenen Substanzen in Kontakt geraten sind und dann des Dopings verdächtigt wer-den, ohne dass der Kontakt vermeidbar war. Thevis verwies auf den Kontakt mit kontaminierten Banknoten. „Die Fortschritte der Wissenschaftler haben aber das Spektrum der Manipulation verringert“, sagte er, wohl wissend, dass es immer noch Schlupflöcher gibt.
Doping-Kontrollen – Mittel zum Zweck? Steffi Nerius, die auf Rügen geborene einstige Welt-klasse-Speerwerferin und jetzige Leiterin des Sportinternats Leverkusen und Trainerin beim TSV Bayer Leverkusen erinnerte daran, dass Petra Felke-Meier 1988 in Potsdam den Speer 80 Meter weit schleuderte. „Für mich als 17-Jährige war es damals nicht einfach, über eine Fortsetzung meiner Leistungssportkarriere nachzudenken. Doch durch die Dopingkontrollen, die Anfang der 90er Jahre im vereinten Deutschland intensiviert wurden, bin ich letztlich 2009 in Berlin mit einer Weite von „nur“ 67 Metern Weltmeisterin geworden“, sagte Steffi Nerius. Aber wenn morgens früh um 6.30 Uhr der Dopingkontrolleur klingelte, sei es auch ihr schwergefallen, für den großen Eingriff in ihre Privatsphäre Verständnis aufzubringen.
„Wir wissen nicht“, meldete sich Dr. Andrea Gotzmann zu Wort, „wie viele Leute nicht dopen, eben weil es Kontrollen gibt. Aber wir sind von der Abschreckung unserer Kontrollen, die nur wenige Möglichkeiten der Unterlaufung des Systems zulassen, überzeugt“, äußerte sich die Vor-standsvorsitzende der NADA selbstsicher. Und es sei wichtig, die Anti-Doping-Forschung zu un-terstützen, so Gotzmann.
Das war Öl in das verbale Feuer des journalistischen Anti-Doping-Kämpfer Hajo Seppelt.
Für ihren großen Aufgabenbereich sei die NADA mit rund elf Millionen Euro Jahresbudget unterfinan-ziert. Dabei würden Milliarden mit und im Sport bewegt, wenn es darum gehe, Sportler zu pu-shen, um sich dann mit ihnen zu schmücken. Wie und unter welchen Umständen Leistungen zustande kommen, interessiere kaum. Selbst große Sportartikelhersteller haben ihre Unterstützung des Anti-Doping-Kampfes inzwischen eingestellt.
Wäre ja auch schlimm, wenn einer ihrer hoch bezahlten sportlichen Werbeträger als Betrüger aufflöge. Über Doping rede man nicht. Das sei ein Schmuddelthema.
„Und was ist mit den Sportlern, von denen verlangt wird: Citius, altius, fortius – also schneller, höher, stärker“? fragt Hajo Seppelt. „Wer die Chance sieht, durch Sport zu Geld zu kommen, nimmt oft die Gefahr des Erwischt-Werdens hin, weil ihm ohne spektakuläre Leistungen oder Triumpfe das soziale Elend drohe.“ Die Heuchelei des Sportsystems aber sei, dass am Ende der Sportler die Folgen der Hauptschuld am Betrug zu tragen habe und nicht die vielen Hintermän-ner. Zum Hintergrund zählt Seppelt auch einen Großteil seiner Journalistenzunft. „Wenn wir ohne kritische Nachforschungen über zweifelhafte Leistungen berichten, dann ist das Heuchelei. Das ist dann ein System, in dem am Ende der Athlet das Opfer ist.“
Unter allen, die am 16. Kölner Abend der Sportwissenschaft zu Wort kamen, erhielt Seppelt den meisten Beifall des vornehmlich jungen Publikums.
Hanspeter Detmer in DOSB Presse