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02
07
2019

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold ©privat

Hyponatriämie – die tödliche Gefahr im Ausdauersport! Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Bei den Lauf- und Triathlon-Veranstaltungen des letzten Wochenendes herrschten teilweise extreme Hitzebedingungen, deshalb soll in diesem Artikel unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Literatur erneut auf die Gefahr der Hyponatriämie hingewiesen und Empfehlungen zu deren Vermeidung gegeben werden.  

Richtlinien für eine adäquate Ernährungsstrategie bei langen Ausdauerwettkämpfen existieren bisher nicht (Knechtle 2013). Das Wissen der Sportler über Ursachen, Gefahren und Prävention einer Hyponatriämie ist unzureichend (Rosner 2008; Williams et al. 2012; Hoffman u. White 2019).

Unter einer Hyponatriämie versteht man einen erniedrigten Natriumspiegel im Blut.

Der Normalwert liegt für Erwachsene bei 135-150 mmol/l. Von einer leichten Hyponatriämie spricht man bei 130-135 mmol/l, von einer moderaten Hyponatriämie bei 125-129 mmol/l und von einer schweren Hyponatriämie unter 125 mmol/l. Zu einer Hyponatriämie kommt es durch Natriumverlust oder durch den Verdünnungseffekt aufgrund einer erhöhten Wasseraufnahme („Wasservergiftung“) oder einer verminderten Wasserausscheidung.

Bei einer Hypoanatriämie enthält das Blut deutlich weniger Natriumionen als die Körperzellen. Wasser strömt aufgrund des osmotischen Gefälles in die Zellen. Besonders gefährlich ist das im Gehirn, wo es aufgrund mangelnder Ausweichmöglichkeit zur Entstehung eines Ödems kommt.

Weitere Ursachen für eine Hyponatriämie sind Volumenmangel und Natriumverlust durch Diarrhö, Erbrechen, Infektion und Verbrennung, Allgemeinerkrankungen (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz), Arzneimittelnebenwirkungen (Diuretika, Antidepressiva, ACE-Hemmer) und hormonelle Störungen (Hypothyreose, Nebenniereninsuffizienz, Hypophyseninsuffizienz). Bei Läufern sehr beliebt ist die Einnahme von Schmerzmitteln vor dem Wettkampf. Diese Mittel können ebenfalls zu einer Verminderung des Natriumspiegels im Blut führen (Whatmough et al. 2018).

Bei rascher Entwicklung einer Hyponatriämie entsteht ein Hirnödem mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Zittern und Krämpfen. In der Folge kann der Betroffene somnolent werden und ins Koma fallen. Die Schwellung des Gehirns macht die Hyponatriämie lebensgefährlich. Bei einem raschen Anstieg des Natriumspiegelns unter der Behandlung kann es zu bleibenden Gehirnschäden (Demyelinisierungssyndrom) kommen. Daher sollte der Ausgleich der Natriumwerte langsam und unter intensivmedizinischer Überwachung erfolgen (Verbalis et al. 2013; Spasovski et al. 2014; Hew-Butler et al. 2015; Hoffman et al. 2017).

Normalerweise signalisiert uns der Körper über das Durstgefühl, wann wir etwas trinken müssen. Auf dieses Signal können wir uns meist verlassen, obwohl auch bekannt ist, dass im fortgeschrittenen Alter das Durstgefühl nachlässt und ältere Menschen dazu neigen, zu wenig Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Demgegenüber gibt es aber keine Belege dafür, dass eine über das selbst eingeforderte Maß hinaus zugeführte Flüssigkeit einen Nutzen hätte. Wer zu viel Wasser trinkt riskiert einen Elektrolytmangel, besonders eine Verringerung der Natriumkonzentration im Blut (Aderhold und Weigelt 2018).

Ein Durstgefühl ist ein deutliches Warnsignal für einen Flüssigkeitsmangel. Der Durstmechanismus ist der entscheidende Regulator (Costa et al. 2019; Hoffman 2019)). Wenn Sie unterwegs Durst verspüren, sollten Sie auf alle Fälle Flüssigkeit zu sich nehmen und dann Sportgetränke vorziehen. Massiv über den Durst hinaus aufgenommene Flüssigkeit bringt keine Vorteile, im Gegenteil: Hierdurch wird die Gefahr einer Überwässerung (Hyponatriämie) hervorgerufen (Trautwein et al. 2009; Scotney u. Reid 2015; Hew-Butler et al. 2015 u. 2017; Krabak et al. 2017). Für die Entwicklung einer Hyponatriämie sind 3 Faktoren verantwortlich: übermäßige Flüssigkeitsaufnahme, eine ungenügende Wirkung von ADH (Antidiuretisches Hormon) und eine fehlende Mobilisierung von Natrium. Man kann eben sowohl zu wenig als auch zu viel trinken.

Todesfälle durch Dehydrierung wurden bei Läufern bisher nicht beschrieben, es gibt aber zahlreiche Berichte über Läufer, die an einer Überhydrierung starben (Heneghan et al. 2012; Aderhold 2015; Nolte et al. 2015).

Auch die Internationale Vereinigung der Marathonärzte (International Marathon Medical Directors Association – IMMDA) empfiehlt, Läufer sollten sich bezüglich Menge und Konzentration der aufgenommenen Getränke und Speisen von ihren Bedürfnissen (Durst, Appetit) leiten lassen.

Nur bei extremen Hitzebedingungen kann ein Trinken über das Durstgefühl hinaus erforderlich sein (Hew-Butler et al. 2006, Noakes 2010). Im Alter (≥ 65 Jahre) und bei niedrigen Außentemperaturen (≤5 ºC) ist die Durstschwelle erhöht, so dass eine frühere Flüssigkeitsaufnahme empfohlen werden kann.  Über das Durstgefühl hinaus aufgenommene Flüssigkeit bringt keine Leistungsverbesserung (Dion et al. 2013).

Reines Wasser wird im Dünndarm langsamer absorbiert als bei Zusatz von Kohlenhydraten und Natrium, die osmotisch wirksam sind und Wasser damit schneller durch die Darmwand transportieren.  Bei höherer Konzentration gelöster Teilchen (hypertone Getränke, z.B. Cola-Getränke, Fruchtsäfte, Limonaden) wird durch Sekretion von Wasser aus dem Blut in den Darm eine Verdünnung vorgenommen, die Absorption wird damit verzögert, was unerwünscht ist.

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

Ein Ersatz von Elektrolyten während der Belastung ist bei kürzeren Wettkämpfen nicht erforderlich, aber bei längeren Läufen von besonderer Bedeutung, insbesondere der Ersatz von Natrium (Zapf et al. 1999; Hsieh et al. 2002; O`Neal et al. 2011; Hoffmann et al. 2012; Rüst et al. 2012; Nikolaidis et al. 2018), wobei ein Großteil des aufgenommenen Natriums über die Niere wieder ausgeschieden wird. Die Höhe des Natriumverlustes durch Schwitzen korreliert nicht mit dem Hyponatriämierisiko. Ein Natriummangel (Hyponatriämie) tritt vor allem dann ein, wenn bei einem langen Wettkampf Wasser oder stark hypotone Getränke konsumiert werden und nicht durch massiven Natriumverlust über den Schweiß (Speedy und Noakes 1999, Almond et al. 2005; Noakes 2012; Hoffman u. Stuempfle 2015; Urso et al. 2014; Scotney u. Reid 2015). Besonders bei langen Ausdauerwettkämpfen wie Marathon, Ultraläufen oder Ironman und ausschließlich Wasser- oder Colazufuhr bzw. Glucosekonzentraten besteht die Gefahr einer Hyponatriämie (Scotney u. Reid 2015). Eine Hyponatriämie wird bei Ultraläufern seltener festgestellt als bei Marathonläufern (Kechtle et al. 2010 u. 2011).

Bei Verwendung von verdünnten Sportgetränken sollten Sie 1-2g/l Kochsalz (ca. ½ Teelöffel)  zufügen. Die beliebten Colagetränke sind hyperton und natriumarm. Sie sollten diese Getränke verdünnen und Kochsalz (1-2 g/l) zufügen. Ein Natriumzusatz begünstigt die Resorption im Dünndarm und wirkt einer Hyponatriämie entgegen, die besonders unter Hitzebedingungen mit Schweißverlust und großer Flüssigkeitsaufnahme auftreten kann. Bei Verwendung von isotonen Getränken mit entsprechendem Natriumgehalt ist eine zusätzliche Natriumaufnahme nicht erforderlich (Hoffman und White 2019). Ungeeignet sind für den Sportler die Trendwässer Volvic, Evian und Vittel, die nur sehr wenig Natrium enthalten.

Fazit:

An den Durst angepasstes Trinken isotoner Sportgetränke ist der beste Schutz vor einer Hyponatriämie.

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

Literatur:

Aderhold L. Hyponatriämie – die tödliche Gefahr im Ausdauersport. www.germanroadraces.de 2015.

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

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