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18
06
2019

Mittsommerlauf mit Dr. Erdmute Nieke im Ziel - Foto: Oliver Hug

Morgens um 4 Uhr 45 – eine Premiere – Impressionen vom ersten Mittsommerlauf im Berliner Volkspark Jungfernheide am 16. Juni 2019 von Dr. Erdmute Nieke

By GRR 0

Mein Wecker klingelt zum Sonntag 3.20 Uhr! Ich kann ganz wenig Tageslicht erahnen.

Mein Frühstück besteht aus einer Banane und los geht es. Das Autothermometer zeigt angenehme 14 Grad, gestern waren es tagsüber 37 Grad.

Auf der Straße durch den Tegeler Forst treffe ich eine Damhirschkuh mit ihrem Kitz und eine Eule fliegt durch die Straße, sonst ist keiner unterwegs.

Doch dann in Charlottenburg-Nord wird es voller, Autos suchen Parkplätze am Rand des Volksparks und im angrenzenden Wohngebiet. In der Morgendämmerung huschen typische Läufer*innengestalten durch die Straßen.

Sie alle haben ein Ziel: Der Wasserturm in der Jungfernheide.

Der Wasserturm in der Jungfernheide um 4.30 Uhr – Foto: Erdmute Nieke

Allmählich wird es hell. Ich hole meine Startnummer ab und das T-Shirt, das im Startgeld enthalten war. Zusätzlich hatte ich Kaffee und Croissant für 3 € geordert. Die werden direkt im Wasserturm ausgegeben. So sitze ich nun um kurz vor halb fünf im frischen und angenehm kühlen Morgen und werde vom Kaffeeduft langsam wach.

Etliche Mitläufer*innen aus unserem LT Bernd Hübner finden sich ein. Die obligatorischen Startfotos werden gemacht. Irgendwie geht alles sehr lärmgedämpft und entspannt zu. Die meisten Läufer*innen tragen die neongelben Shirts. Der Bananenversorgungsstand hat sogar noch Kerzen aufgestellt und die ausnahmslos jungen und freundlichen Helfer*innen wirken alle, als wären sie von den Samstagsabendpartys direkt hier her zum Arbeiten gekommen.

Kerzen und Bananen – Foto: Erdmute Nieke

Pünktlich um 4.45 Uhr – genau zum Sonnenaufgang – durchbricht der Startschuss die morgendliche Parkstille und los geht es zum ersten Mittsommerlauf. Die Parkwege sind nicht immer im besten Zustand. Viele Wege sind sehr grob geschottert oder haben Wurzeln. Doch die Strecke ist mit schönen Ausblicken gelegt, es geht um den Jungfernheidesee mit dem Freibad, über zwei kleine Brücken auf die Insel des Sees. Ich kann über den See blicken und sehe immer neongelbe Punkte der Läufer*innen am anderen Ufer. Ich erkenne, dass der Park sehr schön und symmetrisch mit Sichtachsen zum Wasserturm angelegt ist. Das muss ich noch ergründen, wie das entstanden ist.

Die Vögel im Park singen um die Wette, fast als wollten sie sich beschweren, dass ihre morgendliche Ruhe von so vielen Läufer*innen gestört wird. Leider sind die Reste sommerlicher Parkpartys an einigen Stellen an den überfüllten und viel zu kleinen Mülleimern noch zu sehen. Ansonsten genießen alle die morgendliche Stille und Frische.

Nur wenige Läufer*innen sind schon zum Reden aufgelegt. Die meisten laufen angenehm still durch den Park. Es sind zwei Runden. Bei der zweiten Runde kräht ein Hahn im Tiergehege. Das ist wohl seine Aufstehzeit. Da sind die 5-km-Läufer*innen schon im Ziel. Die Sonne kommt allmählich über die Baumgrenze. Letzte Kurve und das Ziel ist direkt vor dem Wasserturm. Alle erhalten eine schöne gelbe Medaille und es gibt Kekse, Bananen und Getränke.

Bei der Siegerehrung bejubeln wir Lena aus unseren Lauftreff Bernd Hübner auf dem Treppchen, sie hat gewonnen mit 00:43:28.

Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass irgendwie mehr Frauen als Männer unterwegs waren. Sind Frauen die Lerchen und Männer die Eulen? Zu Hause überprüfe ich mein Gefühl in den Ergebnislisten und es stimmt: 243 Männer und 277 Frauen sind im Ziel gelistet.

Respekt für den Veranstalter! Diese Startzeit und die erste Veranstaltung der Art und schon 510 Teilnehmer*innen!

Die Veranstalter sind die Global Rope GmbH, die den Hochseilgarten im Volkspark betreiben und die GID-Projects GmbH & Co. KG, ein junges (so die Gesichter auf der Homepage) Unternehmen, das Laufveranstaltungen in ganz Deutschland organisiert und in Berlin den Halloween-Run an der gleichen Stelle anbietet. Also eine Veranstaltung, die nicht durch einen Sportverein organisiert wird. So erklärt sich für mich auch das Startgeld von 24,50 €. Junge Menschen können sich ihre Existenz sichern, wenn ich renne. Denn auffallend war es wirklich, dass alle Organisator*innen, von den Streckenposten bis zur Moderatorin der Siegerehrung, absolut jung waren.

Nun habe ich auch noch die Geschichte mit der Jungfernheide in der Wikipedia gefunden: Die Jungfernheide erhielt ihren Namen von mittelalterlichen Benediktinernonnen in Spandau, den dieses Wald- und Heidestück gehörte. Die heutige Parkanlage entstand in der Weimarer Republik, auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Es wurden 100 Arbeiter extra für die Errichtung der Parkanlage eingestellt, die Gartenbaudirektor Erwin Barth (1880-1933) entwarf.

Als Gartenbauarchitekt und Professor der TU Berlin kämpfte er für die Volksparkbewegung. Alle Menschen sollten sich in schönen Parkanlagen erholen können. Traurig ist es zu lesen, dass Erwin Barth auf Grund einer zunehmenden Erblindung und der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 den Freitod wählte. Er hat wenigstens ein Ehrengrab auf dem Stahnsdorfer Waldfriedhof erhalten. Heute laufen wir durch seine Ideen, die noch immer zu erkennen sind.

Auch wenn ich nicht zu den schnellen Lerchenläuferinnen gehöre – ich könnte mich nicht erinnern, schon einmal 4.45 Uhr gerannt zu sein – 2020 bin ich wieder dabei.

Denn in diesen heißen Tagen, ist es sehr angenehm in der morgendlichen Frische in den Sommer zu laufen.

Dr. Erdmute Nieke

 

 

author: GRR