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12
06
2019

Start der Mastersfrauen W35 bis W50 bei der DM in Essen mit ganz links Sandra Morchner. - Foto: Wilfried Raatz/ wus-media

Deutsche 10.000 m-Meisterschaften 2019 in Essen: Aber – Hallo! Neben Alina und Richard sorgten aber auch viele andere für besondere Leistungen – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Überzeugende Leistungen quer über alle Klassen hinweg bei den 10.000 m-Titelkämpfen im Sportpark „Am Hallo“ in Essen Stoppelberg

Die Leistungsshow der deutschen Langstreckenszene ist beeindruckend. Im Stadion „Am Hallo“ im Essener Stadtteil Stoppelberg sendeten viele der für internationale Aufgaben ambitionierte LäuferInnen ein „Hallo-Wach-Signal“.

Dabei reichte die Palette von den Weltmeisterschaften in Doha über den 10.000 m-Europacup in London und die Nachwuchs-Europameisterschaften in Gävle (U23) und Boras (U20) bis hin zu den Senioren-Europameisterschaften in Venedig.

Nur schade, dass die Leistungsschau der deutschen Langstreckenszene weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, denn vorrangig Freunde, Familienangehörige und Trainer fanden den Weg ins schmucke Stadion.

Auftakt bei teilweise stark böigem Wind vor zunächst noch fast komplett leeren Rängen im schmucken Stadion war den Seniorinnen W35 bis W50 überlassen. Schon alleine dieser Lauf stellte das Essener Kampfgericht vor eine erste Bewährungsprobe, schließlich gab es hier bereits eine Vielzahl von Überrundungen, was sich im Laufe des Nachmittags und Abends bei den anstehenden sieben 10.000 m- und einem 5000 m-Rennen der weiblichen U20 wie ein roter Faden hinzog. 

Selbst für die Moderation war es teilweise nicht mehr ganz einfach, den Überblick am Mikrophon zu behalten. Der großen Leistungsshow der Langstreckenszene aller Altersgruppen konnte dies ebenso wenig einen Abbruch tun wie der spätere Regenschauer, der für die finalen 10.000 m-Läufe der Männer und Frauen eher Optimierungscharakter hatte.

Titel Nummer drei für Sandra Morchner

Sandra Morchner, Simone Raatz, Christl Dörschel und Melanie Linder trafen in einem hochkarätig besetzten Auftaktrennen aufeinander und hielten die Spannung lange Zeit hoch. Wäre da nicht der furiose Auftritt der 48jährigen Sandra Morchner gewesen, die das gesamte (!) Starterfeld mindestens einmal überrundete und damit nach Freiburg und Düsseldorf ihre drittes herausragendes Titelrennen ablieferte.

„Ich habe noch nie auf der Bahn gestanden“, versuchte sich die für das neue Lauftream Kassel startende spätberufene Läuferin von der idyllischen Ferieninsel Sylt sogar noch eine Rechtfertigung, weshalb sie lediglich auf 35:20,50 Minuten kam. „Der Wind hat den Rhythmus ganz schon gestört“, mussten letztlich sowohl Sandra Morchner als auch Simone Raatz feststellen, „das kann schon bis zu zwei Sekunden pro Runde ausmachen!“

Während Mareike Ressing mit 38:29,19 über drei Minuten später in der W45-Klasse als Vizemeisterin über die Ziellinie lief, machten es die W40-Frauen etwas spannender. Auch wenn Christl Dörschel den Rückstand auf die wie gewohnt furios startende Simone Raatz auf zeitweise fünf Meter reduzieren konnte, am klaren Erfolg für die Darmstädterin gab es bei einer Endzeit von 37:07,94 nichts zu rütteln. Die 43jährige unterstrich mit diesem ersten Erfolg auf der Bahn, die sie praktisch zwanzig Jahr lang bei Wettkämpfen vermieden hatte, ihre Allround-Eigenschaften mit nunmehr der kompletten Titel-Palette mit Bahn, Straße, Cross und Berglauf. Nach 37:25,90 wurde Christl Dörschel Zweite vor ihrer Wendener Teamkollegin Melanie Linder (37:56,95). Den im gleichen Rennen anstehenden W50-Titel holte sich Veronika Ulrich in 39:47,79 („Endlich wieder einmal unter vierzig Minuten!“) vor Gabi Müller-Scherzant (40:48.00).

Einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg zauberte die W55-Erste Alexandra Schwartze auf die Kunststoffbahn, mit 41:18,41 lag sie über eine Minute vor Katjana Quest-Altrogge und Marion Peters-Karbstein. Durch Conny Wagener (W60) und Margret Göttnauer (W65) gingen die nächsten Altersklassentitel nach Hessen. Gudrun Vogl und Maria-Luise Kluge rundeten mit sicheren Siegen die Masterskategorien der Frauen ab.

M40-Sieger Danny Schneider unter der 32-Minuten-Marke

Die drei schnellsten Mastersläufer gehören der M40 an: Allen voran Danny Schneider von der TSG Schwäbisch Hall, der als einziger Läufer unter der 32-Minuten-Marke blieb. Mit 31:56,99 Minuten hatte er praktisch zwanzig Sekunden Vorsprung auf seinen Altersklassenkollegen Dirk Busch (32:15,87) und Tobias Baltesen (32:41,75), im gemeinsamen Rennen folgten dann die jeweiligen AK-Titelträger mit Enrico Dietrich (M35) und Sebastian David Hadamus (M45) dichtauf noch unter 33 Minuten. Als Elfter dieses Laufes holte sich LaufReport-Kollege Marcus Imbsweiler nach 34:40,16 den M50-Titel, zehn Sekunden dahinter folgte mit Markus Zerres bereits der M55-Sieger

Eine „saubere“ Reihenfolge brachte der Lauf der älteren Masters-Kategorien. Auf den Rängen 1 – 3 liefen mit Willi Jöxen (39:01,04), Peter Massny und Richard Luxen die Medaillengewinner der M60 ein, dann folgte mit 39:46,33 mit Helmut Kreidner der M65-Meister. Flott auch die Titelträger Franz Herzgesell (M70) und Edmund Schlenker (M75) mit 42:20,77 bzw. 46:06,89 und jeweils einem Zwei-Minuten-Vorsprung vor den Verfolgern.

Richard Ringer machte nach 8000 Meter den Titel klar

Aus einer kompakten Spitzengruppe mit dem favorisierten Richard Ringer, Titelverteidiger Sebastian Hendel und den bis zur Distanzhälfte folgenden Samuel Fitwi, Simon Boch und Philipp Pflieger erhöhte der Neu-Rehlinger Richard Ringer die Pace und lief in 28:28,89 Minuten nach 2014 zu seinem zweiten 10.000 m-Titel, in übrigens fast der identischen Endzeit. „Ich war heute nicht auf eine bestimmte Zeit aus, das war in dem großen Läuferfeld mit den Überrundungen nicht möglich. Beim Europacup möchte ich dann angreifen….“, so Richard Ringer im Ziel.

Vorjahressieger Sebastian Hendel konnte sich gegen den heranfliegenden 2017er Meister Simon Boch in 28:43,67 und zwei Sekunden Vorsprung ins Ziel retten. Auch Samuel Fitwi blieb als Vierter mit 28:52,03 noch unter der 29-Minuten-Marke.

Hinter dem fünftplatzierten Philipp Pflieger (29:02,15) „schlugen“ gleich vier U23-Junioren eindrucksvoll zu und liefen unter die EM-Norm von 29:30 Minuten. Den Titel holte sich mit Markus Görger der U20-EM-Fünfte von 2017 mit einer eindrucksvollen Leistung mit 29:09,19 Minuten vor Davor Aaron Bienenfeld (29:12,30), Nils Voigt (29:15,17) und Mohamed Mohumed (29:20,79), vor den sich noch Thorben Dietz mit 29:16,10 schieben konnte, der allerdings bereits mit 30 Jahren im gestandenen Männeralter ist. Bei dieser Leistungsklasse ist Mohamed der „Leidtragende“, denn der DLV kann lediglich für das EM-Team drei Athleten benennen.

Im geschlagenen Klassefeld liefen mit Karsten Meier (Halbmarathon 2018), Moritz Beinlich (Halbmarathon 2019) und Jannik Arbogast (10 km 2018) drei Langstreckenmeister auf den Rängen 14, 16 und 17 ein – allesamt in einem Leistungsbereich um 29:30 Minuten. Mit Marathonmann Tobias Schreindl (29:54,14) blieben insgesamt 19 Läufer der 30-Minuten-Marke, die mit Frank Schauer auf Position 20 ein früherer Marathonmeister knapp verpasste.

Alina Reh nimmt Kurs auf Doha und läuft dabei mit 31:19,87 die viertschnellste Zeit einer deutschen Läuferin überhaupt

Am Sieg der erst 22jährigen Alina Reh gab es im weiten Rund des „Hallo-Stadions“ schon vor dem Startschuss keinen Zweifel, aber die Art und Weise, mit der die in Laichingen lebende Alina diese 25 Runden innerhalb der WM-Norm von 31:50 Minuten meisterte, das hat schon Weltklasseniveau!

Die zahllosen Überrundungen bremsten zwar den Schützling von Jürgen Austin-Kerl etwas aus, am Ende durfte sie über 31:19,87 Minuten jubeln. Mit ihren erst 22 Jahren steht sie nun auf Rang vier der „ewigen“ deutschen Bestenliste hinter Kathrin Ullrich (31:03,62), Sabrina Mockenhaupt (31:04,21) und Ulrike Bruns (31:19,76) – und vor den einstigen Weltklasseläuferinnen Uta Pippig und Irina Mikitenko. „Ich war nicht das gesamte Rennen über locker, habe aber meinen Schritt und meinen Flow gefunden. Im Gegensatz zum Nachmittag war es fast windstill, also optimal!“ Und die weitere Saisonplanung? Für Doha ist sie noch nicht ganz schlüssig, für die EM in Gävle jedoch schon, denn in Schweden möchte sie gerne einen Doppelstart über 5000 m und 10.000 m wagen.

Genauso einsam wie Alina drehte Miriam Dattke ihre Runden und wurde als Zweite mit dem U23-Titel belohnt, da Alina Reh für diese Zusatzwertung nicht gemeldet hatte. Die Berlinerin im Trikot der LG Telis Finanz Regensburg verpasste nach einer Klausur am Vormittag und einer beschwerlichen Zuganreise mit Ankunft eine Stunde  vor ihrem Start ihre Bestmarke mit 32:50,10 Minuten dabei um zehn Sekunden. Die Bronzemedaille holte sich die Marathonläuferin Katharina Steinruck (geborene Heinig) in 33:35,18 Minuten vor Rabea Schöneborn (33:37,78), das angestrebte Ziel, Startrecht beim Europacup (Limit 33:15), verpassten jedoch beide. Schon nach 3000 m war das Rennen bereits für die Titelverteidigerin Anna Gehring beendet, nachdem sie anfangs hinter Alina Reh noch auf Rang zwei gelaufen war.

Noch ein Blick auf die U23-Wertung. Hinter Miriam holte sich Leah Hanle in 33:48,83 die Silbermedaille vor der Berglauf-Europameisterin Lisa Oed (34:09,07), die beide durch ihr couragiertes Rennen die EM-Norm für Gävle von 34:35 Minuten unterbieten konnten.

Auch der U20-Nachwuchs auf EM-Kurs

Dank seiner Spurtstärke sicherte sich Marius Abele in 31:25,38 Minuten den U20-Titel vor seinem Hanauer Teamkollegen, dem deutschen Cross- und Berglaufmeister Dominik Müller (31:33,00). Der Titelverteidiger Elias Schreml verzichtete diesmal auf einen Start und zog stattdessen ein Unterdistanzrennen bei der Laufgala im südhessischen Pfungstadt vor.

Während die männliche U20 die 25-Runden-Distanz bewältigen mussten, ging es für die weibliche Abteilung nur über die halb so lange Strecke. Hier zeigte sich die Hindernis-Spezialistin Josina Papenfuß in 16:30,59 Minuten am spurtstärksten und gewann vor Linn Lara kleine (16:34,14) und Paulina Kayer (16:38,91), die im Dreierpack die EM-Norm für Boras unterbieten konnten.

Wilfried Raatz

author: GRR