Symbolträchtig: Dunkle Wolken zogen sich über der Tower Bridge zusammen, als sich am Mittwoch Abraham Kiptum den Fotografen stellte. - Foto: Virgin Money London Marathon
Marathon: Stören Dopingfälle die Volksfeste? Von KLAUS BLUME
Hätte es die jüngste Marathon-Begeisterung in London, Hamburg und Düsseldorf gestört, wenn der mögliche Dopingfall des Kenianers Abraham Kiptum auffälliger behandelt wäre?
Im biologischen Pass des 29-jährigen Halbmarathon- Weltrekordlers (58:18 Minuten) soll es schließlich Unregelmäßigkeiten gegeben haben – was durchaus auf Blutdoping hindeuten kann.
Im ARD-Teletext wurde diese Nachricht – weit weg von den aktuellen Marathon-Nachrichten aus London, Hamburg und Düsseldorf – allerdings „unter ferner liefen“ versteckt: und zwar auf der letzten Seite, acht Zeilen kurz.
Schon wieder ein Kenianer, werden trotzdem einige Miesepeter meckern. Gab es da nicht erst wenige Tage zuvor den Dopingfall des hochgerühmten Asbel Kiprop, seines Zeichens in Peking 2008 Olympiasieger über 1500 Meter und dreimal Weltmeister auf dieser Strecke. Ein Dopingfall, der sich übrigens seit Jahren, sagen wir mal, angebahnt hatte und dessen Hintergründe wohl nie klar werden.
Warum? Man könne doch nun Blutproben jederzeit in Kenia einholen, selbst in den entferntesten Winkeln, sagte man uns noch vor drei Tagen. Aber: zwar gäbe es nun ein Test-Labor in Nairobi, aber die Hälfte aller Proben auf dem Weg dorthin würde nun mal verloren gehen.
Und: Überraschungseffekte unangekündigter Kontrollen seien viel zu teuer. Augenwischerei?
Man erinnere sich: Bei Olympia 1968 in Mexiko gewannen drei Kenianer Gold. War das damals der Grundstein fürs heutige Millonengeschäft? Offenbar, denn zur dominierenden Läufer-Weltmacht stieg Kenia erst auf, als der Pharma-Konzern Hoffmann LaRoche den EPO-Ableger CERA entwickelt hatte.
Teilten sich die Kenianer die Marathonsiege bis dahin mit Äthiopiern, Marokkanern, Japanern, ja sogar mit Amerikanern, wurde nach 2008 alles anders: 2011 platzierten sich unter den zwanzig Weltbesten 19 Kenianer – die Tendenz blieb von da an steigend. Der österreichische Dealer Stefan Matschiner sagte einst vor Gericht:
„Manche Kenianer kamen ganz offen auf mich zu und fragten, ob ich nicht ’special vitamins‘ für sie besorgen könnte.“ Offenbar wisse man in jedem kenianischen Dorf, wie man vom Hoffnungsträger zum Lauf-Millionär aufsteigen könne.
Klar, das Geld liegt schon seit Jahren auf der Straße. Und damit die Hoffnung. Auch im Breitensport.
Denn dort heißt es, lieber Vorbeugen als Hinterherlaufen. Nicht hinter dem lieben Kollegen. Oder dem Nachbarn. Wer will da schon ins Hintertreffen geraten? Dann lieber Steroide, Stimulanzien oder synthetisches Cannabis nehmen. Ist ja einem Breitensportler nicht verboten, kann lediglich die Gesundheit ruinieren. Auch deshalb wollte der Kölner Dopingforscher Mario Thevis schon 2015 den unlauteren Schlichen der Ausdauer-Freaks auf die Spur kommen.
Mit einem einzigen Blutstropfen – damit würde er es schaffen. Auf einer Art Scheckkarte angetrocknet, könnte dieser Tropfen vom Veranstalter per normaler Briefpost ins Labor gesandt werden. Dort stützt sich die Analyse auf eine 50jährige Technik, mit der Stoffwechsel-Störungen bei Neugeborenen festgestellt werden.
Weil die Kölner Doping-Analyse ähnlich funktioniere, könnten sich – weltweit – immer mehr Kollegen dieser Ansicht anschliessen. Pustekuchen!
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA meckerte und natürlich auch die Juristen. Dabei wissen die Initiatoren von Volksläufen natürlich Bescheid über unerklärbare Leistungssprünge, vor allem über extreme Dunkelziffern beim Doping- und Medikamentenmissbrauch. Ob dabei auch Speed, Kokain, Ephedrin, ob EPO in seinen vielen Spielarten und Wachstumshormone benutzt werden? Die Kölner befürchten es.