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20
04
2019

Fünf Rosen in der Hinrichtungsstätte Plötzensee - Foto: Bernd Hübner

Von Hermann zu Hagar – Impressionen vom Karfreitagslauf des Lauftreffs Bernd Hübner Berlin am 19. April 2019 von Dr. Erdmute Nieke

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Das Wetter passt eher zu Himmelfahrt oder Pfingsten als zu Karfreitag: Sonnenschein satt mit blauem Himmel ohne eine Wolke, schon morgens um 10 Uhr Wetter für kurze Laufkleidung.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich 25 Läufer*innen am Parkeingang am Junfernheidepark einfinden.

In der Zeitung hatte ich gerade noch gelesen, dass Sportveranstaltungen am Karfreitag – eine stiller Feiertag – eigentlich verboten sind. Wir führen ja keine Sportveranstaltung durch, wir laufen nur und wir gedenken. Der Lauf steht unter dem Leitgedanken:

Auf dem Weg nach Plötzensee – Menschen, die ihr Leben für andere gelassen haben und welche Hoffnungen für eine bessere Welt sie hatten.

Nicht nur Jesus wurde für seine Worte und Taten hingerichtet. Im Gefängnis Plötzensee wurden von den Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 über 2891 Menschen unschuldig hingerichtet.

Auf dem acht Kilometer langen Weg – fast immer am Hohenzollernkanal entlang – zur Gedenkstätte Plötzensee lernen wir fünf Menschen kennen, die dort hingerichtet wurden. Als erstes hören wir von Hermann Stöhr (1898-1940), ihm wurde seine Wehrdienstverweigerung zum Verhängnis.

In Folge des misslungenen Attentats am 20. Juli 1944 wurden drei Menschen, die einen Mittäter versteckten und verraten wurden, hingerichtet: Elisabeth Charlotte Gloeden (1903-1944), ihr Mann Erich Gloeden (1888-1944) und ihre Mutter Elisabeth Kuznitzky, geb. Liliencron (1878-1944).

Die ukrainische Ärztin Galina Romanowa (1918-1944), musste in den Berliner Lagern die Zwangsarbeiter versorgen und unterstützte mit ihrem Wissen die Widerstandsgruppe „Europäische Union“, die versuchte Informationen den Alliierten zukommen zu lassen. Auch diese Gruppe wurde verraten und hingerichtet.

An der Gedenkstätte angekommen, legen wir für diese fünf Menschen im ehemaligen Hinrichtungsraum fünf Rosen nieder.

Dann laufen wir weiter zur katholischen Gedenkkirche des Klosters Regina Martyrum. Heute zum Karfreitag, betrachten wir einen modernen Kreuzweg, den Otto Herbert Hajek 1963 für den Kirchhof geschaffen hat.

Kreuzweg- Foto: Bernd Hübner

Der letzte Teil des Laufes führt durch den Jungfernheidepark zur evangelischen Christopheruskirche in Siemensstadt. Fast alle Läufer*innen haben noch die Kraft auf den Kirchturm zu steigen und einen Blick über das frühsommerliche Berlin zu genießen, das nachdem uns die Pfarrerin der Gemeinde eine kurze Einführung in die Baugeschichte der 1931 eingeweihten Kirche gegeben hat.

Ganz besonders bestaunen wir eine kleine Hagar-Statue, die Karl Knappe 1923 geschaffen hat und deren Abguss seit 2013 in der Kirche steht, nachdem im Jahr 2010 beim Bau der Kanzler-U-Bahn, ein Depot der Ausstellung „Entartete Kunst“ bei Ausgrabungen am Alexanderplatz gefunden wurden und die von den Nationalsozialisten als entartet eingestuften Künstler nun eine späte Würdigung erfahren.

Hagar – Foto: Bernd Hübner

Hager, die Magd von Abraham gebiert Ismael, der als Stammvater der Muslime gilt. So beschließen wir unseren Karfreitagslauf auch mit einem Blick auf den Islam.

Bei einem etwas anderen stillen Karfreitag mit insgesamt sechs Laufpausen – von Hermann zu Hagar – hatten wir alle mindestens 14 Kilometer auf den Laufuhren und stärkten uns im Kulturbiergarten Jungfernheide und genossen das herrliche Wetter.

Der LT Bernd Hübner vor dem Start – Foto: Bernd Hübner

Eine Laufidee, die gewiss Fortsetzung finden wird und die das Verbot von Sportveranstaltungen am Karfreitag zu Recht übertreten darf.

Dr. Erdmute Nieke

 

 

 

 

 

 

 

 

author: GRR