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18
02
2019

6,99 Meter: Malaika Mihambo Europameisterin 2018: „Der eine Zentimeter ist nicht so wichtig“ - Foto: Victah Sailer

Glamour mit Bodenhaftung: Malaika Mihambo ist bereit für den großen Sprung – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0
6,99 Meter: Malaika Mihambo Europameisterin 2018: „Der eine Zentimeter ist nicht so wichtig“
Europameisterin Malaika Mihambo findet den einen Zentimeter zur sieben vor dem Komma nicht so wichtig. Sie will herausfinden, „wo meine Grenze ist“. Dabei geht es ihr auch um die „Kunst des Weitsprungs“.

Dass die junge Frau nie in eine brenzlige Situation geriet, wie sie erzählt, mag auch damit zu tun haben, dass sie eintauchte in die Anonymität des Landes mit 1,3 Milliarden Einwohnern. Sie kleidete sich in den dort üblichen Salwar Kamiz aus langer Hose, langem Hemd und Schal. Sie reiste in Überlandbussen. Und sie entschied sich spontan, wann es weitergehen sollte und wohin. „In Deutschland passiert nie etwas, das einen umhaut“, sagt sie. „In Indien habe ich jeden Tag eine Überraschung erlebt.“

Immerhin bat die Zeitschrift „Vogue“ die Europameisterin zu einem Fotoshooting nach Berlin. Die Bilder, die auf einer Doppelseite der Champions-Ausgabe im Februar erschienen, verbinden den Glamour der Modewelt mit der Bodenhaftung, auf den diese leichtfüßige Springerin so großen Wert legt. Was auf der nackten Haut ihrer Schulter wie Gold-Nuggets glänzt, dürfte Sand aus der Sprunggrube sein. Und unter dem sich hoch bauschenden roten Kleid, das sie im Laufschritt weg von der Kamera trägt, sind von ihr allein Füße und Spikes zu erkennen.

Nun geht es wieder um Wettbewerb und Bestleistungen.

Die Goldmedaille von der Europameisterschaft nennt sie Schnee von gestern. Sie ist bereit für den nächsten Angriff. Wie erst seit dem vergangenen Sommer wird sie nicht mit einem langen, sich steigernden Anlauf, sondern mit einem kurzen Sprint auf die Grube zujagen: „mit Vollgas“.

Drei Sprünge jenseits von 6,90 Meter gelangen ihr so bei dem Hallen-Spektakel von Berlin – zum Saison-Einstand.

Welches Risiko sie dabei eingeht, zeigten die ersten beiden Versuche: übergetreten. Da lag die theoretische Frage nahe, ob sie nicht eine Laser-Messung bevorzugen würde, mit der die Weite vom tatsächlichen Absprung aus bestimmt wird. „Wenn es das gäbe, hätte ich schon ein paar Sieben-Meter-Sprünge“, erwiderte sie. „Es wäre einfacher, aber wäre es auch besser?“

Malaika Mihambo beantwortete ihre Frage selbst: „Die Kunst des Weitsprungs ist auch, den Balken zu treffen.“

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonnabend, dem 16. Februar 2019

 

 

author: GRR