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19
02
2019

Konstanze Klosterhalfen bei ihrem Sieg in Leipzig- Foto: Dirk Gantenberg

Leichtathletin Klosterhalfen: Der Wechsel einer jungen Frau ins Zwielicht – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

In New York stellte sie gleich zwei Rekorde auf. Seit Herbst trainiert Konstanze Klosterhalfen beim „Oregon Projekt“. Es ist ein Karriereschritt mit Risiken für die Läuferin.

Kaum hatte Konstanze Klosterhalfen die Arena betreten, stand sie auf der großen Bühne. „Wenn du es dort schaffst, schaffst du es überall“, zitierte der Mann am Mikrofon die Hymne, die Liza Minelli und Frank Sinatra auf „New York, New York“ gesungen haben: „If I can make it there, I‘ll make it anywhere.“

Die Zeichen stehen günstig für die dünne Läuferin aus Bad Godesberg am Rhein.

In New York hat sie vor ein paar Tagen in einem Rennen wohl zwei deutsche Rekorde aufgestellt, den über die Meile (4:19,98 Minuten) und, vorbehaltlich der offiziellen Anerkennung der Zwischenzeit, auch den über 1500 Meter (4:02,70).

In Leipzig gewann sie nun ihren achten deutschen Titel und stellte ihre nächste Bestzeit auf. 8:32,47 Minuten für 3000 Meter auf der engen, 200 Meter langen Bahn – damit hat sie innerhalb eines Jahres den deutschen Rekord auf dieser Strecke um fast neun Sekunden verbessert.

Kichernd sagte Konstanze Klosterhalfen: „Ich wollte die letzten zwei Runden schnell laufen.“ Immer noch wirkt sie, die seit dem Herbst in Amerika lebt und an diesem Montag 22 Jahre alt wird, wie ein Mädchen. Wenn sie rennt allerdings, kennt sie keine Verlegenheit. Die Laufbahn ist ihre Bühne. Sie scheint dafür geboren, mit ihrer Präsenz und ihrer Leistung Rennen zu beherrschen. Wie sie die letzten 400 Meter im Spurt bewältigte, mit raumgreifendem Schritt und Rundenzeiten von 30,2 und 30,9 Sekunden, das nährt die Hoffnung auf internationale Erfolge.

„Ich will ganz in die Weltspitze“

Zur Hallen-Europameisterschaft, die in vierzehn Tagen in Glasgow ausgetragen wird, fliege sie nicht, um nur mitzulaufen, kündigte sie an. „Als Athlet will ich mich immer weiterentwickeln“, sagte Konstanze Klosterhalfen in Leipzig: „Ich will ganz in die Weltspitze.“

Deshalb der Umzug nach Amerika. Eingefädelt hat ihn Oliver Mintzlaff, der Geschäftsführer des Fußball-Bundesligaklubs RB Leipzig. Wie Konstanze Klosterhalfen stammt er, ehemaliger Läufer, aus dem 500-Einwohner-Ort Bockeroth bei Godesberg. Er kennt und betreut sie von klein auf. Ihm gelang es, ihr einen Platz in einer der Trainingsgruppen am Unternehmenssitz von Nike in Portland (Oregon) zu vermitteln. „Es ist ein Traum, dort trainieren zu dürfen“, sagte die Läuferin. „Da musste ich keine Sekunde nachdenken.“

Doch der Karriereschritt birgt Risiken und Nebenwirkungen. Alberto Salazar, dem geistigen Vater und Cheftrainer des „Nike Oregon Project“, hat etwa der britische Läufer Mo Farah seine vier Olympiasiege und sechs Weltmeistertitel über 5000 und 10000 Meter zu verdanken.

Doch andere Athleten und ehemalige Mitarbeiter bezichtigen Salazar, mit zweifelhaften Medizinern zu kooperieren, mit im Sport verbotenen Substanzen zu hantieren sowie Sportlerinnen und Sportler zur Einnahme des Schilddrüsenhormons Thyroxin zu drängen. Er bestreitet jede Art von Doping.

In seinem Dunstkreis herrscht nicht der Glanz von „New York, New York“, sondern Zwielicht.

„Ich kann nur sagen, was ich weiß“, erwiderte Konstanze Klosterhalfen in Leipzig, darauf angesprochen. „Jeder Hustensaft, jede Schnupfen-Tablette muss ich sofort meinem Trainer schicken, damit er die Ingredients abchecken kann.“

Bayer Leverkusen, ihr Sportklub in Deutschland, betonte, als er den Wechsel nach Amerika bekannt machte, dass die Läuferin nicht Teil des Oregon Projects sei. Idriss Gonschinska, Generaldirektor Sport des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, wies darauf hin, dass Konstanze Klosterhalfen nicht von Salazar, sondern von Pete Julian trainiert werde. Julian ist Teil des Oregon Project. Sie sei aufgeklärt, werde regelmäßig kontrolliert, sagte Idriss Gonschinska, und habe sich entschieden: „Den Prozess kann man beratend begleiten.“

Ermittlungen der Anti-Doping-Agentur der Vereinigten Staaten in Sachen Salazar und Oregon Project, die Hacker im Mai 2017 bekannt machten, indem sie einen fast dreihundert Seiten langen Zwischenbericht öffentlich machten, sind offenbar bis heute nicht abgeschlossen.

Ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, geht neuerdings auch Konstanze Klosterhalfen an.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 18. Februar 2019

author: GRR