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04
02
2019

Hanna Klein (l.) und Alina Reh - Foto: Wilfried Raatz - wus-media

35. Indoor Meeting Karlsruhe 2019: Große Namen – und am Ende jubeln andere – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Aus dem Schnee und Minusgraden in die Halle: Alina Reh läuft begeisterndes 3000 m-Rennen – Ewa Swoboda, Naoto Tobe und Melissa Courtney sorgen mit Weltjahresbestleistungen für Beifallstürme – 5000 Zuschauer erleben in der Messe Karlsruhe Leichtathletik vom Feinsten

Die Namen versprachen Großes – doch m Ende des 35. Indoor Meeting Karlsruhe standen andere im Mittelpunkt des Interesses. Und das eben macht die Leichtathletik als olympische Kernsportart so besonders.  

Für nicht wenige unter den 5000 Zuschauern war der 3000 m-Lauf der Frauen der eigentliche Höhepunkt der Veranstaltung.

Spannung, Dramatik und überzeugende Leistungen standen nach fünfzehn Runden und deutlich weniger als neun Minuten als Beleg für diese Einschätzung. Als nach gut 1000 m Alina Reh die Pace vor so einigen hochdekorierten Assen machte, ging die La Ola-Welle durch die Messehalle 3. Sie alleine galt der beherzt das Heft des Handelns übernehmenden 22jährigen, die scheinbar alles kann, was sie unter die Füße nimmt. Die Palette reicht dabei von den gerade erst vor Wochenfrist in Dortmund erreichten 4:13,71 Minuten über 1500 m, 3000 m und 5000 m bis hin zu 10.000 m und 10 km, Halbmarathon und Crosslaufen.

Mit 8:47,40 Minuten wurde sie letztlich noch auf Rang vier hinter der mit 8:43,36 Minuten Weltjahresbestzeit laufenden Britin Meliassa Courtney und den beiden Äthiopierinnen Alemaz Samuel (8:43,78) und Gudaf Tsegay (8:46,27) durchgereicht und bekannte mit einem Lächeln im Gesicht: „Auf den letzten zwei Runden fehlt mir einfach etwas der Dampf!“ Aber letztlich durfte sie rundherum zufrieden sein, schließlich steigerte sie ihre Hallenbestmarke um gleich sechs Sekunden und rangiert derzeit auf Rang acht der „ewigen“ deutschen Bestenliste. Weiß aber auch, dass „es durchaus noch schneller hätte sein können! Da war heute noch mehr drin!“

Wo nimmt diese 22jährige Frau aus dem schwäbischen Laichingen diese Winterform her, schließlich trainiert sie daheim bei 40 cm Schnee und Minusgeraden? Ein letzter Test bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auf der Kunststoffbahn lief sie in 2:51 Minuten.

„Das Rennen war sehr unrhythmisch, deshalb bin ich nach vorne gegangen. Dann kann ich mein Ding machen, im Pulk laufen, das muss ich wohl noch üben…“ und denkt sicherlich bereits an die Hallen-Europameisterschaften Anfang März in Glasgow. Das ist auch das Ziel von Hanna Klein, die mit starken 8:50,57 Minuten als Siebte im Trubel um Alina ungerechtfertigt etwas untergegangen war.

„Ich bin total glücklich! Dass Alina so weit vorne mitläuft, das hat mich nochmal richtig motiviert und angespornt dranzubleiben!“ Und sie blieb dran – mit dem Lohn einer neuen Hallenbestmarke, die sieben Sekunden unter der bisherigen liegt.

Glasgow? „Nächste Woche stehen erst einmal Prüfungen an… Wenn ich nominiert werde, dann kann ich 1500 m und 3000 m laufen. Bei mir geht beides!“

Enttäuschend hingegen verlief das hochkarätige 3000 m-Rennen für Caterina Granz, die nach 2000 m aus dem Rennen gegangen war, und vor allem für Gesa Felicitas Krause. Mit 9:03,19 wurde sie Elfte und somit Letzte (!) des Rennens. „Ich bin natürlich total unzufrieden. Ich muss erst wieder Wettkampfhärte aufbauen. Gerne hätte ich heute die Norm abgehakt, aber das muss jetzt noch etwas warten!“ Diese verpasste sie allerdings um 19/100 Sekunden. Nach 2000 m wurden der zweifachen Hindernis-Europameisterin zusehend die Beine schwer und verlor den Kontakt zur Konkurrenz, zumal just in dieser Phase Caterina Granz aus dem Rennen gegangen war.

In Richtung Glasgow können nach Karlsruhe auch die beiden 1500 m-Läufer Marius Probst und Karl Bebendorf blicken, wenngleich auch nur mit einem Auge. Zumindest die Norm konnten die beiden Deutschen mit 3:39,89 und 3:40,67 Minuten als Sechster bzw. Achter schon einmal abhaken, jetzt ist nach Würdigung der Meisterschaftsleistungen in Leipzig der Deutsche leichtathletik-Verband an der Reihe. „Das Publik ist einfach der Wahnsinn! Während des Rennens habe ich öfters einmal auf die Uhr geschaut, ob ich noch auf Kurs für die Norm bin. Das es jetzt schon geklappt hat, das freut mich natürlich besonders!“ so Marius Probst, der U23-Europameister von 2017.

In einem spannenden Sprint entschied Vincent Kibet das Rennen in 3:38,23 zu seinen Gunsten vor Bethwell Birgen (3:38,69), der nun die WIT-Meetings-Wertung mit 14 Punkten anführt. Wie eng es über diese Distanz zuging, das mag das Beispiel Aman Wote verdeutlichen, der als 3:29-Läufer und Vize-Hallenweltmeister als Vierter in 3:39:17 über die Ziellinie lief.

Eine „Etage“ tiefer holte sich der deutsche 10 km-Meister Jannik Arbogast den Sieg in 3:51,17 Minuten vor seinen Karlsruher LG-Kollegen Pascal Kleyer (3:51,34) und Holger Körner (3:53,97) und dem mit 3:54,39 Minuten Gambia-Rekord laufenden Omar Jammeh, der bei der MTG Mannheim von Christian Stang betreut wird.

Blicken wir auch auf die „regionalen“ Läufe, die praktisch als Vorprogramm zur IAAF World Indoor Tour gestartet wurden. Hier gefiel vor allem die 17jährige Antje Pfüller, die das 1500 m-Rennen nach guter Vorarbeit der Schwedin Amélie Svensson im Trikot der LG Region Karlsruhe souverän in 4:31,74 Minuten vor Marie Weller (4:37,84) und Katrin Wallner (4:39,34) gewinnen konnte.

Im 800 m-Lauf der U16-Mädchen fiel mit einem couragierten Lauf Jolanda Kallabis auf, die sich im Ziel über eine „Fast-Bestzeit“ von 2:20,98 freuen konnte – gewiss auch Vater Damian Kallabis auf der Tribüne, der 1998 in Budapest Hindernis-Europameister wurde.

Meeting-Director Alain Blondel zeigte sich in einem Fazit durchaus zufrieden mit der 35. Auflage des Indoor Meetings in der Messe Karlsruhe, wenngleich er nicht verhehlen konnte, dass es schon bessere Bilanzen gegeben habe. Hatte aber sichtliche Freude am japanischen Hochspringer Naoto Tobe, der unbekümmert seine Hallenleistung von bislang 2,26 m auf den Landesrekord von 2,35 m (zugleich Weltjahresbestleistung) steigern konnte – und vor der Presse weitere Höchstsprünge ankündigte: „Mein Plan für 2019 ist nationalen Rekord zu springen. Das hat sich ja jetzt bereits erledigt. Deshalb ist mein neues Ziel: 2,40 Meter!“ Und legte die Messlatte kräftig hoch: „Mein großes Ziel sind die Olympischen Spiele in Tokio, da möchte ich Gold gewinnen!“ Das mit Spannung erwartete Duell mit dem deutschen Europameister Mateusz Przybylko war früher beendet als erwartet, denn der Leverkusener klagte über eine Verletzung im Sprunggelenk, die nun sogar die Hallensaison gefährdet. Mit dem Chinesen Yu Wang sprang ein weiterer Athlet mit 2,31 m über die 2,30 m-Marke.

Für die dritte Weltjahresbestleistung sorgte die Polin Ewa Swoboda, die im 60 m-Vorlauf 7,08 Sekunden lief und diese Zeit im Finale mit 7,10 eindrucksvoll bestätigte.  Während die im Finale mit 7,19 chancenlose Dafne Schippers sich sehr publikumsnah zeigte, war die Polin selbst Journalisten gegenüber höchst reserviert und gab keinen Kommentar zu ihrer herausragenden Leistung.

Nur unmerklich hinter der 200 m-Europarekordlerin Dafne Schippers lief Rebekka Haase auf Rang drei in 7,23 Sekunden – und zur EM-Norm.

 Wilfried Raatz  

author: GRR