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01
2019

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold ©privat

Gesundheit ist kein Zufall – was Sport bewirkt – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Neue Studien (Leyk et al. 2008) haben gezeigt, dass sich gesundheitlich ungünstige Lebensgewohnheiten zunehmend früher etablieren.

Nur ein Viertel aller Frauen und Männer weist keine Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. Die Mehrheit der Bewohner Deutschlands durchläuft mittlerweile den schleichenden Prozess hin zur Wohlstandskrankheit.

Eine Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland des Robert-Koch-Instituts (RKI) belegt, dass Zivilisationskrankheiten weiter zunehmen (Richter-Kuhlmann 2012).

Die sicherste, natürlichste und effektivste Heilmethode für sämtliche Krankheiten, die wir kennen, ist Bewegung (Blech 2007; Halle 2014 u. 2016; Strunz 2014). Ausdauertraining hat in der Prävention den größten gesundheitserhaltenden Effekt.

Merksatz

Laufen ist hervorragend geeignet zur Prävention und Behandlung von Bewegungsmangelkrankheiten wie Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels, des Bewegungsapparates und des vegetativen Nervensystems sowie zur Steigerung der Lebensqualität. Laufen hat eine äußerst günstige Nutzen-Risiko-Relation.

Laufen hat einen ganzheitlichen Heileffekt, wie er vielen Regulationsverfahren zugeschrieben wird. Laufen bewegt und bringt vieles in Fluss, was durch Inaktivität blockiert wurde. Entspanntes Laufen – im eigenen Rhythmus, ohne außer Atem zu kommen – hat meditativen Charakter, bringt Energien zum Fließen und eint Körper und Geist. Hier kann man durchaus eine Verbindung zu den fernöstlichen Bewegungsübungen des Yoga, Tai-Chi und Qigong sehen.

Es gilt als bewiesen, dass

  • Langläufer weniger Bewegungsmangelkrankheiten haben,
  • auch im Alter noch leistungsfähig sind,
  • weniger zu Depressionen neigen und
  • eine längere Lebenserwartung aufweisen.

Ausdauersport ist das wirksamste „Medikament“ gegen die Hauptfeinde eines langen Lebens: Bluthochdruck, Stoffwechselstörung und Bewegungsmangel. Bei Ausdauersportlern ist seltener ein Krankenhausaufenthalt erforderlich. Sie werden nicht nur älter, sie sterben offensichtlich auch gesünder.

Durch regelmäßiges Lauftraining fühlen Sie sich relativ schnell kräftiger, ausdauernder und leistungsfähiger. Das Wohlbefinden verbessert sich und es stellt sich eine schnellere Erholungsfähigkeit ein. Ganz von „allein“ kommt es zu einer natürlicheren Ernährung, Verdauungsbeschwerden verschwinden und Infekte treten seltener auf. Mit der gewonnenen Leistungsfähigkeit trauen Sie sich auch im Alltag mehr zu. Nachstehend erhalten Sie eine Übersicht, wie sich regelmäßiges Lauftraining auf die verschiedenen Körperfunktionen und -organe auswirkt (Tab. 1).

Tab. 1 Auswirkungen eines regelmäßigen Lauftrainings auf verschiedene Organe und 
Körperfunktionen (↑ = Vergrößerung, Erhöhung, Verbesserung; ↓ = Verkleinerung, Erniedrigung, 
Verschlechterung).
Organ,                           Auswirkung
Körperfunktion	

Allgemeinzustand	
●	Sterblichkeit (Mortalität) ↓
●	Ökonomisierung vieler Lebensvorgänge
●	Gewicht ↓
●	Fitness ↑
●	Schlaf ↑
●	Körperbewusstsein, Wohlbefinden ↑
●	Lebensqualität, Lebenszufriedenheit ↑

Herz/Kreislauf	
●	Herzhypertrophie (Sportherz) ↑
●	Herzkammern ↑
●	Herzfrequenz (Vagotonie) ↓
●	Herzfrequenzerholungszeit ↓
●	Herzfrequenzvariabilität ↑
●	diastolische Füllung ↑
●	Schlag- und Herzminutenvolumen ↑
●	Koronar- und Myokarddurchblutung ↑
●	Sauerstoffbedarf/Belastungsstufe ↓
●	Baroreflexsensitivität ↑
●	Ruhe-, Belastungs- und Erholungsblutdruck ↓
●	Vorhofflimmern ↑

Gefäße	
●	Durchmesser ↑
●	peripherer Widerstand ↓
●	Stickstoffmonoxid (NO) ↑
●	Endothelfunktion ↑
●	Gefäßflexibilität ↑
●	Atherosklerose ↓
●	Gefäßneubildung ↑
●	Organ- und Gewebsdurchblutung ↑
●	Mikrozirkulation ↑

Blut	
●	Blutvolumen ↑
●	Hämatokrit/Viskosität ↓
●	Fließeigenschaften ↑
●	Erythrozyten und Hämoglobin ↑
●	Thrombozytenaggregation ↓
●	Fibrinolyse ↑
●	arteriovenöse Sauerstoffdifferenz ↑
●	Pufferkapazität ↑
●	Entzündungszeichen (CRP) ↓

Lunge/Atmung	
●	Atemmuskulatur ↑
●	Durchblutung ↑
●	Atemzug- und Atemminutenvolumen ↑
●	Atemfrequenz ↓
●	Sekundenkapazität ↑
●	Gasaustauschfläche und Diffusionskapazität ↑
●	Sauerstoffausnutzung ↑
●	maximale Sauerstoffaufnahme ↑

Muskulatur/passiver Bewegungsapparat	
●	Muskelmasse, Muskelkraft ↑
●	ST-Muskelfasern ↑
●	Kontraktionsgeschwindigkeit ↑
●	Ermüdungsresistenz ↑
●	Mitochondrien ↑
●	Enzymaktivität ↑
●	Energiespeicher (ATP, CP, Glykogen, Triglyzeride) ↑
●	Myoglobingehalt ↑
●	O2-Aufnahme, -Speicherung, -Verarbeitung ↑
●	Kräftigung von Knochen, Sehnen, Bändern ↑

Stoffwechsel	
●	Glykogenspeicherung Leber ↑
●	Laktatspiegel/Belastungsstufe ↓
●	anaerobe Schwelle ↓
●	ATP-Resynthese ↑
●	Glykogenabbau/Belastungsstufe ↓
●	Fettsäureoxidation/Belastungsstufe ↑
●	Grundumsatz ↑
●	Enzymaktivität ↑
●	LDL-Cholesterin ↓
●	HDL-Cholesterin ↑
●	Triglyzeride ↓
●	Harnsäure ↓
●	HbA1c-Wert ↓

hormonelles System	
●	Sympathikusaktivität ↓
●	Katecholamine/Belastungsstufe ↓
●	Katecholamine-Maximalausschüttung ↑
●	Parasympathikusaktivität ↑
●	Kortisol/Belastungsstufe ↓
●	Kortisol-Maximalausschüttung ↑
●	Thyroxin bei Belastung ↑
●	Wachstumshormon (STH) basal ↓, Belastung ↑
●	Aldosteron zeigt keine Erschöpfung bei Belastung
●	Insulinempfindlichkeit ↑
●	Glukagon ↑
●	Testosteron kurze Belastung ↑, lange Belastung ↓

Immunsystem	
●	Atemwegsinfekte ↓, bei erschöpfender Belastung ↑
●	Immunzellenfunktion (Killerzellen, T- und B-Lymphozyten, Monozyten, Makrophagen) ↑
●	protektive Zytokine (Interleukin 6) ↑
●	Hitzeschockproteine ↑

Gehirn/Psyche	
●	Neurogenese/Plastizität ↑
●	Neurotransmitter (Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Endorphine) ↑
●	Lernen, Gedächtnis ↑
●	kognitiver Leistungsverlust im Alter ↓
●	Körperwahrnehmung ↑
●	Stresstoleranz, Stressreaktivität ↑
●	Depressivität, Ängste ↓
●	Selbstbewusstsein ↑

Nur mit ausreichend Bewegung, guter Ernährung und den richtigen Gedanken haben Sie Zugang zu mehr Gesundheit (Aderhold u. Weigelt 2018). Regelmäßige körperliche Aktivität durch Ausdauersport senkt die kardiovaskulären Risikofaktoren Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus, Übergewicht (in Kombination als metabolisches Syndrom – „Wohlstandssyndrom“ – bezeichnet) und stellt bei Erkrankung eine effektive, preisgünstige und nebenwirkungsarme Therapie dar (Berg u. König 2005; von Stengel et al. 2009; von Stengel u. Kemmler 2013; Löllgen 2015). Außerdem kommen als Nebeneffekt noch günstige Einflüsse hinsichtlich Osteoporose, Depressionen, Abfall der Gehirnleistung sowie Brust- und Dickdarmkrebs hinzu. Es konnte gezeigt werden, dass Ausdauertraining eine Zunahme der grauen und weißen Gehirnsubstanz bewirkt.

Die nachfolgende Tabelle (Tab.2) zeigt mittels Gegenüberstellung eines trainierten Ausdauersportlers und einer untrainierten Person, wie ausgewählte physiologische Parameter, durch Bewegung positiv beeinflusst werden können.

Tab. 2 Unterschiede zwischen Normalperson und Ausdauersportler in Bezug auf einige physiologische Parameter (Mann).

Physiologische Parameter  Normalperson  Ausdauersportler
Herzvolumen (ml)               700                           bis 1 600
Herzvolumen (ml/kg)         10                             bis 20
Herzschlagvolumen (ml)    80                            bis 220
Herzminutenvolumen (l)   20                             bis 50
Ruhepuls (Schläge/min)    70                             bis 30
Vitalkapazität (l)                  5,5                            bis 7
Atemminutenvolumen (l)  120                           bis 240
VO2 max (ml/kg × min)    40                             bis 90
Blutvolumen (l)                   5,0                            bis 7,5
Leberglykogen (g)               90                             bis 120
Muskelglykogen (g)            300                          bis 600
ST-Faser (%)                        50                             bis 85
Muskelkapillaren (Anzahl/mm2) 250             bis 500
Körperfettanteil (%)           25                             bis 6

Unter gesundheitlichen Aspekten ist ein wöchentliches Ausdauertraining mit einem Verbrauch von 2.000 kcal zu empfehlen, das entspricht ungefähr einer Strecke von 30 km (Gesundheitsläufer).

Laufen! – Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer – Lutz Aderhold und Stefan Weigelt – Foto: Elsevier Verlag

Der erreichbare Fitnessgrad ist durch Lauftraining gegenüber Walking höher und auch mit weniger Zeitaufwand erzielbar. Walking verbraucht in gleicher Zeit nur ungefähr halb so viel Energie (kcal) wie Laufen. Zusätzlich sollte 2-mal in der Woche ein Kraft- und Flexibilitätstraining durchgeführt werden, um neben der Ausdauer auch die Muskelkraft und Beweglichkeit zu verbessern. Damit wird ein Zustand erreicht, den man landläufig als Fitness bezeichnet.

Fitness bedeutet eine gute Leistungsbereitschaft im physischen und psychischen Bereich.

Die Durchführung eines regelmäßigen Trainings jenseits des 40. Lebensjahres bedingt eine funktionelle Verlangsamung des Einflusses von Alterungsvorgängen und gestattet Ihnen gewissermaßen, „20 Jahre lang 40 Jahre alt zu bleiben“ (Hollman u. Strüder 2009; Last u. Weisser 2015).

Mit zunehmendem Alter werden die Telomere (Schutzkappen der Chromosomen) in sämtlichen Körperzellen immer kürzer und dieser grundlegende Mechanismus trägt zu den meisten Alterskrankheiten und einer früheren Sterblichkeit bei (Blackburn et al. 2015; Rode et al. 2015). Allerdings lässt sich diese Abnutzung verlangsamen bzw. sogar umkehren.

Wer regelmäßig Ausdauersport treibt aktiviert das Enzym Telomerase, welches die Telomere vor Verschleiß schützen und den Alterungsprozess verlangsamt (Werner et al. 2008, 2009, 2019; Borghini et al. 2015; Mundstock et al. 2015; Blackburn u. Epel 2017; Kiechle u. Gorkow 2017; Bachl et al. 2018). Krafttraining hat allerdings keinen Einfluss auf die Telomere (Werner et al. 2019).

Körperliche Aktivität in Form von Sport ist das beste Anti-Aging-Mittel. In diesem Prozess spielen auch epigenetische Faktoren eine Rolle, wo Training als Modulator der gesundheitsförderlichen Effekte dient (Spork 2017). Laufen lohnt sich also mehr als Krafttraining. Der kluge Mensch macht beides!

Laufen ist eine grundlegende physiologische Handlung menschlichen Seins.

Dazu benötigen wir keine Anleitung, keinen Kurs und keine besondere Lifestyle-Ausrüstung. Laufen ist überall und jederzeit in jedem Lebensalter möglich. Außerdem ist Laufen eine umweltverträgliche Sportart.

Das Laufen kann seine positiven Wirkungen besonders dann entfalten, wenn man es im persönlichen Rhythmus betreibt und die Bewegung bewusst genießt. Ausdauertraining durch Laufen soll nicht erschöpfen, sondern erfrischen, erholen und eine wohlige Müdigkeit erzeugen.

Dr. Dr.med. Lutz Aderhold

Literaturverzeichnis

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

Bachl N, Löllgen H, Tschan H, Wackerhage H, Wessner B. Molekulare Sport- und Leistungsphysiologie. Molekulare, zellbiologische und genetische Aspekte der körperlichen Leistungsfähigkeit. Wien: Springer 2018.

Berg A, König D. Aspekte zur Prävention und Therapie von Fettstoffwechselstörungen unter besonderer Berücksichtigung des metabolischen Syndroms. Dtsch Z Sportmed 2005; 56: 74–82.

Blackburn E, Epel E, Lin J. Human telomere biology: A contributory and interactive factor in aging, disease risks, and protection. Science 2015; 350 (6265): 1193–8.

Blackburn E, Epel E. Die Entschlüsselung des Alterns. Der Telomer Effekt. München: Goldmann 2017.

Blech J. Heilen mit Bewegung. Wie Sie Krankheiten besiegen und Ihr Leben verlängern. Frankfurt: Fischer 2007.

Borghini A, Giardini G, Tonacci A et al. Chronic and acute effects of endurance training on telomere length. Mutagenesis 2015; 30 (5): 711–6.

Halle M. Schritt für Schritt: Endlich fit. München: Goldmann 2014.

Halle M. Jung bleiben mit gesunden Gefäßen. So drehen Sie Ihre biologische Uhr zurück. München: Goldmann 2016.

Hollmann W, Strüder HK. Sportmedizin. Grundlagen von körperlicher Aktivität, Training und Präventivmedizin. Stuttgart: Schattauer 2009.

Kiechle M, Gorkow J. Tag für Tag jünger. Alles über die erstaunlichen Fähigkeiten unserer Zellen, den Alterungsprozess rückgängig zu machen. München: Heyne 2017.

Last J, Weisser B. Der Einfluss von moderater sportlicher Aktivität und Alter auf Kraft, Ausdauer und Gleichgewicht im Erwachsenenalter. Dtsch Z Sportmed 2015; 66: 5–11.

Leyk D, Rüther T, Wunderlich M et al. Sportaktivität, Übergewichtsprävalenz und Risikofaktoren. Querschnittsstudie mit mehr als 12500 Teilnehmern im Alter von 16 bis 25 Jahren. Dtsch Arztebl 2008; 105: 793–800.

Löllgen H. Gesundheit, Bewegung und körperliche Aktivität. Dtsch Z Sportmed 2015; 66: 139–40.

Mundstock E, Zatti H, Louzada FM et al. Effects of physical activity in telomere length: Systematic review and meta-analysis. Ageing Res Rev 2015; 22: 72–80.

Richter-Kuhlmann E. Gesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts. Zivilisationskrankheiten nehmen zu. Dtsch Arztebl 2012; 109: A1376–77.

Rode L, Nordestgaard BG, Bojeesn SE. Peripheral blood leukocyte telomere length and mortality among 64.637 individuals from general population. J Natl Cancer Inst 2015; 107 (6): djv074, doi: 10.1093/jnci/djv074.

Spork P. Gesundheit ist kein Zufall. Wie das Leben unsere Gene prägt. Die neuesten Erkenntnisse der Epigenetik. München: DVA 2017.

Strunz U. Wunder der Heilung. Neue Wege zur Gesundheit – Erkenntnisse und Erfahrungen. München: Heyne 2014.

Von Stengel S, Kemmler W. Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Trainingshäufigkeit und Risikofaktoren für metabolische und kardiale Erkrankungen. Dtsch Z Sportmed 2013; 64: 83–9.

Von Stengel S, Löffler V, Kemmler W. Körperliches Training und das 10-Jahres-CHD-Risiko bei Frauen über 65 Jahren mit metabolischem Syndrom. Dtsch Z Sportmed 2009; 60: 281-7.

Werner C, Hanhoun M, Widmann T et al. Effects of physical exercise on myocardial telomere-regulating proteins, survival pathways, and apoptosis. J Am Coll Cardiol 2008; 52: 470–82.

Werner C, Fürster T, Widmann T et al. Physical exercise prevents cellular senescence in circulating leukocytes and in the vessel wall. Circulation 2009; 120: 2438–47.

Werner C, Hecksteden A, Morsch A. et al. Differential effects of endurance, interval and resistance training on telomerase activity and telomere length in a randomized, controlled study. Eur Heart J 2019; 40 (1): 34-46.


						

author: GRR