Friedhard Teuffel im Foyer des LSB-Hauses vor dem Triptichon mit dem Foto von Jesse Owens - Foto: Suffner
„Die sportliche Vielfalt müssen wir immer pflegen.“ – Interview mit dem neuen LSB-Direktor Friedhard Teuffel
Der amtierende Direktor des Landessportbundes Berlin, Dr. Heiner Brandi, wird zum Jahresende 2018 in den Ruhestand gehen. Das LSB-Präsidium hatte im Frühjahr die Nachfolge beschlossen. Am 1. Oktober begann für den ehemaligen Leiter der Sportredaktion und verantwortlichen Redakteur im Ressort Meinung/Causa der Tageszeitung Der Tagesspiegel, Friedhard Teuffel, die Einarbeitung. Nach der LSB-Mitgliederversammlung am 23. November 2018 wird er die Amtsgeschäfte als Direktor und Mitglied im geschäftsführenden LSB-Präsidium voll übernehmen.
„Sport in Berlin” fragte Friedhard Teuffel:
- Sie arbeiten seit dem 1. Oktober beim LSB. Wie ist Ihr erster Eindruck?
Der Rundgang am ersten Tag hier durchs Haus war wie eine Reise durch die ganze Welt des Sports. Zum Glück habe ich wunderbare Reiseführer an meiner Seite: die Kolleginnen und Kollegen hier. Über ihre freundliche und offene Aufnahme habe ich mich sehr gefreut.
- Sie haben den LSB viele Jahre aus der Perspektive als Journalist beim Tagesspiegel erlebt. Nehmen Sie den LSB inzwischen anders wahr als früher?
Einiges kannte ich schon vorher, gerade die großen Projekte, die auch in der Öffentlichkeit präsent sind, aber ich habe auch viele „kleine Kostbarkeiten“ kennen gelernt. Fast aus dem Stand mit den Vereinen zu organisieren, dass Hunderte von Schülerinnen und Schülern aus der dritten Klasse in den Herbstferien schwimmen lernen, ist einfach großartig. Überhaupt: Wie tief und komplex die Arbeit des LSB ist, erlebe ich jeden Tag aufs Neue. Im Sport ist der Zehnkampf ja das Maximum an gebündelten Disziplinen. Wenn man zusammenzählt, auf wie vielen Feldern sich der LSB engagiert, reichen zehn Disziplinen gar nicht aus.
- Was ist die größte Stärke des LSB – einerseits für die Stadt Berlin und andererseits für die Vereine?
Der LSB sieht den Sport wirklich als Ganzes. Vom Gesundheitssport, in dem es zuerst um Lebensqualität geht, bis zur Vorbereitung auf eine Olympiateilnahme. Das alles zusammenzudenken und danach zu handeln, das ist für mich die größte Stärke des LSB. Der LSB kann daher auch bestens vertreten und vermitteln, welchen Wert der Sport für Berlin hat und zwar gerade auch in Bereichen wie Gesundheit, Stadtentwicklung, Soziales und Bildung. Hier im Haus liegt so viel Wissen und Sachverstand. Davon können Vereine und Verbände unglaublich profitieren. Der LSB ist keine kalte Expertendatenbank, sondern ein zugewandter, unterstützender Partner.
- Die Mitgliederversammlung des LSB wird am 23. November einen neuen Präsidenten und das Präsidium neu wählen. Woran kann die neue Mannschaft anknüpfen und was muss weiterentwickelt werden?
Die neue Mannschaft kann hier vor allem auf ein fittes Team bauen, denn so habe ich die Kolleginnen und Kollegen erlebt. Es wird nun darum gehen, den Landessportbund als Dienstleister für Vereine und Verbände immer weiterzuentwickeln. Gerade bei Herausforderungen wie Digitalisierung, Ehrenamt, Sportstätten und Kooperationen. Denn der Sport muss sich noch besser vernetzen. Vor allem mit Kitas und Schulen, aber auch neuen Partnern aus dem sozialen und gesundheitlichen Bereich.
- Der Senat stellt dem LSB mit der Fördervereinbarung „Zukunftssicherung Sport” mehr Geld zur Verfügung. Senator Geisel sagte bei der Unterzeichnung: „Das Geld sichert dem Sport finanzielle Verlässlichkeit zu, um sich auf die gesellschaftlichen Umbrüche in der wachsenden Stadt Berlin einzustellen und seiner gesellschaftlichen Funktion weiter gerecht werden zu können.“ Wie wird der LSB diesen Erwartungen gerecht?
Indem er eben genau in diesen Zeiten des Umbruchs und der wachsenden Stadt etwas bietet: die Verlässlichkeit und Verbindlichkeit des organisierten Sports. Es kommen neue Menschen zu uns – der Sport bindet sie ein. Ich glaube, das Geld ist wirklich ausgezeichnet angelegt: in den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
- Ein Journalist hat immer eine kritische Sicht und ist bestrebt, alle Seiten zu hören. Inwiefern können Ihnen diese journalistischen Tugenden bei Ihrer neuen Arbeit zu Gute kommen?
Vielleicht kann mir eine journalistische Ur-Methode helfen: Erst einmal Fragen zu stellen und zuzuhören und sich erst nach vielen Gesprächen ein eigenes Bild zu machen.
- Sie haben ein Buch über Timo Boll geschrieben und begeistern sich für Tischtennis. In Berlin sind die Frauen des ttc eastside mehrfache Deutsche Meister, Pokalsieger und Champions League Sieger. Sie müssen trotz ihrer Erfolge in den Medien um Beachtung kämpfen und teilen dieses Schicksal mit vielen anderen Vereinen. Welche Möglichkeiten gibt es, die Situation zu verbessern?
Der Wettkampf um Aufmerksamkeit war noch nie so hart. Erhellend fand ich, was der Soziologe Andreas Reckwitz in seinem Buch „Die Gesellschaft der Singularitäten“ analysiert hat: Früher gab es einen festen Kanon an Werten und Ereignissen. Was gesellschaftliche Relevanz hatte, war geradezu genormt. Heute wird es immer wieder neu bestimmt – vom Publikum. Und da geht es vor allem um das Unvorhersehbare, das Besondere – eben das Singuläre. Eine logische Folge daraus ist, dass vieles Wertvolle im Sport leider nicht ausreichend gewertschätzt wird, etwa die tägliche, unauffällige Arbeit. Daraus ergeben sich für mich zwei Konsequenzen: Sich zum einen unabhängiger zu machen. Wer seine Arbeit im Sport zum Beispiel von der Anerkennung der Medien abhängig macht, kann nur enttäuscht werden. Zum anderen können heute Vereine und Verbände selbst zum Medium werden durch die Möglichkeiten, die ihnen Kanäle wie Facebook, Twitter, Instagram oder Youtube bieten.
- Viele große und kleinere Sportveranstaltungen finden jedes Jahr in Berlin statt. In der Öffentlichkeit werden nur wenige wahrgenommen. Wer weiß zum Beispiel, dass Berlin in diesem Jahr zum zehnten Mal Gastgeber für die Deutsche Tischtennis-Meisterschaft war. Ist die große und breite Vielfalt des Sports in Berlin Fluch und Segen zugleich?
So könnte man es sagen. Hier finden einerseits fast alle etwas, das sie begeistert. Andererseits verteilt sich das Publikum dadurch so sehr, dass die große Aufmerksamkeit nur auf wenige fällt. Ich finde es wichtig, dass es Großereignisse gibt, denn sie haben etwas „Lagerfeuerartiges“, sie bieten Stoff für das verbindende Tagesgespräch. Doch die sportliche Vielfalt müssen wir immer wieder pflegen. Denn auch vermeintlich kleinere Sportarten bringen alles mit, was den Sport ausmacht.
- Sie sind auch Familienvater. Welche Rolle spielt Sport in Ihrer Familie?
Bei so vielen Bällen, die oft bei uns zu Hause durch die Wohnung fliegen, bin ich manchmal froh, dass noch alle Fensterscheiben heil sind. Aber Familie und Sport ist auch eine wichtige Aufgabe für den LSB. Das Familiensportfest ist ein tolles Ereignis mit großer Strahlkraft. Es wäre großartig, wenn es uns gelingen würde, noch mehr Familien an die Vereine zu binden. In den Mitgliederstatistiken schauen wir bei fast allen Sportarten in der Mitte in ein Loch. In der berühmten „Rush Hour des Lebens“, also zwischen Mitte 20 bis in die Vierziger verlangen Familie und berufliche Absicherung eben sehr viel Zeit und Energie. Aber vielleicht entstehen daraus ja auch neue Angebote von Vereinen, die sich an Eltern und Kinder zusammen richten, sodass sie selbst zu einem Ort werden, an dem Familienleben stattfindet.
Die Fragen stellte Angela Baufeld – SPORT in BERLIN – November/Dezember 2018
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