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10
11
2018

Lothar Pöhlitz - Foto: Privat

Wir brauchen Trainer mit dem Goldkörnchen-Erkennungs-Gen – Von Lothar Pöhlitz*

By GRR 0

© Lothar Pöhlitz – Keine Sportart ist ausgenommen, kein Trainer oder Scout bleibt verschont, Fehlgriffe sind bei der Talentsuche normal.

Eigentlich gibt es viel mehr Fehlentscheidungen als Glücksgriffe, vor allem wenn es um hochbegabte Läufer geht. Besonders auffällig ist es wohl im Fußball wo trotz millionenschwerer Investitionen in Nachwuchsleistungszentren dem 17-19jährigen Supertalent aus dem Ausland schließlich immer wieder der Vorzug gegeben wird. Und auch die sind nur in den seltensten Fällen Volltreffer.

Auch im Mittel- und Langstreckenlauf ist es nicht leicht hochbegabte früh zu erkennen, noch dazu wo – wie die Nachwuchsbestenlisten zeigen –  das derzeit dünne Angebot die Trainer sicher nicht gleich in die Spur bringt. Vielleicht ist es ein Trost das auch in anderen Sportarten das zu kleine Angebot aus den Vereinen den Nachwuchs-leistungssport behindert oder vielleicht sogar den Boden entzieht. Dieses Riesenproblem vor allem verhilft Deutschland in den nächsten Jahren wohl nicht zurück unter die besten in der Nationenwertung.

Die Kunst Außergewöhnliche zu entdecken um die Trainer berühmt zu machen und die Träume der Fans zu erfüllen ist schwerer als oft beschrieben, nicht so selten eine „brotlose Kunst“. Wer feiert schon die Scouts oder Manager im Erfolgsfalle. Nicht so selten sind Trainer schon froh, wenn sie an einer Medaille beteiligt, genannt werden.

Auch weil es an Basismasse, am außerschulischen Sport, den es früher einmal gab, an Nachwuchstrainern in den Vereinen fehlt, die sich selbstlos dem U10-Kindersport widmen. Damit sind die Enttäuschungen über die nicht von allein „zulaufenden“ vorprogrammiert, die Resignation seit Jahren größer als die Bereitschaft sich dem Niedergang entgegenzustellen. Wer geht schon noch in die Schulen oder bekommt von den Sportlehrern Tipps. Kein Geld für die Kleinen unter 10 Jahren. Was von Übungsleitern wie selbstverständlich erwartet wird, für die Ehre oder Almosen Kinder zu trainieren, wäre in der Politik unvorstellbar.

In der Erkennung von Talentpotenzialen gibt es keine Geheimnisse. Blick, Gefühl und Erfahrungen der Trainer sind an erster Stelle. Keine physischen oder psychischen Testbatterien, keine noch so moderne Software helfen. Die aktuellen Leistungen sind Momentaufnahmen und lassen für die Zukunft nur hoffen.

Es gibt nur sehr wenige Trainer oder auch Scouts mit dem „Goldkörnchen-Erkennungs-Gen“, mit der außerordentlichen Fähigkeit hochbegabte Läufer mit Potenzialen für ihre Zukunft zu erkennen, die andere nicht sehen.

Nur wenn es ihnen früh gelingt hinter „die Kulissen“ des/der Einzelnen, seine Charaktereigenschaften, seine Erziehung in der Kindheit, sein privates Umfeld, seine Willensqualitäten, Konzentrationsfähigkeit und seine aktuell noch verborgenen „unterirdischen Qualitäten“ zu blicken, die sich nicht beim „joggen“ sondern erst im „harten Training“ zeigen, wird deutlich ob die Potenziale eines Tages auch für Spitzenleistungen reichen könnten. Das eine oder andere offenbart sich erst – nach Stagnationen, Rückschlägen, nach langwierigen Verletzungen oder der Pubertät – in Jahren im Training und in Wettkämpfen.

Leider sind hochbegabte oft nicht ehrgeizig genug, weil sie in der Vergangenheit das Lob „der lokalen oder regionalen Presse“ zu oft erreichte. Sie mussten nie hart arbeiten. Gelingt es dem Trainer nicht ihre Einstellungen zu verändern, ihre Leidenschaft für das notwendige Leistungstraining zu wecken, werden sie höchstens einmal „Regional- oder Deutscher Meister“. Das bedeutet aber nicht das sie weniger wertvolle Menschen für das Leben sein müssen.

Wichtig ist in der Ausbildung von Hochbegabten nie die Orientierung an den Weltbesten zu übersehen, weil Training von begabten Läufern immer auch mit aktueller Ausbildung der Fähigkeiten verbunden sein muß die später für Siege gebraucht werden.

Schade ist das an den seit Jahren zementierten veralteten Strukturen festgehalten wird, kaum wirksame Lösungsansätze zur Verbesserung der Talentsichtung und Talentausbildung für den Hochleistungssport z.B. für die Sportgymnasien oder Eliteschulen zu erkennen sind und man so auch bei der gegenwärtig internationalen Entwicklung des Nachwuchsleistungssports (U18/U20 EM/WM – Olympische Jugendspiele) erkennt das wir Rückstände haben.

Lothar Pöhlitz

————————————————————————————————————————–*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / DLV-Bundestrainer 1980 – 1998 i. R. / Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjährig Dozent an der Trainerakademie und DLV-Trainerschule  

 

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