Foto-Quelle: Wilfried Raatz/ wus-media
Run together mit Run2gether: Unter anderem mit Laufwochen auf der Hochrindl
Wer die nationalen und internationalen Läufe in Deutschland, der Schweiz, aber vor allem in Österreich und Italien beobachtet, dem werden die ostafrikanischen Läufer mit dem auffälligen gelb-schwarzen Dress ins Auge fallen. Es sind die Läufer von run2gether, die seit nunmehr zehn Jahren weniger in einem der unzähligen Managements unterwegs sind, sondern vorrangig mit den erlaufenen Prämien Sozial- und Laufprojekte zur Unterstützung von Armen in Kiambogo personell und vor allem finanziell vorantreiben. Ein Teil dieses überaus lobenswerten Ansatzes steuert das Laufprojekt auf der Hochrindl in Österreich bei, dem europäischen Sommerquartier der Kenianer von run2gether. Auf 1700 Meter leben die kenianischen Laufasse jeweils eine Woche lang zusammen mit Laufeinsteigern, Hobbyläufern und ambitionierten Läufern, die aus Deutschland, der Schweiz und Österreich kommen – und vielfältige Facetten des kenianischen Läuferlebens kennenlernen.
Seit 2008 gibt es übrigens die get2gether-Laufwochen, zunächst auf der Hebalm, dann auf der Turracher Höhe und seit 2016 im aktuellen Domizil, der Hochrindl in den Nockbergen. „Für diese Laufwochen laden wir Läufer aus unserem Camp ein, die nicht nur leistungsmäßig in Europa bestehen können, sondern auch bereit sind, mit Gästen auf deren Leistungsniveau zu trainieren und aus sozialen Verhältnissen stammen, die unsere Unterstützung dringend benötigen. Wichtig ist allerdings auch, dass die ausgewählten Läufer als Team harmonieren. Die Stammeszugehörigkeit ist dabei gleichgültig!“
Mit insgesamt 54 Athleten wurde die Saison 2017 beispielsweise bestritten, die sich in unterschiedlicher Teamstärke zwischen dem Frühjahr und dem Herbst auf der Hochrindl oder im italienischen Stützpunkt in Varese aufhielten und von dort aus die insgesamt 339 Starts quer durch Europa bestritten. „Unsere ehrenamtlichen Mitglieder im Verein get2gether sind viele Wochenenden im Jahr unterwegs, um unsere Athleten rechtzeitig und bestens betreut zu den unzähligen Wettbewerben zu bringen“ verdeutlicht Thomas Krejci die enorme Reisekoordination, die vorrangig durch Johann Heinzl organisatorisch bewerkstelligt wurde. Laut dem veröffentlichten Finanzbericht kamen dabei 41.000 Euro an Preisgeldern in die Kasse. Einnahmen durch Sponsorengelder (23.000 Euro) und Patenschaften (42.000 Euro) sind weitere starke Positionen, die allerdings durch die Einnahmen bei den Laufwochen erheblich getoppt wurden, denn hier stehen 90.000 Euro auf der Einnahmenseite.
„Experience – the Kenyan way“ ist das Schlagwort für die Laufwochen, die vorrangig durch Mund-zu-Mund-Propaganda beworben werden und inzwischen 200 Gäste zwischen Mitte Juni und Mitte September umfassen. Das Laufprogramm ist typisch kenianisch mit sicherlich einigen Anpassungen an die europäischen Gepflogenheiten. Während der morgentliche Auftakt um 6.30 Uhr vier bis elf Kilometer mit bis zu 300 Höhenmetern vorsieht, ist das Nachmittagsprogramm schon eine knackige, aber stets individuelle an das jeweilige Leistungsniveau angepasste Angelegenheit. Aber eben kenianisch geprägt. So stehen zum Beispiel Hügelintervalle über 20 Minuten auf unterschiedlich langen Strecken mit kurzen Trabpausen, eine Intervalleinheit über 25 Minuten auf der Kunststoffbahn oder ein langer Traillauf zwischen 14 und 23 km und einer Höhendifferenz von bis zu 1140 m an.
Abschluss des einwöchigen Camps bildet die Run2gether-Challenge über 8,6 km und 220 Höhenmetern, bei der der persönliche Pacemaker natürlich wiederum für die Begleitung sorgt. Da steigt freilich schon einmal eine ordentliche Menge Laktat in die bereits (über-)strapazierte Muskulatur. Aber alle Camp-Gäste gehen mit durchweg guter Laune und einem erstaunlichen Durchhaltevermögen die jeweiligen Trainingseinheiten an. Auch eine umfangreiche Lauf-ABC-Einheit wird durchgeführt, für allerdings den mitteleuropäischen, eher technischen Stil bevorzugenden Läufer eine neue oder andersartige Erfahrung, denn einige Übungselemente scheinen aus Lehrbüchern früherer Tage zu stammen. Aber letztlich werden hier Methodik und Systematik praktiziert, die Hunderte von kenianischen Läufern zu Weltklasseathleten mit einer Vielzahl von Medaillen und Rekorden geformt haben.
Triebfeder für das große Engagement des Vereins run2gether und der kenianischen Läufer ist durch das starke Wettkampfangebot in Europa und den Laufwochen und den damit verbundenen Einnahmen die Lebensbedingungen in Kenia zu verbessern. 2010 konnte mit den ersten Einnahmen das Mount Longonot Sports & Recreation Centre in Kiambogo eröffnet werden, zwei Jahre später wurde mit der Laufbahn das bislang größte Projekt gebaut – die für das Laufcamp wie auch für die im gleichen Jahr eröffnete Nursery School zur Verfügung steht. Durch ständige Erweiterungsbauten konnte das Camp inzwischen über fünfzig Läufer aufnehmen, die unter den Fittichen von Geoffrey Gikuni Ndungu trainieren. Eine verbesserte Ausstattung der Primary und Secondary School, Toilettenräume, PC-gestützter Unterricht, Einrichtung einer Medizinischen Station, die Förderung von Gesundheitsprojekten (Augen-, HNO- und zahnärztliche Untersuchungen für 1100 Kinder) konnte mit dem Überschuss erreicht werden. Derzeit versucht, run2gether die Wasserversorgung in der Region um Kiambogo aufzubauen, da die Lebensgrundlage der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung durch lange Dürreperioden erheblich beeinflusst ist. Alleine für dieses Projekt werden 200.000 Euro benötigt.
Auch wenn die Gespräche auf Englisch geführt werden, manche Kenianer sprechen sogar, sicherlich aufgrund ihrer Aufenthalte über mehrere Jahre hinweg, einige Sätze deutsch. Oder erste Gehversuche der deutschsprachigen Gäste auf Suaheli. Da wird schon einmal schüchtern gefragt „Unaitwa nani?“ („Wie heißt Du?“) oder „Unatoka wapi?“ („Wo kommst Du her?“). Schließlich sind einige Städte für die weit gereisten Kenianer ein Begriff, weil man dort vielleicht schon bei einem Straßenlauf um Prämien gespurtet ist.
Aber das Wochenprogramm sieht natürlich nicht nur gemeinsames Laufen nach dem „Schulter-an-Schulter-Prinzip“ vor, sondern man trifft sich in der zusätzlichen Küche des JUFA Hotels Hochrindl zum gemeinsamen Zubereiten von Speisen. Und das ist ein weiteres Prinzip des Trainingscamps, denn die Speisen sind eng angelehnt an die kenianische Küche. Natürlich gibt es dabei Ugali, die Grundnahrung aus Maisgries, die schlichtweg als d a s Geheimnis der kenianischen Lauferfolge hingestellt wird. Oder den beliebten Chai, ein Milchtee, den die meisten Kenianer zu allen Tageszeiten trinken. Oder Chapati, das Fladenbrot aus Weizenmehl. Zudem ergänzen Linsen, Kraut, Kartoffel oder Spinat den Speiseplan, der für einen mitteleuropäischen Gaumen durchaus eine Herausforderung sein kann. Alle Lebensmittel kommen übrigens von regionalen Bauern, alleine die Süßkartoffeln müssen importiert werden.
Nach einer Woche, gespickt mit vielen Eindrücken und einem Faible für das Läuferland Kenia und die liebenswerten und sympathischen Läufer, gilt es Abschied zu nehmen. Natürlich auf Suaheli: „Kwa Heri!“
aus „aktiv Laufen 06/2018“