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Alhassane Baldé - DBS - „Oliver Kremer, sports.pixolli.com“

Alhassane Baldé: Endlich vor dem „Silver Bullet“? Para Leichtathletik-EM in BERLIN vom 20. bis 26. August 2018

By GRR 0

Para Leichtathletik-EM in Berlin: Nach zwei Bronzemedaillen bei der WM 2017 zeigte Alhassane Baldé in dieser Saison bereits starke Auftritte und setzte mit deutschen Rekorden Ausrufezeichen

Frechen, 15. August 2018. In kaum einer paralympischen Startklasse ist die Konkurrenz so groß wie in der von Alhassane Baldé: Der beste deutsche Rennrollstuhlfahrer sieht sich trotz unterlegem Material seit Jahren inmitten von Vollprofis, die Entscheidungen fallen nicht selten erst auf der Zielgerade. Vor der Heim-Europameisterschaft vom 20. bis 26. August ist seine Form besser denn je – selbst ein hartnäckiger Infekt konnte ihn nicht stoppen.

Seit seinem sechsten Lebensjahr, also seit 26 Jahren, fährt Alhassane Baldé Rennrollstuhl. 2004 war er erstmals bei Paralympics dabei, er gewann Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften – aber sein leiblicher Vater hat ihm dabei noch nie live zugesehen. Kommende Woche wird es soweit sein. „Er fährt mit meinen Adoptiveltern nach Berlin. Er kommt aus Guinea und ich habe ihn bestimmt 15 Jahre nicht mehr persönlich gesehen. Ich freue mich sehr auf die Unterstützung bei der EM.

Das wird etwas Besonderes“, sagt der 32-Jährige.

1985 wurde Baldé als Zwillingskind in Conakry geboren. Aufgrund eines Arztfehlers ist er von Geburt an querschnittgelähmt. Bereits mit neun Monaten kam er erstmals zu Untersuchungen nach Deutschland – und weil ihm die Ärzte in Guinea geringe Überlebenschancen attestierten, adoptierte ihn knapp drei Jahre später sein Onkel, der in Düsseldorf lebte. Dort faszinierte ihn mit fünf Jahren auf der Messe Rehacare ein Mini-Rennrollstuhl, Baldé wollte unbedingt damit fahren. Errol Marklein, selbst ein erfolgreicher Paralympionike, schenkte ihm das Ausstellungsstück zum sechsten Geburtstag und wurde sein erster Trainer – der Start einer langen paralympischen Karriere, die eine Medaille 2020 in Tokio krönen würde.

Die fehlt Baldé in der Sammlung nämlich noch, immerhin war das vergangene Jahr mit zwei WM-Bronzemedaillen über 1500 und 5000 Meter in London eines seiner erfolgreichsten. Die letzte und bis dato einzige WM-Medaille hatte Baldé sechs Jahre zuvor mit Silber gewonnen, dazwischen hatte er oft Pech im Rennverlauf oder die Konkurrenz war zu stark, allen voran der Schweizer Marcel Hug, den Baldé seit der Jugend kennt, mit dem er oft trainiert und den er 2004 bei der Junioren-Europameisterschaft letztmals geschlagen hatten – bis zu diesem Jahr.

Am Anfang der Saison hatte Baldé Hug über 1500 Meter endlich mal wieder hinter sich gelassen. Danach knackte er den dort aufgestellten deutschen Rekord erneut, über 800 Meter verbesserte er die fast 15 Jahre alte deutsche Bestleistung um knapp zwei Sekunden. „Sein größter Erfolg“, findet Trainer Alois Gmeiner – und schaut man sich die Umstände an, wirkt das umso erstaunlicher. Denn: Seit einem Ägypten-Urlaub im November vergangenen Jahres schleppte Baldé einen Infekt mit sich, hohes Fieber und Müdigkeit waren die Folge.

Bis die Ärzte ihn Anfang Juli für eine Woche ins Krankenhaus schickten und die Antibiotika-Behandlung anschlug. „Das hat mich in der Vorbereitung immer eingeschränkt. Aber jetzt ist das behoben und ohne dieses gesundheitliche Problem läuft es sehr optimal bei mir“, sagt Baldé – aus verschiedenen Gründen.

Die deutschen Rekorde machen Mut auf dem Weg zum Ziel: Aufs Podium bei der Heim-EM

Die Rekorde machen Mut. Sie sind das Ergebnis des Trainings mit Gmeiner, der die SSF Bonn zur deutschen Rennrollstuhl-Topadresse geformt hat. Seit den WM-Medaillen hat Baldé bessere Trainingsbedingungen, Gmeiner kann nun mit dem E-Bike und einem neu angeschafften, speziellen Schild vor ihm herfahren, um Windschattenrennen zu simulieren. „Er fährt da 45 km/h und ich probiere, ihm hinterherzukommen. Dabei erreiche ich meinen Top-Speed“, sagt Baldé, der seit diesem Jahr auch einen neuen Rennrollstuhl hat.

Bei der WM 2017 war er noch mit deutlich unterlegenem Material gefahren – und trotzdem erfolgreich. Ein Ärgernis für ihn ist, dass ein deutsches Unternehmen Rennrollstühle aus Karbon für seine US-amerikanischen Konkurrenten entwickelt hatte. „Karbon kann ich mir nicht leisten, das ist viel zu teuer, auch wenn es fast jeder fährt“, erklärt Baldé: „Mein neuer Rennrollstuhl ist wieder ein Standardmodell aus Alu, aber er bietet auch Vorteile.“

Seit April hat er nun eine veränderte Sitzposition, die für weniger Rückenschmerzen sorgt, außerdem ist die neue Rennmaschine in den Kurven stabiler. Dazu kommt, dass Trainer Gmeiner in Berlin erstmals als Teil des Teams dabei sein wird, zuvor war Baldé meist allein unterwegs. Es ist auch ein Zeichen dafür, wie die zwei Bronzemedaillen in 2017 das deutsche Rennrollstuhlfahren wieder gepusht haben. Bei der Heim-EM möchte Baldé unbedingt wieder aufs Podium, „alles andere wäre schließlich auch Quatsch.“ Über 800 und 1500 Meter stimmt die Form, über 5000 Meter fehlt ihm durch den Infekt noch das „Stehvermögen auf der Zielgeraden“.

Um das Tempo im Rennen zu fühlen, drehte Baldé im schweizerischen Arbon mit Hug und dem Kanadier Josh Cassidy noch einige Runden im Wettkampf, die Mondobahn dort gilt als eine der schnellsten der Welt, das Ergebnis war der deutsche Rekord. Während international überall Rennrollstuhlfahrer in Gruppen trainieren, ist Baldé häufig in der Schweiz, um sich mit „Silver Bullet“ Hug zu messen und auszutauschen. „Er ist seit Jahren eine Stufe über mir, ich probiere mich immer, an ihn heranzukämpfen und komme immer näher.

Vom gemeinsamen Training profitieren wir letztlich beide, weil auf dem Niveau nicht viele mitfahren können. Nur bei technischen Details herrscht Stillschweigen, da kann ich zwar bei ihm gucken, aber da sehe ich sofort, dass sein Stuhl um ein Vielfaches besser ist als meiner – aber er würde mir da auch nie etwas verraten“, sagt Baldé und lacht.

Bei der Europameisterschaft im Jahn-Sportpark ist die Konkurrenz groß, das Feld „deutlich stärker“, als es noch 2016 im italienischen Grosseto war. Neben Hug werden der neue 800-Meter-Weltrekordhalter Richard Chiassaro aus Großbritannien, der Niederländer Kenny van Weeghel, der Franzose Julien Casoli oder der junge Brite Nathan Maguire um die Medaillen mitkämpfen. Ob Alhassane Baldé den Schweizer Hug auch in einem Meisterschaftsrennen schlagen kann? „Ich habe ja jetzt gespürt, wie es sein kann. Den Wunsch habe ich natürlich – und vielleicht klappt es ja schon in Berlin.“ Die Zuschauer bei der Heim-EM könnten ihm zusätzlichen Antrieb verleihen.

Quelle: Nico Feißt

Mehr zum Top Team, das von der Allianz Deutschland AG, der Sparkassen-Finanzgruppe, der Deutschen Telekom AG und der Toyota Deutschland GmbH gefördert wird, zum Hintergrund und zum Kader finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Paralympischen Mannschaft.

Eintrittskarten sowie weitere Infos zur Para Leichtathletik-EM in Berlin gibt es unter: www.para-euro2018.eu & www.facebook.com/ParaLeichtathletikEM

„Eine EM im eigenen Land ist etwas ganz Besonderes“

Rund 600 Athletinnen und Athleten aus 40 Nationen kämpfen bei den Para Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin an sieben Tagen in 182 Wettbewerben um die Medaillen.

Auch für das 40-köpfige deutsche Aufgebot geht es bei den Titelkämpfen im eigenen Land vom 20. bis 26. August im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark um Edelmetall und Bestleistungen. Während die international erfahrenen Athletinnen und Athleten mit Medaillenambitionen nach Berlin reisen, gilt es für die jungen Nachwuchshoffnungen im deutschen Team bei ihrem ersten internationalen Auftritt bei den „Großen“ vor allem darum, Erfahrungen zu sammeln.

Mit Irmgard Bensusan, Sebastian Dietz, Johannes Floors, Niko Kappel, Birgit Kober, Heinrich Popow, Markus Rehm und Felix Streng stehen acht aktuelle Paralympics-Sieger und Weltmeister im deutschen Team. „Für die Athleten, die international bereits Erfolge gefeiert haben, stehen natürlich die Medaillen im Vordergrund. Die Europameisterschaften dienen aber auch der Standortbestimmung auf unserem Weg zu den Paralympischen Spielen 2020 in Tokio. Das Ziel sind Bestleistungen zum Saisonhöhepunkt, darauf ist das Training ausgerichtet. Wenn das gelingt, werden einige automatisch in den Kampf um die EM-Medaillen eingreifen“, sagt Bundestrainer Willi Gernemann.

Zwölf Athletinnen und Athleten feiern in Berlin ihre Premiere bei einer großen internationalen Meisterschaft. „Unsere Debütanten haben in Berlin die Chance, in Kontakt mit der europäischen Spitze zu treten. Sie sollen vor allem lernen und eine professionelle Einstellung zum Sport entwickeln. Mit etwas Glück ist aber auch sportlich die eine oder andere Überraschung möglich“, sagt Gernemann. Helfen könnten dabei die erfahreneren Athleten im deutschen Team wie Heinrich Popow, der, so Gernemann, seit Jahren den Nachwuchs unterstütze und als Vorbild diene. Der zweifache Paralympics-Sieger und fünffache Weltmeister wird bei den Heim-Europameisterschaften seine Karriere beenden.

Willi Gernemann: „Wir hoffen auf viele Zuschauer und eine tolle Stimmung im Stadion“

Unterstützung erhoffen sich die deutschen Leichtathletinnen und Leichtathleten auch vom Berliner Publikum. „Eine internationale Meisterschaft im eigenen Land ist immer etwas ganz Besonderes. Wir hoffen auf viele Zuschauer und eine tolle Stimmung im Stadion“, sagt Gernemann.  Zum Gelingen der Veranstaltung tragen vor Ort 400 Volunteers mit und ohne Behinderung bei. Gemeinsam mit dem Organisationsteam des Berliner Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes (BSB) sorgen sie für einen möglichst reibungslosen Ablauf und werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Zuschauer aus ganz Europa im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark willkommen heißen.

Auch zahlreiche Medienvertreter werden von den Europameisterschaften berichten, „so dass wir hoffentlich viele Menschen erreichen und zur Para Leichtathletik motivieren können“, sagt Willi Gernemann.

Im deutschen Team ist die Euphorie kurz vor Beginn der Wettkämpfe groß. „Mit der Unterstützung von Freunden und Verwandten sowie dem heimischen Publikum ist sportlich einiges möglich“, betont der Bundestrainer. Dass die Form der deutschen Athleten stimmt, haben sie in dieser Saison bereits unter Beweis gestellt.

Irmgard Bensusan (200 Meter), Niko Kappel (Kugelstoßen), Birgit Kober (Kugelstoßen) und Markus Rehm (Weitsprung) haben bereits Weltrekorde aufgestellt. Darüber hinaus verbesserten die Mitglieder der deutschen EM-Mannschaft zahlreiche Europa- und deutsche Rekorde.

Das TEAM – Foto: „Binh Truong / DBS“.

Das deutsche Team für Berlin

Name Vorname Startklasse Disziplin Verein Alter
Ave Lindy T 38 100m, 200m, 400m, Weitsprung HSG Uni Greifswald 20
Baldé Alhassane T 54 800m, 1500m, 5000m SSF Bonn 32
Bensusan Irmgard T 44 100m, 200m TSV Bayer 04 Leverkusen 27
Bessell Johannes T 46 400m, 1500m TSV Bayer 04 Leverkusen 27
Bötzel Reinhold T 46 Hochsprung Rot-Weiß Koblenz 42
Brämer-Skowronek Marie F 34 (33/34) Speer, Kugel SC Magdeburg 27
Braun Vanessa T 38 100m, 200m, 400m TV Püttlingen 20
Dietz Sebastian F 36 Kugel BSG Bad Oeynhausen 33
Engeleiter Janne T 13 100m, 200m BPRSV Cottbus 22
Floors Johannes T 62 100m, 200m, 400m TSV Bayer 04 Leverkusen 23
Grolla Phil T/F 46/47 100m, Kugel VfB Fallersleben 17
Herrmann Frances F 34 (33/34) Speer, Kugel BPRSV Cottbus 29
Hohl Johannes T/F 20 400m Dresdner SC 1898 19
Kappel Niko F 41 Kugel VfL Sindelfingen 23
Koalick Franz T/F 38 100m, 200m, 400m BPRSV Cottbus 18
Kober Birgit F 36 Kugel TSV 1860 München 47
Kosche Charleen T/F 34 Kugel, Speer BPRSV Cottbus 17
Kosenkow Alexander Guide von K. Müller-Rottgardt 39
Krüsemann Felix T 38 1500m RSV Eintracht 1949 17
Lacin Ali T 61 200m PSC Berlin 30
Lehmann Andreas T 46 Speer PSC Berlin 39
Mester Mathias F 41 Speer 1. FC Kaiserslautern 31
Mogge Juliane F 36 Kugel SC Bayer 05 Uerdingen 28
Müller-Rottgardt Katrin T 12 100m, 200m, 400m, Weitsprung TV Wattenscheid 01 36
Nicoleitzik Nicole T 36 100m, 200m TV Püttlingen 22
Popow Heinrich T 63 Weitsprung TSV Bayer 04 Leverkusen 34
Raykowski Moritz T/F 37 400m TSV Bayer 04 Leverkusen 19
Rehm Markus T 64 Weitsprung TSV Bayer 04 Leverkusen 29
Scherer David T 54 100m, 200m, 400m, 800m TV Püttlingen 22
Schmitz Denis T 33 100m RGS Bönen 26
Schneider Annegret T/F 37 100m, Weitsprung TSG 1845 Heilbronn 18
Schulze Mathias F 46 Kugel BPRSV Cottbus 34
Streng Felix T 64 100m, 200m, Weitsprung TSV Bayer 04 Leverkusen 23
Tietze Maria T 64 100m, 200m, Weitsprung TSV Bayer 04 Leverkusen 29
Tinnemeier Frank F 63 Kugel TSV Hillentrup 45
Ulbricht Thomas T/F 12 100m, Speer PSC Berlin 32
Wichmann Hanna F 32 Keule, Kugel HSG Uni Greifswald 21
Willing Martina F 56 (56/57) Diskus, Kugel, Speer BPRSV Cottbus 58
Zeyen Annika T 54 800m, 1500m 5000m SSF Bonn 33
Ziesmer Ronny T 51 100m, 200m, Keule BPRSV Cottbus 38

Hintergründe zu den Sportlerinnen und Sportlern unserer Deutschen Paralympischen Mannschaft finden Sie unter www.deutsche-paralympische-mannschaft.de.

Kevin Müller
Stv. Leitung Kommunikation & Events

 

 

 

 

 

 

 

 

author: GRR