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13
08
2018

Reto Schorno bei der GRR Jahresmitgliederversammlung - Foto: Heinfried Maschmeyer

EM BERLIN 2018 – Die Bilanz: Die Schweizer – nur noch ein Volk der Davonläufer? Von RETO SCHORNO

By GRR 0

Klaus Blume ist den Lesern /Usern der website von German Road Races (GRR) e.V. durch viele Beiträge, diverser Sportarten, mehr als bekannt.

Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund – und fasst auch sehr “ heisse“ Themen an, bei denen man aneckt! Da muss man schon sehr lange im Geschäft sein, um dieses umfangreiche Hintergrundwissen zu haben.

Das ist natürlich nicht jedermanns Sache, den einen erfreuts, den anderen ärgerts. Aber wichtig ist, daß man Stellung bezieht und nicht „rumeiert“ – das scheint ihm mit seinem allerletzten Beitrag vom 12.8.2018 gelungen zu sein.

Wir präsentieren deswegen eine Gegenmeinung, nämlich die von Reto Schorno aus der Schweiz, der auch gerne Stellung bezieht.

Horst Milde

„Lieber Klaus Blume

Als ehemaliger Hammerwerfer, Mitglied von German Road Race und Präsident der SwissRunners, als Konsument der EM (sowohl im Schweizer als auch im deutschen TV) und als Besucher der EM vor Ort, erlaube ich mir, deinen heute auf German Road Race veröffentlichten Artikel

https://germanroadraces.de/?p=106312

in Schweizer Verhältnisse umzuschreiben. Denn spannenderweise ist die Situation in der Schweiz nämlich gerade umgekehrt: Die Schweizer Werfer beklagen sich genau gleich über mangelnde Förderung durch den Verband, wie das die Läufer gegenüber dem DLV tun… (im Übrigen beklagen sich auch Schweizer Läufer über mangelnde Unterstützung, nicht nur Werfer…)

Die Situation in der Schweiz wird hier recht gut dargestellt:

https://www.aargauerzeitung.ch/sport/leichtathletik-em/die-schwinger-als-konkurrenz-der-boom-in-der-schweiz-hat-die-wurfdisziplinen-links-liegen-gelassen-132885367

Im oben genannte Artikel in der Aargauer Zeitung kommt der abtretenden Leistungssportchef von SwissAthletics zum Schluss:

„… zumal die Statistik einem Schweizer Werfer die grössere Chance offenbart, international zu reüssieren. Die weltweite Konkurrenz ist deutlich kleiner als auf der Bahn. «Es gibt also keinen Grund, wieso wir das nicht machen sollten», sagt Haas, betont aber auch, «ohne besondere Anstrengungen bringen wir dieses Ungleichgewicht nicht weg.»“

Und was tun wir dagegen ? Artikel und Leserbriefe an die TV Anstalten schreiben?

Es hilft nur Eines:

Die Laufdiziplinen in Deutschland und die Wurfdiszplinen in der Schweiz brauchen mehr Förderung! Dies geschieht an der Basis, in den Vereinen und unterstützt von den Verbänden!

GEMEINSAM!

Die Leichtathletik besteht nun mal aus: Laufen, Springen UND Werfen

Lasst unseren Worten Taten folgen und alle in die Pflicht nehmen, die ihre jeweilige Situation verändern wollen.

In der Schweiz arbeiten SwissAthletics und SwissRunners seit Jahren erfolgreich zusammen. Auch wenn die Ansprüche und Vorstellungen unterschiedlich sind, kommen wir nur gemeinsam voran!

Die heutigen Schweizer Resultate im Marathon der Damen und Herren zeugen davon.

Sportliche Grüsse
Reto Schorno
Präsident Verein Swiss Runners

Geschäftsführer SwissCityMarathon – Lucerne – Mitglied German Road Races und AIMS – Ehemaliger Hammerwerfer

Verein Swiss Runners
c/o athletics sportconsulting GmbH
Würzenbachstrasse 13
CH-6006 Luzern
Switzerland

EM BERLIN 2018 – Die Bilanz: Die Schweizer – nur noch ein Volk der Davonläufer? Von RETO SCHORNO

Das war‘s also. Eine einzige große Show der Davonläufer, offiziell genannt „Europameisterschaften der Leichtathleten“.

Was jedoch, mit tatkräftiger Hilfe der hiesigen Fernseh-Anstalt SRF, eher einer arglistigen Täuschung gleichkam als einer sorgfältigen Berichterstattung. Denn die Dramaturgie der Live-Sendungen war aufs Davonlaufen aufgebaut.

Und zwar rigoros. Dass hin und wieder die Schweizer Springer oder Siebenkämpferinnen dazwischen funkten – so etwas versuchte man, irgendwie, und meist ungeschickt, hinzubiegen. Aber waren da in Berlin nicht auch eine einzige Werferin zugange?

Hat man, dank SRF,  eigentlich nicht gemerkt. Allenfalls dann, wenn diese unvermeidliche Werferin mit irgendeinem Wegwurf den Vorlauf einer Läuferin störte. So etwas sei auch wirklich ärgerlich, monierten die Männer des SRF dann mit erhobenem Zeigefinger.

Die Schweizer, ein Volk von Davonläufer? Sicher, im (Davon)-Laufen sind wir noch nie zimperlich gewesen. Und zwar vor neuen europolitischen Strömungen, von Neuem Traditionen, neuen Kulturen, nur auf keinen Fall unserer Tradition. Ganz bestimmt nicht.

Wer auch immer in die Schweiz kommt, und zu einem Sportfest pilgert, muss zwangsläufig den Eindruck gewinnen, die hiesige Leichtathletik bestehe ausschließlich aus Läufern – eben aus Davonläufer. Durchsetzt von einigen spleenigen Sprintern, wie dieser Rakete Alex Wilson oder der verwegenen Hammerwerferin Nicole Zihlmann.

Dennoch bleibt unklar, warum dieses Volk der unentwegten Werfer derart an seinen Davonläufer hängt. Wer, wie unsereins, am schönen blauen Vierwaldstättersee mitten in der Schweiz lebt, weiss, dass unsere Vorfahren schon in der Schlacht von Morgarten 1315 durch Werfen von Steinen und Baumstämmen den Sieg gegen die übermächtigen Habsburger errungen haben. Vielleicht hätten die Fernsehplaner auch dem mal nachgehen können.

Aber denen war wohl die ständige Huldigung der Kambundjis, Wilsons, Sprungers und Abrahams wichtiger, denn das schafft Quote. Unsere Werfer, zugegeben, gehören derzeit nicht zu jenen, nach denen die großen Meetings gieren. Doch gerade dort, beim ISTAF geht es heuer nur um den letzten Schrei von Harting. ISTAF Direktor Martin Seeber weiss, weshalb die Leute ins Olympiastadion kommen:

Der Werfer wegen, nicht etwa wegen der Läufer.

Wir wollen jetzt nicht auch noch auf die Wurfmeetings in aller Welt verweisen, sondern nur darauf, dass wohl auch die Schweizer in der Leichtathletik mehr als nur das Davonlaufen sehen wollen.

DAHER SCHAUEN WIR ARD UND ZDF!

Gäbe es nur einen einzigen Schweizer Werfer von der begeisternden Art eines Robert Hartings, der sie alle mitriss, ob er siegte oder mit fliegenden Fahnen unterging, in den Redaktionsstube von SRF würde man wohl völlig anders denken.

Und sei es der Quote wegen.

Reto Schorno
Präsident SwissRunners
Geschäftsführer SwissCityMarathon – Lucerne
Mitglied German Road Races und AIMS
Ehemaliger Hammerwerfer

https://germanroadraces.de/?p=106312

 

author: GRR