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05
08
2018

Leichtathletik WM 83 Cover mit Willi Wülbeck - CoPress - Horst Milde

Der Mensch Willi Wülbeck (12) musste den Läufer Wülbeck erst akzeptieren – „ZEITZEUGEN des Laufsports und der Leichtathletik“

By GRR 0

Das Projekt der German Road Races „ZEITZEUGEN des Laufsports und der Leichtathletik“ will ein Erinnerungsdenkmal setzen, damit die Erfolge der „Altvorderen“ wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

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Spätere Generationen sollen dadurch erfahren, wie die Sportarten entstanden und welche Entwicklungen nötig waren, wann, von wem und zu welchen Zeitpunkt und mit welchen Schwierigkeiten und gegen welche Widerstände gekämpft wurde, damit der Laufsport und die Leichtathletik sich entwickeln konnten.

Nach den Zeitzeugen Horst MILDE – Berlin  (1), Horst WICZYNSKI – Paderborn (2), Christoph KOPP – Berlin (3),  Katrin DÖRRE-HEINIG – Erbach (4), Konstanze Klosterhalfen  – Bonn (5), Rudolf Budweg (6) – Schortens, Siegfried Herrmann – Halle (7) – Manfred Steffny  – Erkrath  (8), – Gerd Zachäus – Essen (9) – Winfried Aufenanger – Kassel (10) – Heinfried Maschmeyer – Drebber (11)  ist der nächste Zeitzeuge Willi Wülbeck – Oberhausen (12).

In meinem Arbeitszimmer hängen, dicht gedrängt, jene fünfzig Fotos aus fünfzig Reporter-Jahren, die mich an ganz besondere Momente erinnern sollen.

Einer dieser Momente ist zweifellos die Minute nach dem 800-Meter-Finale bei den ersten Leichtathletik-Weltmeisterschaften am 9. August 1983 in Helsinki.
Auf diesem Foto starre ich, das Mikrophon von der Live-Übertragung noch umgehängt, ins Leere. Wie ein Mensch, der offenbar nicht begreift, was er soeben erlebt hat. Drei Minuten und zwanzig Sekunden lang hatte ich gerade für Radio Luxemburg – RTL gab‘s noch gar nicht – an jenem (sport)-historischen Tag Willi Wülbecks unvergesslichen Sturmlauf zum Sieg übertragen – offenbar mit großer Empathie, denn der Moderator daheim war hellauf begeistert. Doch sein Lob drang gar nicht bis zu mir durch.
Hatte Willi, dieser Irre aus Oberhausen, mit dem ich –  jahrein, jahraus durch die halbe Welt reisend – übers Laufen philosophierte, wirklich Gold gewonnen? 
Ja, und wie! Willis Siegerzeit – wahnwitzige 1:43,65 Minuten – zieren 36 Jahre später immer noch als Deutschen Rekord die Annalen.
Willi hatte zuvor, bei den Deutschen Meisterschaften in Bremen, zwar in beachtlichen 1:44,65 Minuten gewonnen, und kam immerhin als Olympia-Vierter von 1976 nach Helsinki – „doch der WM-Titel schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus“, staunte damals im kleinen Kreis sein langjähriger Trainer und väterlicher Freund Hans Raff, dieser sonst eher zurückhaltende Mann.
Willi hatte in Helsinki alle Top-Favoriten bezwungen, den robusten Niederländer Rob Druppers, vor allem aber den Brasilianer Joaquim Cruz, den Sebastian Coes fachkundiger Vater Peter und ich damals für den begabtesten aller 800-Meter-Spezialisten hielten. 
Belege? Bitte: 1984 hatte Cruz in Los Angeles olympisches Gold gewonnen, vor Coe; knapp drei Wochen später attackierte er in Köln dessen Weltrekord (1:41,73 Minuten) – wie stets, von der Spitze weg, als eigener Pacemaker. Im Ziel blieben die Uhren bei 1:41,77 Minuten stehen – noch immer das fünfschnellste 800-Meter-Resultat aller Zeiten. In der Nacht drauf haben Cruz, dessen kongenialer Coach Luiz de Oliveira und ich über Rekord-Marschrouten philosophiert. Der dann von Cruz minutiös aufgezeichnete Plan enthält acht (!) Möglichkeiten – ich hüte ihn noch immer wie meinen Augapfel. 
Aber zurück zu Willi Wülbeck, der mir 1987 gestand, so manche Auseinandersetzung mit dem Verband aber auch so manche eigene Überlegung hätte er ohne Einschlafmittel überhaupt nicht bewältigen können.
So wurde, zum Beispiel, eine Länderkampf-Absage von ihm wegen Examensarbeiten nicht so ernst genommen, wie sie gemeint war. Willi, der viel sensibler ist, als er sich in der Öffentlichkeit gibt, haben solche Dinge mehr als nur gekränkt. Oder da war der 6. Juli 1983, beim großen Rotweiß-Sportfest auf dem Koblenzer Oberwerth. 
Willi wollte damals über 1500 Meter antreten, um sich vor der WM in  Helsinki nicht zu überfordern. Doch urplötzlich verlangten der damalige Bundestrainer Paul Schmidt und einige DLV-Funktionäre von ihm einen superschnellen 800-Meter-Lauf – hic rhodus, hic salta.
Und Willi lieferte: 1:45,34 Minuten.

Weil ihn innerhalb der Journaille nicht jeder so kannte, wie er wirklich war, kreidete man ihm in der Öffentlichkeit gern seine Niederlage bei den Europameisterschaften 1982 in Athen an.  Führte darauf seine Empfindlichkeit zurück. Damals hatte Willis Freund Hans-Peter Ferner aus Ingolstadt den Titel gewonnen, während er selbst nur Letzter geworden war. Damals hielten nicht Wenige Willis Karriere für hochgradig gefährdet; Wülbeck, der Grübler, der Skeptiker, das Sensibelchen, sei an sich selbst gescheitert, so konnte man es hören, so konnte man es zwischen den Zeilen auch lesen.

Damals sagte mir Willi zwei Sätze, die ich bis heute nicht vergessen habe:

Erstens: „Der Mensch Wülbeck musste den Läufer Wülbeck erst akzeptieren – und umgekehrt.“
Und zweitens: „Ich habe keine Angst mehr vor dem Schmerz, und ich weiß, der größte Gegner sitzt immer in mir selbst.“
1985 hat der Verein „Pro Ruhrgebiet“ den Oberhausener Willi Wülbeck als „Bürger des Ruhrgebietes“ ausgezeichnet. Das hat ihn sehr beeindruckt, „denn ich komme von hier und ich bleibe auch hier.“
Klaus Blume

Wikipedia:

Willi Wülbeck (* 18. Dezember 1954 in Oberhausen) ist ein ehemaliger deutscher Leichtathlet und Olympiateilnehmer, der in den 1970er und 1980er Jahren zu den weltbesten 800-Meter-Läufern gehörte. Sein größter Erfolg war der Sieg bei den erstmals ausgetragenen Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1983 in Helsinki.

Dafür wurde er 1983 von Bundespräsidenten Carstens mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet

Karriere

Bereits bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal belegte Wülbeck den vierten Platz (1:45,26 min). Er war von 1974 bis 1983 zehn Mal in Folge deutscher Meister, 1973 Zweiter der Junioren-Europameisterschaften (1:47,57 min), 1974 und 1982 Achter der Europameisterschaften und 1977 und 1983 Sieger beim Europacup.

Seine deutschen Rekorde über 800 m (1:43,65 min), gelaufen bei seinem Sieg 1983 in Helsinki, und 1000 m (2:14,53 min am 1. Juli 1980 in Oslo) sind bis dato ungebrochen. Er wurde vom Bundestrainer Paul Schmidt und Verbandsarzt Alois Mader betreut.

Wülbeck startete bis 1974 für Rot-Weiß Oberhausen, 1975 bis 1977 für die SG Osterfeld und ab 1978 für den TV Wattenscheid. In seiner aktiven Zeit war er 1,86 m groß und wog 71 kg. Wülbeck studierte von 1977 bis 1984 Sport und Biologie.

Willi Wülbeck beendete 1986 seine Sportlerkarriere und arbeitete danach in der PR-Abteilung eines Sportartikelherstellers sowie als freier Journalist für RTL. Später gründete er eine Sportmarketing-Agentur. Von 1992 bis 2006 war Wülbeck Vorsitzender des Leichtathletikvereins ASV Duisburg. 2010 eröffnete er seine eigene Sportschule. Er lebt in Oberhausen.

Bestzeiten

800 m: 1:43,65 min, 9. August 1983, Helsinki
1000 m: 2:14,53 min, 1. Juli 1980, Oslo

Auszeichnungen

1984: Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis
1985: Bürger des Ruhrgebiets, verliehen vom Verein Pro Ruhrgebiet

Veröffentlichungen

Wülbeck, Willi: Lauftraining mit Willi Wülbeck. Die 10 erfolgreichen Schritte, 1988, ISBN 3892840342

Quelle: Wikipedia

https://germanroadraces.de/?p=101077

https://germanroadraces.de/?p=101383

https://germanroadraces.de/?p=101777

https://germanroadraces.de/?p=102407

https://germanroadraces.de/?p=102717

https://germanroadraces.de/?p=103252

https://germanroadraces.de/?p=103503

https://germanroadraces.de/?p=103977

https://germanroadraces.de/?p=104481

https://germanroadraces.de/?p=104815

https://germanroadraces.de/?p=105155

author: GRR